Gebhard Aierstock | Bildquelle: RTF.1

St. Johann-Würtingen:

"Ideologie lässt sich nicht verkaufen": Bauernverbandsvorsitzender Aierstock übt Kritik an Politik und Verbrauchern

Stand: 05.02.17 06:56 Uhr

Mit dem Fest Mariä Lichtmess beginnt traditionell das Bauernjahr. Das heißt, seit dieser Woche geht es dann auch wieder los mit der Feldarbeit. Für den Kreisbauernverband Reutlingen ist das traditionell auch der Termin für die Jahreshauptversammlung, die sogenannte Lichtmess-Tagung. Getagt wurde wie jedes Jahr in der Gemeindehalle in St. Johann-Würtingen.


Sie sind ein Berufsstand in schweren Zeiten: Die heimischen Bauern und Bäuerinnen sind im Bewusstsein der Menschen einerseits unverzichtbar. Sie bringen heimisches Fleisch, Gemüse, Milch und Obst auf den Tisch und schützen Flächen. Andererseits hat der oft Wetter abhängige Berufsstand mit einem harten Wettbewerb um günstigste Preise zu kämpfen. Besonders viele kleine Bauern bringt das an den Rand ihrer Existenzfähigkeit bringen.

Das wurde auch jetzt wieder auf der dem Reutlinger Kreisbauerntag auf der alljährlichen Lichtmess-Tagung deutlich, auf dem Reutlinger Kreisvorsitzende Gebhard Aierstock wieder traditionell die Bilanz für das vergangene Jahr zog.

2016 geht dabei als schwieriges Jahr in die Erinnerung ein. Die Erzeugerpreise seien sehr niedrig gewesen. Und das habe sich in den Bilanzen der bäuerlichen Betriebe auch widergespiegelt. Mit Ausnahme für die Bio-Bauern herrsche deshalb Enttäuschung vor. Bereits im Jahr zuvor hatte es Einbußen gegeben. 2016 betrafen die Rückgänge vor allem den durch die Nässe beeinträchtigten Ackerbau. Hier betr'gt das Minus rund 10 Prozent.

Sehr schlecht sah es zudem auch bei den Schweinehaltern aus. Dort sind die Unternehmensergebnisse um rund 20 Prozent und mehrere Tausend Euro zurückgegangen. Der durchschnittliche Betrieb halte  aber lediglich 2000 bis 4000 Euro vor – zu wenig sei das, um die eigene Existenzdauerhaft  zu gewährleisten. Da reiche es auch nicht, dass es bei Milch und Fleisch endlich wieder höhere Preise gebe.

Teils stagnierende, teils zurückgehenden Umsätz gibt es demnach  auch, weil durch die Russland-Sanktionen  noch immer wichtige Auslandsmärkte ausfielen. Mit Sorge blicken die Bauern jetztt auch auf eventuelle Strafzölle durch die neue US-Regierung unter Donald Trump.

Dazu komme erschwerend, dass der Bauernstand auch unter "Akzeptanzproblemen in der Bevölkerung" leide. Die Fleischwirtschaft, aber auch "der große Mengen produzierende Bauer", so eine große nationale Marktstudie, haben beim Verbraucher ein Image-Problem.

Politik und Verbraucher seien dabei in ihren Erwartungen und ihrem Handeln oft aber doppelbödig und unrealistisch, so Aierstock. Wenn man die Erwartungen an die Bauern zusammenfasse, so solle der ideale Bauer möglichst kein CO2 produzieren, weder Pflanzenschutzmittel noch Dünger verwenden, ein kleiner wirtschaftlicher Betrieb mit möglichst vielen Angestellten sein; einer, der zudem noch große Mengen an "optisch makellosen schmackhaften Lebensmitteln zu wettbewerbsfähigen Preisen" produziere. "Und wenn er Tiere hat, dann sollten sie außerdem glücklich sein".

Höhere Preise, das zeigt die Erfahrung, sind die meisten Verbraucher aber andererseits langfristig nicht bereit zu bezahlen. Bäuerliche Betriebe sind in den vergangen Jahren deutlich produktiver, größer, aber eben auch deutlich weniger geworden.

Angesichts billigerer Import-Produkte von außen, wirkten zusätzliche nationale Auflagen schädlich, so Aierstock. Wenn also "der deutsche Staat die Tierschutzlatte noch höher" lege, dann resultiere das in : höheren Kosten und weniger Umsatz; ohne, dass der hiesige Bauer die Möglichkeit habe, seinen Standort ins Ausland zu verlegen. Ganz bewusst gebe er hier den Hinweis, "unter welchem  ökonomischen Druck viele Landwirte stehen".

Gut hat sich die Lage hingegen bei den Bio-Bauern entwickelt. Es sei jedoch ein weit verbreiteter Mythos, dass die Umstellung aller auf ökologische Landwirtschaft die Probleme löse, so Aierstock Denn der Ertrag der ökologischen Landwirtschaft sei eben nachgewiesenermaßen deutlich geringer. Hier sei die Lage letztlich nur deshalb so gut, weil Biobauern deutlich höhere Agrarsubventionen erhielten.

Die Öko-Landwirtschaft sei nicht in der Lage, die Welt zu ernähren. Ideologie lasse sich nicht verkaufen, so Aierstock. Wer also immer wieder" die Agrarrevolution" fordere, der vergesse, dass Landwirte auch zukünftig noch Geld verdienen müssten.

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