Kultusministerin Eisenmann | Bildquelle: RTF.1

Reutlingen/ Stuttgart:

"2+2 bleibt halt 4": Nach schlechten Schüler-Ergebnissen kündigt Kultusministerin bei IHK-Sommerempfang strikte Reformen an. Kritik an grün-roter Schulpolitik

Stand: 09.07.17 05:19 Uhr

Der Sommerempfang der IHK Reutlingen in der Metzinger Stadthalle stand in diesem Jahr ganz im Zeichen der Bildung. Und mit dieser ist es auch aus Sicht der IHK alles andere als gut bestellt. Das räumt auch jene Expertin ein, die es wissen muss: die baden-württembergische Kultusministerin Susanne Eisenmann. Man habe "ein massives Qualitätsproblem an den Schulen". Die Kultusministerin will nach 5 Jahren grün-roter Schulpolitik scharf umsteuern.


Es ist ein Umstand, der den IHK-Verantwortlichen dicke Sorgenfalten auf die Stirne treibt – und ebenso denen, die sie repräsentiert. Nicht nur sieht die regionale Wirtschaft mit ihren vielen High Tech-Betrieben einem immer akuter werdenden Fachkräftemangel ins Auge; größte Sorgen bereitet auch der zunehmend schlechte Bildungsstand vieler Schulabgänger. Deren Anfangs-Kenntnisse reichen Unis und Hochschulen oft nicht mehr für den Beginn eines Studiums aus. Sie haben zum Teil "Null-Semester" eingeführt, um Studierfähigkeit herzustellen.

Aus Sicht der IHK Reutlingen, so gibt der Gremiumsvorsitzende Johannes Schwörer der Kultusministerin zur Begrüßung mit, müsse  man jetzt "ganz genau untersuchen , wo denn die Qualitätsprobleme in unseren Schulen liegen: Am Unterricht, an der Ausbildung der Lehrer oder in der Motivation".

Susanne Eisenmann, die neue Kultusministerin, hat sich bereits vor einigen Monaten auf die Ursachensuche begeben. Denn der Abfall baden-württembergischer Schüler im aktuellen Vergleich der Bundesländer beim Lesen, Schreiben und Rechnen ist dramatisch: Von Spitzenplätzen ging es hinab ins untere Mittelfeld.

Das hatte nicht nur die im Rahmen der grün-schwarzen Koalition ins Amt gekommene CDU-Politikerin schockiert, sondern auch den grünen Koalitionspartner.

Der Bildungsrückstand beim Schreiben könne auf 1,5 bis 2 Schuljahre beziffert werden. Beim Rechnen sei man sogar rund 2,5 bis 3 Jahre hinter dem zu erwartenden Stand. Eisenmann gehen die Zahlen sichtlich an die Nieren: "Das ist net nix", sagt sie.

In Baden-Württemberg habe immer ein Grundkonsens bestanden, dass man Kinder und Jugendliche optimal vorbereitet von den Schulen schicke. Zum Wohle "der Kinder und Jugendlichen selbst, aber natürlich auch für unseren Wirtschaftsstandort".

Eisenmann und die Landes-CDU machen dafür fünf Jahre grün-rote Bildungsexperimente verantwortlich, die Unruhe an die Schulen brachten und von der alten konservativen Bildungspolitik abwichen: Die Umstellung auf das zweigliedrige Schulsystem, die Gemeinschaftsschulen, die Inklusion; die Einführung selbstverantwortlicher Gruppenarbeiten – und Vorgaben wie "Schreiben lernen durch Hören". Die Gründe  erforschen derzeit  zwei externe Experten-Gruppen.

"Ich kann doch nicht zwei Jahre etwas nicht lernen und dann beginnt die Korrektur", sagt Eisenmann. Auch deshalb nicht, weil "übrigens zwei plus zwei schon immer vier war und nicht 4,5". Das gehe nicht. Jetzt werde das wieder abgestellt. Für Qualität brauche es klare Vorgaben, Konsequenz, aber auch Disziplin und Leistung.

Eisenmann will auch wieder zentrale gemeinsame Kassenarbeiten einführen, damit eine landesweite Vergleichbarkeit entstehe. Bei Deutsch und Mathematik hat die grün-schwarze Koalition auf Druck von Eisenmann die Stundenzahlen in den Grundschulkassen wieder erhöht.

Die Grundschulempfehlung kehrt zurück. Diese muss den weiterführenden Schule wieder vorgelegt werden. Natürlich bleibe die Entscheidung bei den Eltern. Aber es sei wichtig, dass es die Möglichkeit gebe, in Form eines Beratungsgespräch die Dinge noch einmal überdenken zu können.

Das diene auch dem Wohle des Kindes – zumal die meisten Eltern heutzutage einen schulischen Erfolg fast nur noch am Gymnasium sähen. Richtig aber sei, dass "nicht jedes Kind "zu diesem Zeitpunkt dort richtig aufgehoben ist".

Später könne das ganz anders sein. Die Stärke des baden-württembergischen Schulsystems sei bekanntermaßen, dass es sehr durchlässig sei und auch noch spät den Weg zum Abitur, zur Fachhochschulreife und einem Studium ermögliche.

Der Versuch der grün-roten Bildungspolitik, möglichst viele Kinder aufs Gymnasium zu bringen, war auch von Seiten der Wirtschaft stark kritisiert worden. Auch Eisenmann hebt das hervor: "Es gebe eben nicht nur eine kognitive, sondern auch eine handwerkliche Begabung". Dass beide gleichwertig seien, das habe sich in der jetzigen "Wahrnehmung etwas verschoben".

Die duale Ausbildung mit Berufsschule oder das duale Studium seien zu Unrecht vom Aussterben bedroht. Für Kinder und Jugendliche gebe es aber "nichts Schlimmeres als Über- oder Unterforderung". 

Das alles mit realen Konsequenzen: Laut Eisenmann brechen im Land derzeit rund 40 Prozent ihr Studium vorzeitig ab. Das sei "verlorene Lebenszeit, zu der es Alternativen" gebe: rund 330 anerkannte Ausbildungsberufe. Realschulen, so Eisenmann, sollen deshalb wieder gestärkt und stark gemacht werden.

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