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Stuttgart:

Arbeitgeber BW: Mindestlohngesetz ist Musterbeispiel für schlechte Gesetzgebung

Stand: 10.04.15 18:40 Uhr

10.04.2015. Die Gesamtbilanz von 100 Tagen gesetzlichem Mindestlohn fällt aus Sicht der Arbeitgeber Baden-Württemberg rundherum negativ aus. In Baden-Württemberg sei dabei in vielen Fällen weniger die Höhe des Mindestlohns das größte Problem, sagte Hauptgeschäftsführer Peer-Michael Dick am Mittwoch in Stuttgart: "Aber das Gesetz ist an vielen Stellen so unklar formuliert, dass sich viele Unternehmen rechtlich plötzlich auf ganz dünnem Eis bewegen müssen. Und es bürdet den Betrieben einen ebenso erheblichen wie unnötigen bürokratischen Mehraufwand auf, der sie nur von der eigentlichen Arbeit abhält. Das ist wahrlich kein Grund zum Feiern."

In den vergangenen Wochen hat sich der Beratungsbedarf bei den Arbeitgeberverbänden im Land durch die Einführung des Mindestlohns massiv erhöht. Dabei sind keineswegs nur die Branchen betroffen, die bisher Löhne von weniger als 8,50 Euro pro Stunde – oder nur knapp darüber – gezahlt haben, so Dicks Beobachtung: „Wenn es darum geht, Arbeitszeiten zu dokumentieren oder Praktikanten zu beschäftigen, sind alle betroffen – selbst die, deren niedrigste Einstiegsentgelte fast doppelt so hoch sind wie der Mindestlohn."

Größtes Ärgernis dabei sei, dass viele Regelungen des Mindestlohngesetzes so unsauber formuliert seien, dass sich die Betriebe mit großer Rechtsunsicherheit und in der Folge mit erheblichen Haftungsrisiken konfrontiert sähen. „Das Gesetz ist Murks. Nicht ohne Grund sieht sich das Bundesarbeitsministerium bereits nach wenigen Wochen gezwungen, die Kontrollen der Mindestlohnzahlung in einigen Bereichen auszusetzen, etwa bei Lkw-Fahrern im reinen Transitverkehr. Auch bei Erntehelfern oder bei Vertragsamateuren mit Minijob musste nachgebessert werden, mit juristisch höchst bedenklichen Auslegungen. Das ist reine Flickschusterei an einem nicht zu Ende gedachten Gesetz", kritisierte Dick.

Anhand der bisher gesammelten Erfahrungen bewerten die Arbeitgeber Baden-Württemberg vier Punkte als besonders kritisch:
- Die Unklarheiten, welche Vergütungsbestandteile auf den Mindestlohn angerechnet werden können und welche nicht;
- Unsicherheiten, für welche Praktika der Mindestlohn gilt – mit der Folge, dass in vielen Fällen solche Praktika nicht mehr oder nur noch in geringerem Umfang angeboten werden;
- Der bürokratische Aufwand für die gesetzeskonforme Dokumentation von Arbeitszeiten – selbst dort, wo weit mehr als der Mindestlohn gezahlt wird;
- Das gewaltige Haftungsrisiko, das entsteht, wenn ein Unternehmen nicht sicherstellen kann, dass auch alle seine Lieferanten und Sublieferanten den Mindestlohn an ihre Beschäftigten bezahlen.

Die Frage, was auf den Mindestlohn angerechnet werden könne, führe in den Unternehmen zu großer Unsicherheit. Ob freie Kost und Logis bei Saisonarbeitskräften, Leistungszulagen oder Weihnachts- und Urlaubsgeld: Alles müsse geprüft werden. „Am Ende sind diejenigen fein raus,
die schlicht 8,50 Euro pro Stunde bezahlen, auch wenn die Arbeitnehmer damit schlechter fahren als bisher", sagte Dick: „Die Dummen sind hingegen diejenigen, die beispielsweise per Tarifvertrag zusätzliche Leistungen gewähren, die nicht auf den Mindestlohn angerechnet werden können. Der Tarifautonomie und der Tarifbindung wird damit ein Bärendienst erwiesen."

Genauso wenig dienlich sei der Mindestlohn für bestimmte Praktika, so der Hauptgeschäftsführer der Arbeitgeber Baden-Württemberg: „Entscheidend ist doch nicht, ob ein solches Praktikum zwingender Bestandteil einer Ausbildung oder eines Studiums ist, sondern welchen Charakter es hat. Wenn ein Praktikant nur Erfahrung sammeln und Einblicke ins Unternehmen gewinnen will, also nicht im eigentlichen Sinne arbeitet, wird ihm kein Unternehmen rund 1.500 Euro im Monat dafür bezahlen wollen."

Ein regelrechtes „Bürokratiemonster" seien wiederum die umfangreichen Dokumentationspflichten, zu denen das Gesetz die Betriebe verpflichte, so Dick: „Das schlägt zum Beispiel dort zu, wo geringfügig beschäftigte Mitarbeiter mit unregelmäßigen Arbeitszeiten eingesetzt werden oder in Branchen, in denen der Gesetzgeber viel Schwarzarbeit vermutet – selbst dann, wenn überhaupt nicht von einem Missbrauch ausgegangen werden kann. Dann müssen die Arbeitszeiten selbst für Mitarbeiter, die 13 Euro in der Stunde verdienen, akribisch erfasst und zwei Jahre aufbewahrt werden. Das ist kompletter Unfug."

Viel zu wenig Beachtung fänden zudem die Bestimmungen des Mindestlohngesetzes, wonach ein Unternehmen unter Umständen auch dafür haften müsse, dass bei Auftragsverhältnissen seine Vertragspartner, Dienstleister und Lieferanten sowie deren Subunternehmen den Mindestlohn an ihre Beschäftigten bezahlen müssen. „Weil völlig unklar ist, wie weit diese Haftung reicht, herrscht bei vielen Unternehmen große Verunsicherung", kritisiert Dick: „Das ist ein weiteres Beispiel für die vielen Unklarheiten, die uns dieses Gesetz beschert hat. Das Mindestlohngesetz ist ein Musterbeispiel für schlechte Gesetzgebung." (Arbeitgeber Baden-Württemberg)

 

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