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Philae ist aufgewacht - Komet Tschuri: Rosettas Kometenlander meldet sich nach 7 Monaten Dämmerschlaf zurück

Stand: 29.04.21 08:17 Uhr

14.06.2015. Kometenlander Philae, der vor sieben Monaten auf dem Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko gelandet war, ist wieder aufgewacht. Das teilte die Europäische Weltraumorganisation ESA soeben mit. Lander Philae war mit der Weltraumsonde Rosetta zu dem Kometen gebracht worden und hatte bei der Landung seinen ursprünglich vorgesehenen Landeplatz verfehlt. Mangels Sonnenlicht hatte sich Philae nach zwei Tagen Analysearbeiten in den Schlafmodus geschaltet. Philaes "falscher" Standort erweist sich jetzt als Vorteil: An seinem ursprünglichen Standort wäre der Lander aufgrund der massiven Sonneneinstrahlung zum jetzigen Zeitpunkt bereits überhitzt.

Philaes Signale wurden am 13. Juni 2015 um 22:28 CEST  von der Operationszentrale der ESA in Darmstadt empfangen, schreibt die ESA in ihrem Philae-Blog:  Der Kontakt mit Philae dauert 85 Sekunden: Seither wurden mehr als 300 Datenpakete durch die Teams beim Lander Kontrollzentrum am Deutschen Luftfahrzentrum (DLR) analysiert. 

"Philae geht es sehr gut: Sie hat eine Arbeitstemperatur von -35 Grad Celsius und hat 24 Watt zur Verfügung", sagte Dr.Stephan Ulamec, der DLR Philae Projetleiter: "Der Lander ist für Operationen bereit."

Beim Analysieren der Status-Daten sei klar geworden, dass Philae bereits früher aufgewacht sein muss: Man habe auch historische Daten empfangen, aber der Lander sei offensichtlich nicht in der Lage gewesen, das Kontrollzentrum früher zu kontaktieren. 

Dem Blog zufolge warten die Wissenschaftler jetzt auf den nächsten Kontakt. Im Speicher von Philae gebe es noch über mehr als 8.000 Datenpakete, die dem DLR-Team Informationen darüber geben werden, was mit dem Lander in den letzten paar Tagen auf dem Kometen passiert ist. 

An seiner Landestelle hatte Philae im vergangenen Jahr täglich nur für anderthalb Stunden Sonnenlicht empfangen. An der ursprünglich geplanten Landestelle wären es täglich sechs Stunden gewesen. Das war zu wenig, um Philaes Batterien mittels Solarenergie wieder aufzuladen.

Philae hatte seine Systeme am 15. November 2014 um 1:15 CET heruntergefahren, nachdem seine Energiereserven verbraucht gewesen waren. Davor hatte Philae etwa 60 Stunden gearbeitet.

Die ESA-Spezialisten hatten damals gehofft, dass sich der Lander Philae wieder aktivieren würde, wenn der Komet einige Monate später auf seiner Bahn näher an der Sonne käme. Bereits seit dem Frühjahr hatte die ESA nach Signalen von Philae Ausschau gehalten: Seit dem 12. März 2015 hat die ESA die Kommunikationseinheit auf der Sonde Rosette aktiviert, um die Philae-Signale zu empfangen. Die Sonde Rosette umkreist den Kometen seit ihrem Eintreffen und dient als Relais-Station für den Funkverkehr mit Philae.  Jetzt hat sich Philae wieder zurückgemeldet.

Seitdem sich der Lander Philae auf dem Kometen Tschurjumow-Gerasimenko im Winterschlaf befand, war es um den Lander etwas ruhiger geworden. Am 15. November 2014 um 1.36 Uhr war Philaes Batterie nach einer dreifachen Landung und mehr als 56 Stunden wissenschaftlicher Arbeit erschöpft. Seither wartete das Team darauf, dass der Lander auf der Reise des Kometen "Tschuri"  Richtung Sonne wieder genügend Energie erhält, um sich zurückzumelden. "Die größte Wahrscheinlichkeit besteht im Mai, dass wir in Kontakt mit Philae treten können" prognostizierte Philae-Projektleiter Dr. Stephan Ulamec vom DLR Köln im Frühjahr: "Wir werden aber bereits ab Ende März versuchen, ob Philae schon ausreichend stark von der Sonne angestrahlt und mit Energie versorgt wird." Auch die Temperaturen an seinem eisigen Standort dürften dann günstiger für Philae werden.

Ulamec lag mit seiner Prognose nur einen halben Monat daneben. Die Freude bei der ESA über Philaes Reaktivierung ist groß.

Wo exakt der Lander steht, konnte jedoch auch in den vergangenen Monaten noch nicht festgestellt werden: Bisher konnte er auf keinem Bild der OSIRIS-Kamera entdeckt werden. Allerdings hatte die ESA das wahrscheinliche Landegebiet eingrenzen können und mehrere Fotos veröffentlicht, auf denen Philae - an unterschiedlichen Standorten - zu sehen sein könnte.

Es war eine spektakuläre Landung, die Philae am 12. November 2014 auf dem Komenten "Tschuri" hingelegt hatte:

Pünktlich wie geplant setzte er um 16.34 Uhr mitteleuropäischer Zeit auf dem Kometen auf, nachdem er mit Schrittgeschwindigkeit aus 22 Kilometern Höhe in Richtung Churyumov-Gerasimenko herabgesunken war.

"Die Solarpaneele, die an den Außenseiten des Landers sitzen, zeigten in den Energiekurven deutliche Schwankungen - Philae musste sich also noch drehen und konnte nicht fest auf dem Boden stehen", erklärt DLR-Projektleiter Dr. Stephan Ulamec.

Fieberhaft werteten die Wissenschaftler in ihren Teams die frischen Daten unter anderem der Messungen von MUPUS und ROMAP aus und konnten schließlich bestätigen: Lander Philae steht nicht mehr auf der Kometenoberfläche, sondern befindet sich wieder im Flug. In 500 Millionen Kilometer Entfernung von der Erde hatte der Lander seinen sorgfältig ausgewählten Landeplatz Agilkia also nur kurz berührt und dann wieder verlassen.

Schattige Stelle am Kraterrand

Erst um 18.32 Uhr mitteleuropäischer Zeit setzte er nach einer weiteren Zwischenlandung endgültig auf - und steht seitdem schattig und in der Nähe eines Kraterrands auf dem Kopf des Kometen, dicht an der Nähe des Kometen-Äquators. Zumindest einen Namen hat der Standort von Philae mittlerweile erhalten: Die finale Landestelle wurde nach der antiken ägyptischen Stadt Abydos benannt. Die ESA hatte zusammen mit dem DLR, der französischen Raumfahrtagentur CNES und der italienischen Raumfahrtagentur ASI einen internationalen Wettbewerb zur Namensfindung durchgeführt.

Dabei wurde für die ursprüngliche Landestelle vom Lander Steering Committee der Name "Agilkia" ausgewählt. Der Name "Abydos" machte damals nicht das Rennen und kam nur auf den zweiten Rang. Nun, mit einem weiteren, finalen Landeplatz, kommt der Namensvorschlag doch zum Zug. Abydos ist nicht nur als antike Nekropole bekannt, sondern hat mit ungewöhnlich geformten Hieroglyphen auch für unterhaltsame Spekulationen gesorgt: In einer Inschrift sind Hieroglyphen zu sehen, die einem Hubschrauber und einem U-Boot ähneln. Suche nach der Nadel im Heuhaufen

Mit dem Instrument CONSERT grenzten die Wissenschaftler den finalen Standort von Philae immerhin auf ein Gebiet von etwa 350 mal 30 Metern ein. Die exakte Position konnte jedoch noch nicht ermittelt werden. Auf den Aufnahmen der OSIRIS-Kamera aus 20 und 30 Kilometern Entfernung zeigte sich der Lander nicht.

Vor allem während der Kometentage, während der Lander von der Sonne 1,3 Stunden angestrahlt wurde, richteten die Wissenschaftler ihre Kamera immer wieder auf das Landegebiet aus. Doch der gerade kühlschrankgroße Lander Philae würde nur einen Durchmesser von drei Pixeln auf den Aufnahmen haben - es ist eine Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Am 14. Februar 2015 wird sich die Rosetta-Muttersonde zwar in einem Vorbeiflug dem Kometen auf nur noch sechs Kilometer annähern, doch verläuft die Flugbahn über die dem Lander abgewandte Kometenseite.

Auch in Zukunft soll die Flugbahn des Orbiters nicht für die Suche nach Philae abgeändert werden, sondern nur die Ausrichtung der Kamera angepasst werden, wenn das Landegebiet in Sicht ist und die wissenschaftliche Arbeit dies gestattet, sagt Dr. Matt Taylor, Rosetta-Projektwissenschaftler bei der ESA.

Energieschub für die Kommunikation

Die erste Chance auf einen Kontakt mit Philae erwartet das Philae-Team im Lander Control Center nicht vor Ende März: "Der Lander benötigt zusätzliche Energie, die erst durch die Annäherung von Tschurjumow-Gerasimenko an die Sonne entsteht."

Zudem muss in exakt diesem Zeitraum der aus dem ESOC in Darmstadt gesteuerte Rosetta-Orbiter über Abydos fliegen, damit die Kommunikation mit Philae möglich ist. Erst wenn diese Bedingungen gegeben sind, wird am Orbiter die Kommunikationseinheit aktiviert, die mit Philae Kontakt aufnehmen kann. Wird Philae wach, ist er darauf programmiert, in regelmäßigen Abständen nach dem Orbiter zu lauschen und ein Signal zu senden. 17 Watt benötigt das Landegerät dafür, aufzuwachen und ein Lebenszeichen zu funken.

Voraussetzung ist zudem eine Betriebstemperatur der Lander-Elektronik von nicht weniger als minus 40 Grad Celsius. "Wir hoffen, dass Philae bis dahin seinen Winterschlaf bei niedrigen Temperaturen gut übersteht", sagt Projektleiter Stephan Ulamec.

An seinem ursprünglichen Landeplatz hätte Philae immerhin 6,5 Stunden lang pro Kometentag in Sonnenlicht baden und seine Batterien schneller aufladen können. Allerdings wäre er dann wahrscheinlich auch schon im März überhitzt und hätte somit nicht mehr arbeiten können.

Nun ist die Nähe zur Sonne gut für Philae an seinem schattigen Standort, weil nicht nur die Temperatur betriebsfreundlicher wird, sondern auch die Stärke der Sonnenstrahlung zunimmt und die Solarzellen des Landers mehr Strom generieren.

Aufwachen in mehreren Schritten

Nach Philaes Rückmeldung aus dem All wird das Missionsteam dennoch erst einmal Geduld beweisen müssen:

Es könnte mehrere Wochen dauern, bis der Lander nach dem ersten Aufwachen ausreichend Energie erhält, um nicht nur erste Kommandos auszuführen, sondern auch mit dem Aufladen der Batterie zu beginnen. Philae muss anschließend genug Energie speichern, um über mehrere Stunden hinweg die Instrumente einsetzen zu können.

"Wie lange dies möglich sein wird, hängt natürlich auch davon ab, wie energieaufwendig die Experimente sind." Bereits seit dem Frühjahr diskutiert und plant das Lander-Team aus Ingenieuren und Wissenschaftlern, welche Instrumente für welche Messungen eingesetzt werden sollten. "Temperaturmessungen, Fotos oder das Instrument COSAC im Schnüffelmodus verbrauchen wenig Energie, der Einsatz eines Bohrers natürlich deutlich mehr."

Ein Teil des Textes wurde mit freundlicher Unterstützung vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. zur Verfügung gestellt und ist zuerst auf der Seite des DLR erschienen. (DLR / ESA / Prometheus.tv)

 


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