Entwickelt hat die Methode der deutsch-amerikanische Humangenetiker und Biostatistiker Steve Horvath von der University of California in Los Angeles. Horvath ist davon überzeugt, dass sein Test anderen Verfahren zur Altersbestimmung wie der Röntgenmethode überlegen ist: "Das ist so, als ob man einen Mercedes mit einem Rasenmäher vergleicht", sagte Horvath dem stern.
Um das Alter eines Menschen zu bestimmen, untersucht Horvath zahlreiche Genbausteine, an denen sich altersbedingt chemische Veränderungen nachweisen lassen - die sogenannte Methylierung. "Es ist, als würde die DNA im Laufe des Lebens rosten", sagte Horvath dem stern. Von diesem "Rost" kann ein Labor das biologische Alter des Menschen ableiten. Es entspricht nicht exakt dem rechnerischen Alter, das sich aus der Geburtsurkunde ergibt, doch die Abweichungen davon sind nur gering - besonders bei jüngeren Menschen. Auch deutsche Rechtsmediziner wie der stellvertretende Direktor der Rechtsmedizin in Münster, Andreas Schmeling, der zudem Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für Forensische Altersdiagnostik ist, bezeichnet Horvaths Entdeckung als "große Hoffnung". Unter den Bezeichnungen "Epigenetische Uhr" bzw. "Horvaths Uhr" hat sie bereits bei Forschern weltweit Beachtung gefunden.
Die neue DNA-Methode wirft nun rechtliche Fragen auf. Die Strafprozessordnung verbietet bislang derart weitgehende DNA-Analysen im Strafverfahren. Daher kann sie auch nicht im Fall von Kandel zum Einsatz kommen. Doch die Bundesländer Baden-Württemberg und Bayern haben bereits in der vergangenen Legislaturperiode im Bundesrat eine Gesetzesänderung angeregt, die zurzeit in den Fachausschüssen liegt. Sie folgen damit der Forderung zahlreicher Polizisten. "Wenn Ermittler an einem Tatort eine DNA-Spur finden, könnten sie das Alter des Gesuchten eingrenzen, und wir müssten nicht mehr jeden als Täter in Betracht ziehen", sagte der Vizepräsident des Landeskriminalamts Baden-Württemberg, Andreas Stenger, dem stern.
Außerhalb des Strafverfahrens gelten andere Regeln: Wollen Jugendämter und Ausländerbehörden das Alter von mutmaßlich minderjährigen Flüchtlingen feststellen, gilt das Sozialgesetzbuch, das "ärztliche Untersuchungen" erlaubt. Auf dieser Grundlage hat man auch das Alter im Hildesheimer Fall analysiert.
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