Angesprochen auf die Kritik des Papstes an der europäischen Flüchtlingspolitik, sagt die Bundeskanzlerin, in der Tat sei die Situation "sehr unbefriedigend". Merkel spricht sich dafür aus, auf zwei Wegen vorzugehen: "Wir müssen auf der einen Seiten den Flüchtlingen dort, wo sie ankommen, vernünftige Bedingungen bieten und auch eine Fairness zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union entwickeln; darüber sprechen die Innenminister." Gleichzeitig gelte es, in den Herkunftsländern die Fluchtursachen zu bekämpfen. Deshalb sei es wichtig, für politische Stabilität zu arbeiten: "Wir müssen durch Entwicklungshilfe, durch politische Kooperation, auch durch Unterstützung der Afrikanischen Union versuchen, die Fluchtursachen einzudämmen", erklärt die Bundeskanzlerin.
Ob sie die Sorge von Gläubigen verstehe, dass ihre Praxis des Glaubens immer mehr in Frage gestellt werde, fragt die katholische Theologin Sara Han. Merkel antwortet, es sei unbestritten, "dass wir eine wachsende Säkularisierung haben". Das führe dazu, dass die, die früher ganz selbstverständlich in der Mehrheit gewesen seien, "heute an manchen Stellen schon in die Minderheit geraten". Die Bundeskanzlerin spricht sich deshalb für eine gute Allgemeinbildung aus: über die monotheistischen Religionen, vor allem aber über die Wurzeln von Christen- und Judentum, "die ja unsere Kultur in Deutschland und in Europa auch ganz wesentlich geprägt haben."
Merkel fügt hinzu: "Genauso, wie wir natürlich eine große Toleranz zu dem Islam haben, der noch nicht so lange bei uns zu Hause ist – jedenfalls nicht mit vier Millionen Menschen, die im Grundsatz dem islamischen Glauben verpflichtet sind." Die Bundeskanzlerin betont: "Eins muss klar sein: Alle Religionen können nur gut zusammenleben, wenn sie auf dem Boden des Grundgesetzes arbeiten." Sie hätten die Religionsfreiheit als Schutzraum, "aber gleichzeitig natürlich auch die Verpflichtung, die Rechtsordnung der Bundesrepublik zu achten".
Mit seiner Warnung, der Glaube dürfe nicht allein zu einer "Kulturangelegenheit" werden, habe Papst Franziskus "sehr Recht", sagt Merkel. "Es geht hier nicht darum, dass wir irgendeine kulturelle Schilderung geben, sondern Glauben betrifft ja jeden einzelnen Menschen." Ihr persönlich als evangelische Christin sei der Glaube "in der Frage der eigenen Lebensführung eine wichtige Sache", bekennt die Bundeskanzlerin. Gott gebe ihr Orientierung, Halt und auch Zutrauen.
Hinweis: Der Video-Podcast ist am heutigen Samstag, ab 10:00 Uhr unter www.bundeskanzlerin.de abrufbar.
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