Bürgerversammlung zur Auskreisung | Bildquelle: RTF.1

Reutlingen:

Bürgerversammlung zur Auskreisung

Stand: 10.07.15 17:37 Uhr

Am 23. Juli entscheidet der Reutlinger Gemeinderat darüber, ob er beim Land eine Auskreisung beantragt. Reutlingen wäre dann kreisfreie Stadt, der Landkreis um einiges kleiner. Die Stadt verspricht sich davon finanzielle, aber auch organisatorische Vorteile. Gestern Abend hatte die Stadtverwaltung zur Bürgerversammlung in die Stadthalle eingeladen, um die Argumente für eine Auskreisung noch einmal vorzustellen und um gleichzeitig Anregungen aus der Bürgerschaft aufzunehmen.


Leer war die Stadthalle gestern Abend nicht, aber auch nicht bis auf den letzten Platz gefüllt. Rund vierhundert Reutlinger waren zur Bürgerversammlung gekommen. 
 
Mehr als vier Millionen Euro jährlich, so die Rechnung der Stadtverwaltung, kostet der Verbleib der Stadt beim Landkreis Reutlingen. Angesichts der angespannten Haushaltslage, so Oberbürgermeisterin Barbara Bosch, seien das keine Peanuts. Und auch mangelnde Solidarität könne man der Stadt nicht vorwerfen, wenn sie den Landkreis verlässt.  "Wir werden doch irgendwann einmal ansonsten miteinander diskutieren müssen, ob Sie alle bereit wären, auf die 4 Millionen Euro zu verzichten pro Jahr, weil wir noch im Landkreis, aber für dieses Geld Kürzungen und Streichungen vornehmen an Reutlinger Einrichtungen", so Bosch "Das ist die Frage der Solidarität, wie sie sich stellt. "
 
Außerdem könne der Gemeinderat gar nicht über die Auskreisung entscheiden. Das sei Sache des Landes. Wenn der Antrag gestellt sei, würden neutrale Behörden über die Auskreisung entscheiden, nicht die Stadt und nicht der Landkreis. "Es ist richtig, wenn wir im Gemeinderat die Antragstellung entscheiden, damit andere Dritte neutral darüber prüfen können und dann entscheiden können", sagte Bosch. "Und wir müssen es tun, weil wir seit 27 Jahren rumdiskutieren, irgendwann muss ja auch mal ein Knopf ran an die ganze Sache. "
 
Nach der Ansprache der Oberbürgermeisterin waren die Reutlinger Bürger an der Reihe. Und es gab einiges, was sie umtrieb. Allem voran das finanzielle Risiko. Hundertzwanzig Stellen zusätzlich bräuchte die Stadt. Doch die Verwaltungsspitze versicherte: Auch das sei bereits eingerechnet. Die Stadtkreisgründung sei kein finanzielles Abenteuer.  "Wir tragen dieses Risiko über die Kreisumlage heute eh", sagte Bürgermeister Robert Hahn. "Das größte Risiko für den städtischen Haushalt sind die Schwankungen der Kreisumlage, der wir ausgesetzt sind."
 
Die hundertzwanzig Stellen seien in der Stadt schon vorhanden, nur eben beim Landkreis. Die Stadt würde die entsprechenden Mitarbeiter und Räumlichkeiten einfach übernehmen. Sie würden jetzt nur den Auftraggeber wechseln – und das sei aus Sicht der Stadt von Vorteil.  "Wenn ich den Mitarbeiter vom Landratsamt brauche, dann ist er vielleicht gerade in Münsingen, Hayingen, Zwiefalten, sonstwo unterwegs", so Hahn. "Wenn ich den im Haus habe, dann ist der da. Dann kann ich ihm zur Not auch sagen, dass er da zu sein hat und ich kann ihm auch sagen, dass er da zu sein hat, und ich kann ihm auch sagen, bis wann er seine Aufgabe im Interesse der Bürgerschaft und der Wirtschaft zu erledigen hat. Wenn er Mitarbeiter einer anderen Behörde ist, kann ich das nicht. "
 
Was geschieht mit der Kreissparkasse, was mit den Kliniken, was mit den Berufsschulen?  Können sie überhaupt weiterhin auf dem Gebiet der Stadt existieren? Die Fragen der Zuschauer waren vielfältig. Doch Bosch blieb gelassen. Ähnliche Fragestellungen gäbe es auch in Heilbronn, Pforzheim, Ulm und Freiburg.  "Wir haben neun Stadtkreise in Baden-Württemberg", sagte Bosch. "Sie existieren seit Jahrzehnten. Überall dort gibt es Antworten auf die Fragen, wie man es bei uns machen kann. Wir müssen nirgendwo das Rad neu erfinden, wir müssen einfach nur hinschauen: Wie machen es die neun anderen Stadtkreise? Und dann schauen wir, was für uns – da gibt es zum Teil Unterschiede – das richtige Modell ist. "
 
Eines der Hauptargumente von Landrat Thomas Reumann kam ebenfalls zur Sprache: Die Stadt Reutlingen verwechsle die Aufgaben einer Großstadt mit denen eines Oberzentrums. Aber das ließ die Oberbürgermeisterin ebenfalls nicht gelten. "Und wir müssen als Oberzentrum beileibe keine Stadthalle, kein soziokulturelles Zentrum, keine Württembergische Philharmonie Reutlingen, kein RSV und all diese Dinge nicht vorhalten. Das lässt sich aus der Kategorie Oberzentrum überhaupt nicht ableiten, das ist eine völlig andere Baustelle."
 
Ein Vertreter des Landkreises kam gestern Abend nicht zu Wort. Am kommenden Mittwoch soll es für die Bürger des Landkreises eine eigene Informationsveranstaltung in Rommelsbach geben.
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