Im Laufe des Samstag Vomittags hatte die türkische Regierung mitgeteilt, man habe die Situation wieder unter Kontrolle. Ein Putsch-General sei getötet worden. Über 2.500 putschende Soldaten seien verhaftet worden, über 200 seien ums Leben gekommen. Türkische Medien veröffentlichen lange Listen der verhafteten Militörs. Der von den Putschisten festgesetzte Generalstabschef sei in einer Kommando-Aktion wieder befreit worden.
Zudem seien 3.000 Richter ihres Amtes enthoben worden. Fraglich ist, wie es möglich war, innerhalb weniger Stunden nach Ende des Putsches gezielt mehrere tausend Richter aus ihrem Amt zu entfernen, ohne dass schon im Vorhinein entsprechende Listen und Maßnahmen vorbereitet worden waren. Möglicherweise wollte das Militär mit dem Putschversuch einer bereits vorbereiteten, kurz bevorstehenden, massiven Säuberungsaktion von Militär und Justiz zuvor kommen.
Präsident Erdogan hatte bereits gestern Nacht von seinem Urlaubsort Marmaris aus die Bevölkerung aufgerufen, gegen den Militärputsch auf die Straße zu gehen. Erdogan ist in der Nacht nach Ankara zurückgekehrt. Die putschenden Streitkräfte hatten zuvor das Kriegsrecht ausgerufen und erklärt, das Militär wolle die unter Erdogan verloren gegangene Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Pressefreiheit wieder herstellen. " Die Putschisten hatten am Samtag Vormittag erklärt, man werde weiterkämpfen.
Internationale Reaktionen
"Es gibt keinen Platz in der modernen Türkei für einen Militärputsch", sagte EU-Ratspräsident Donald Tusk.EU-Parlamentspräsident Martin Schulz twitterte am Morgen, er begrüße, "dass an diesem Morgen wieder die Herrschaft des Rechts gilt."
Die amerikanische Regierung rief beide Seiten zu Mäßigung auf. US-Außenminister John Kerry rief die Türkei dazu auf, Ruhe, Stabilität und Kontinuität zu wahren. Die USA glaube an die Demokratie und unterstütze die türkische Demokratie. sagte US-Außenminister John Kerry CNN Türk zufolge in einem Telefonat mit dem türkischen Außenminister Mevlüt Cavusoglu. Die deutsche Regierung teilte mit, man unterstütze die gewählte Regierung Erdogan.
Cem Özdemir: Türkei unter Erdogan ist eine "zivile Diktatur"
Cem Özdemir, Chef der GRÜNEN, befürchtet, dass Staatspräsident Erdogan den gescheiterten Putsch "hemmungslos" ausnutzen werde. "Mit einer liberalen Demokratie im westlichen Sinn hat das, was sich in Ankara Demokratie nennt, sicher nicht viel zu tun", zitiert die Welt am Sonntag den GRÜNEN-Chef weiter. Erdogan werde sich "die Gelegenheit nicht entgehen lassen ... das Militär gründlich zu säubern und sein Projekt einer Verfassungsänderung mit dem Ziel der Alleinherrschaft endgültig zu realisieren."
Nichts Gutes zu erwarten hätten demnach auch "die wenigen kritischen Medien und das zarte Pflänzchen der Zivilgesellschaft." Die Türkei brauche weder einen Militärputsch, noch eine "zivile Diktatur" [unter Erdogan], twitterte Özdemir: "Die #Tuerkei braucht Demokratie für alle. Jetzt."
Alle Parteien im Parlament sind gegen Putsch
"Wir sind grundsätzlich gegen jede Form eines Putsches", wird die pro-kurdische Oppositionspartei HDP auf twitter zitiert. Medienberichten zufolge haben sich neben der regierenden AKP und der HDP auch die beiden anderen Oppositionsparteien, CHP und MHP, gegen den Militärputsch ausgesprochen. Das türkische Parlament war in der Nacht von Panzern umstellt worden und wurde bei einem Luftangriff von einer Bombe getroffen.
Der türkische Ministerpräsident bedankte sich am frühen Morgen bei den Oppositionsführern dafür, dass diese sich gegen den Putsch und für die Demokratie ausgesprochen haben: " Ich danke den Führern der Oppositionsparteien. Sie haben die Demokratie verteidigt.", zitiert die Nachrichtenagentur Kurdpress Ministerpräsident Binali Yildrim: "Durch ihre klare Haltung gegen den Militärputsch haben sie sich an die Seite der Regierung gestellt."
Der frühere Türkische Präsident Abdullah Gul hat den Militärputsch ebenfalls veurteilt.
Gülen-Bewegung verurteilt den Putsch "in aller Schärfe"
Auch die Gülen-Bewegung, die nach Ansicht der Regierung hinter dem Putsch steckt, hat den Militärputsch noch in der Nacht verurteilt. Der Prediger Fethullah Gülen sagte: Die Behauptung, er sei in den Militärputsch verwickelt, weise er in aller Schärfe zurück. Nachdem er selbst in der Vergangenheit in der Türkei mehrere Militärputsche habe überstehen müssen, beleidige ihn dieser Vorwurf ganz besonders.
Präsident Erdogan und der in den USA lebende Gülen waren bis vor einigen Jahren politische Verbündete - mittlerweile sind beide erbitterte Gegner.
Regierung gewinnt im Laufe der Nacht zunehmend Kontrolle zurück - Erdogan wieder in Ankara
Im Laufe der Nacht erkämpfte sich die Regierung zunehmend die strategische Kontrolle zurück: So zog Medienberichten zufolge das Militär vom Flughafen der Hauptstadt Ankara ab, als sich dort eine Menschenmenge versammelte.Damit konnte der türkische Präsident Erdogan, der sich zum Urlaub in Marmaris befunden hatte, mit seinem Flugzeug wieder in die Hauptstadt Ankara zurückkehren.
Erdogan hatte sich aus seinem Urlaubsort zunächst nur via Videoplattform FaceTime über CNN Türk an die Bevölkerung wenden können: Mitarbeiter von CNN Türk hatten dazu ein Handy in die Kamera gehalten, über das Erdogan mittels einer Videoverbindung gesprochen hatte. Er rief die Bevölkerung auf, auf die Straße zu gehen und sich zu den Flughäfen zu begeben.
Tausende gingen auf die Straßen
Auf den Straßen der großen Städte hatten sich tausende Menschen versammelt. Viele fuhren im Autokorso durch die Straßen und hielten türkische Fahnen aus den Autos. Auf TV-Bildern und Fotos waren dabei sowohl Unterstützer der putschenden Militärs, als auch Unterstützer der Regierung Erdogan zu sehen.
Auf den Videos sind auch in zivil gekleidete Menschen zu sehen, die Soldaten untergehakt wegbringen. Ein Panzer ist von dutzenden Zivilisten umgeben. Mehrere Zivilisten sind auf den Panzer geklettert und reden auf den Panzerschützen im Turm ein. Sie versuchen, diesen aus dem Panzer zu ziehen.
Die ursprünglich vom Militär einseitig gesperrte Bosporus-Brücke ist Medienberichten zufolge seit 9 Uhr wieder offen. Ein Teil der putschenden Soldaten an der Brücke habe sich ergeben. Auf Videos ist zu sehen, dass viele Dutzend Ausrüstungsgegenstände der Soldaten auf dem Boden abgelegt wurden. Türkischen Medienberichten zufolge halten noch drei Panzer der Putschisten die Stellung.
In der Touristenhochburg Antalya versammelten sich 30.000 Menschen in der Innenstadt, und demonstrierten gegen den Putschversuch. Vor den Bankautomaten bildeten sich Medienberichten zufolge lange Schlagen.
"Wir haben die Macht übernommen"
Unmittelbar nach dem Putsch hatten die revoltierenden Streitkräfte am späten Freitag Abend, 15.07.2016, das Kriegsrecht ausgerufen. Während der türkische Ministerpräsident erklärte, die Putschisten würden "den höchsten Preis zahlen", meldet das türkische Militär: "Wir haben die Macht übernommen!". Auf den Straßen und vor den Flughäfen patroullieren Panzer. Flughäfen und das Parlament wurden vom Militär umstellt. . In einer Erklärung sagte das Militär, man wolle Rechtsstaat, Verfassung und Pressefreiheit wieder herstellen. In Istanbul ist die Bosporus-Brücke und die Fatih Sultan Mehmet-Brücke von der europäischen auf die asiatische Seite gesperrt und wird von Militär kontrolliert.
Staatlicher Sender TRT besetzt - CNN Türk hilft aus
Etwa 16 Soldaten hatten zu Beginn des Putsches den staatlichen Sender TRT besetzt. Die Soldaten seien inzwischen verhaftet worden und zum Verhör in eine Polizeistation gebracht worden. Die TRT-Moderatorin, die eine Verlautbarung der putschenden Streitkräfte verlesen hatte, sagte, den Journalisten seien die Hände auf den Rücken gefesselt worden und sie sei gezwungen worden, den Text zu verlesen.
Erdogan hatte sich aus seinem Urlaubsort zunächst nur via Videoplattform FaceTime über den unabhängigen Sender CNN Türk an die Bevölkerung wenden können: Mitarbeiter von CNN Türk hatten dazu ein Handy in die Kamera gehalten, über das Erdogan mittels einer Videoverbindung gesprochen hatte. Er rief die Bevölkerung auf, auf die Straße zu gehen und sich zu den Flughäfen zu begeben.
Das sich Erdogan nur über den nicht-staatlichen, privaten Sender CNN Türk an die Bevölkerung wenden konnte, entbehrt nicht einer gewissen Ironie: Erdogan hatte in den vergangenen Jahren die Pressefreiheit in der Türkei massiv eingeschränkt und private Medien massiv behindert: Journalisten, Private Zeitungen und TV-Stationen, die kritisch über die Erdogan-Regierung berichtet hatten, waren mit Prozessen und Steuerforderungen überzogen worden, teils enteignet, politisch gleichgeschaltet und unter staatliche Zwangsverwaltung gestellt worden. Nun war Erdogan ausgerechnet auf einen privaten TV-Sender als Kommunikationsplattform gegen den Putsch angewiesen.
Revoltierendes Militär gegen Erdogan-treue Polizei
Die Trennlinie verläuft offensichtlich zwischen der regierungstreuen Polizei auf der einen Seite und dem putschendem Militär sowie der Gendarmerie auf der anderen Seite. In der Nacht kam es zu Kämpfen zwischen Polizei und Militär. Mehrere Dutzend Tote waren zu beklagen. Mehrere Hubschrauber befinden sich offenbar unter Kontrolle der Putschisten. Einige Kampfflugzeuge werden offenbar von regierungstreuen Teilen der Streitkräften kontrolliert.
Militär ruft Kriegsrecht aus
Der staatliche türkische TV-Sender TRT war am späten Freitag Abend ebenfalls vom Militär unter Kontrolle gebracht worden. In einer verlesenen Meldung wurde außerdem mitgeteilt, dass das Militär das Kriegsrecht ausgerufen habe.
Die private Nachrichtenagentur DHA veröffentlichte eine Verlautbarung der von den Putschisten ausgerufenene Militärregierung. Demnach habe die bisherige Regierung das Land "mit ideologischen Motiven" regiert und sei nicht in der Lage gewesen, das Land zu führen. Deshalb habe man zum Wohle der Bürger der Republik Türkei die Macht übernommen, heißt es in der Erklärung.
Putschende Streitkräfte wollen für "Wiederherstellung von Verfassung, Menschenrechte und Demokratie" sorgen
Das türkische Militär teilte CNN Türk zufolge mit: "Die türkischen Streitkräfte werden für die Wiederherstellung der Menschenrechte, die Verfassungsordnung, der Demokratie sorgen." Es gehe dabei um die Freiheiten und Einrichtungen, "die entscheidend für die Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit im Land sind. " Auch die öffentliche Sicherheit, die unter der Erdogan-Regierung zerstört worden sei, werde wieder hergestellt.
Weiter heißt es: " Alle unsere internationalen Vereinbarungen und Verpflichtungen bleiben gültig . wir hoffen , dass wir unsere guten Beziehungen mit allen Ländern der Welt fortsetzen können."
Der Nachrichtenagentur DHA zufolge hat die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren "wegen Verletzung der Verfassung" eingeleitet. Bislang ist unklar, ob gegen die putschenden Streitkräfte oder die bisherige Regierung Erdogan ermittelt wird.
Kampfflugzeuge über Ankara - Panzer auf den Straßen
Die amerikanische Botschaft in Ankara hatte laut CNN am späten Freitag Abend gemeldet. dass Kampfflugzeuge des Türkischen Militärs eine Stunde lang im Tiefflug über Ankara geflogen sind.
Generalstabschef Gen. Hulusi Akar wurde CNN Türk zufolge zusammen mit weiteren Soldaten zunächst von den putschenden Streitkräften festgesetzt. Die Regierung ernannte noch in der Nacht General Ümit Dündar als neuen, kommissarischen Generalstabschef. Der bisherige Generalstabschef Akar wurde Berichten zufolge im Laufe der Nacht von Spezialeinheiten wieder aus seiner Gefangenschaft befreit und an einen unbekannten Ort verbracht.
Sämtliche Polizisten in Ankara waren unmittelbar nach dem Putsch in den Dienst beordert worden. Die Polizei steht offenbar loyal hinter Erdogan. In Istanbul hatte das Militär die Brücke über den Bosporus und die Fatih Sultan Mehmet-Brücke vom europäischen in den asiatischen Teil gesperrt Der Verkehr wurde nur einseitig vom europäischen in den asiatischen Teil durchgelassen.
Heftige Vorwürfe gegen amtierende AKP-Regierung
Der Putschversuch trifft die Türkei zu einer Zeit, in der sie mit schweren innenpolitischen Problemen zu kämpfen hat. Regierungskritiker werfen der türkischen Regierung Defizite in Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, sowie bei den Menschenrechten und bei der Pressefreiheit vor.
Kritisiert wird eine schleichende Machtübernahme, eine Islamisierung und die Installation eines autoritären Regimes: Vor einigen Wochen hatte das türkische Parlament zudem einer Gesetzesvorlage der regierenden AKP zugestimmt, nachdem eine große Anzahl von Parlamentsabgeordneten ihre Immunität verlieren, und ggf. aus dem Parlament ausgeschlossen werden können.
Opposition: Erdogan will die absolute Mehrheit im Parlament durch die Hintertür
Dies betrifft vor allem Abgeordnete der pro-kurdischen Opposition, aber auch Abgeordnete der anderen Parteien einschließlich der Regierungspartei AKP. Oppositionspolitiker sehen darin eine zielgerichtete Strategie der regierenden AKP: Da die betreffenden Parlamentssitze von den Parteien nicht mit einem Nachrücker besetzt werden dürfen, könnte Erdogan auf diese Weise die lang ersehnte, und bei den vergangenen zwei Wahlen verfehlte absolute Mehrheit im Parlament bekommen. Dann stünde, so fürchten Oppositionspolitiker, der von Erdogan angestrebte Umbau der Türkei zu einem autoritären Präsidialsystem bevor.
Die AKP hatte bei den vergangenen zwei Wahlen im Jahr 2015 (die erste Wahl wurde wiederholt) die dazu notwendige absolute Mehrheit im Parlament angestrebt; diese aber zweimal verfehlt.
Trotz dieser Entwicklung hatten sich alle im türkischen Parlament vertretenen Oppositionsparteien - HDP, CHP und MHP - noch in der Nacht geschlossen gegen den Militärputsch gestellt. Das ist insbesondere im Hinblick auf die pro-kurdische HDP bemerkenswert, der von der Regierung Erdogan immer wieder vorgeworfen wird, in Wirklichkeit der politische Arm der regierungsfeindlichen Kurdenorganisation PKK zu sein. Die PKK wird von Deutschland als Terror-Organisation eingestuft.
Inzwischen hat sich der türkische Ministerpräsident Yildrim bei den Vorsitzenden der Oppositionsparteien dafür bedankt, dass diese sich klar gegen den Putsch gestellt hatten, und der türkischen Regierung zur Seite gestanden seien.
Maulkorb für die Presse. Unliebsame Journalisten kamen in Haft
Das Bekenntnis zur Demokratie wiegt für die türkische parlamentarische Opposition offensichtlich deutlich mehr, als der Wunsch nach Ablösung des zunehmend autoritärer regierenden Erdogan-Regimes.
Der türkischen Regierung unter Erdogan wird unter anderm auch eine massive Einschränkung der Pressefreiheit vorgeworfen: Missliebige Journalisten seien unter Anklage gestellt und ins Gefängnis gesteckt worden. Regierungskritische Zeitungen und TV-Sender seien mit Strafverfahren überzogen worden, und enteignet oder unter staatliche Zwangsverwaltung gestellt worden.
Trotz dieser besorgniserregenden Entwicklung in Sachen Pressefreiheit und Menschenrechten hat sich nun die türkische parlamentarische Opposition ganz klar positioniert: Das autoritäre Regime Erdogan, hinter dem knapp die Hälfte der Bevölkerung steht, soll auf keinen fall durch einen Putsch, sondern ausschließlich mit demokratischen Mitteln im Rahmen der türkischen parlamentarischen Demokratie abgelöst werden.
Wer sind die Putschisten?
Bei den Putschisten könnte es sich um kemalistisch orientierte Militärs handeln, die dem türkischen Staatsgründer Atatürk nahestehen. Atatürk hatte der Türkei eine strikte Trennung von Religion und Staat verordnet. So war beispielsweise das Kopftuchtragen an türkischen Universitäten verboten. Der regierenden AKP wird vorgeworfen, in der Türkei einen schleichenden Prozess der Re-Islamisierung in Gang gesetzt zu haben.
In den vergangenen Jahrzehnten hatte es bereits mehrere Militärputsche in der Türkei gegeben.So 1960, 1971 und 1980. Das Militär hatte jeweils für etliche Jahre die Macht in der Hand, bevor - unter strengen Auflagen der Militärs - wieder demokratische Wahlen zugelassen und durchgeführt worden waren.
Die Regierung Erdogan hatte sich in den vergangenen Jahren intensiv daran gemacht, die türkischen Streitkräfte von Kemalisten, also Anhängern des Staatsgründers Atatürk und Gülisten zu säubern. Kristian Brakel, Leiter der Heinrich Böll-Stiftung in Istanbul zufolge betrafen die Säuberungen auch mutmaßliche Angehörige des sogenannten Ergenekon-Netzwerkes. Auch der Bayloz-Prozess habe zu einer weiteren Schwächung der parallelen Machtstrukturen des Militärs, des sogenannten "tiefen Staates", geführt.
"Säuberungen" von Justiz, Streitkräfte und Polizei durch Erdogan
Erdogan hatte in den vergangenen Jahren außer im Militär zudem auch massive Säuberungen in Polizei und Justiz durchgeführt und mehrere tausend unliebsame Richter, Staatsanwälte, Militärs und Polizisten versetzt oder ihren Ämtern enthoben und entlassen.
Nachdem das Türkische Verfassungsgericht vor wenigen Monaten eine für Erdogan unliebsame Entscheidung getroffen hatte, und einen inhaftierten Journalisten wieder auf freien Fuß setze, hatte Erdogan für den Wiederholungsfall - daher einer weiteren Entscheidung gegen seine Wünsche - mit der Auflösung des Verfassungsgerichts gedroht.
Zudem ging Erdogan in den vergangenen Jahren auch massiv gegen die Organisation seines früheren Verbündeten Gülen vor. Die Regierungspartei AKP sieht jetzt auch die Gülen-Bewegung als treibende Kraft hinter dem Militärputsch. Der in den USA lebende Gülen hatte den Militärputsch jedoch noch in der Nacht verurteilt.
Verquickung von Regierung und persönlichen Interessen
Erdogan wird auch eine Verquickung von Regierungsamt und familiären wirtschaftlichen Interessen vorgeworfen. So wurde Erdogans Schwiegersohn als Energie-Minister in die Regierung berufen. Eine Untersuchung gegen Erdogans Familie im Jahr 2013 wegen Korruptionsvorwürfen wurde von Erdogan durch massiven Druck auf Staatsanwaltschaft und Justiz niedergeschlagen.
Unterstützung des "IS" ?
Der Regierung Erdogan wird zudem auch vorgeworfen, noch bis vor wenigen Monaten die islamistische Terror-Organisation "IS" in den Nachbarländern Syrien und Irak mit Waffen, sowie medizinisch unterstützt zu haben. Die islamistische Terror-Organisation habe sich außerdem auch durch erhebliche Öl-Verkäufe finanzieren können, die über die türkische Grenze gegangen wären.
Journalisten, die seinerzeit eine Waffenlieferung - wohl des türkischen Geheimdienstes - an die "IS" aufgedeckt und dokumentiert hatten, waren auf Betreiben der türkischen Regierung wegen Geheimnisverrats unter Anklage gestellt worden.
Unter massivem internationalen Druck änderte die Türkei ihre Politik gegenüber dem "IS". Seither hat der "IS" mehrere Selbstmord-Attentate in der Türkei verübt.
Deutsche in der Türkei
Über die Lage der Deutschen, insbesondere der deutschen Urlauber, die sich derzeit in der Türkei befinden, und über mögliche Evakuierungs- oder Rückholmaßnahmen, ist bislang nichts Dramatisches bekannt. Bislang sind offensichtlich keine deutschen Opfer zu beklagen.
In der Nacht (Stand 16.07.2015 - 01:45) ) hat das Auswärtige Amt seine Reise- und Sicherheitshinweise hinsichtlich des Militärputsches wie folgt aktualisiert:
"Am Abend des 15. Juli 2016 kam es in Ankara und Istanbul zu starker Militärpräsenz und dem Einsatz von Schusswaffen. Vertreter von Militär und Regierung sprachen gegenüber den Medien von einem Putschversuch. Zur Stunde ist die Lage noch unklar. Reisenden in Istanbul und Ankara wird zu äußerster Vorsicht geraten. Dies gilt insbesondere auf öffentlichen Plätzen und für Menschenansammlungen.
Bei unklarer Lage wird geraten, Wohnungen und Hotels im Zweifel nicht zu verlassen und die Medienberichterstattung aufmerksam zu verfolgen. Der Flughafen Istanbul Atatürk (IST) wurde vorübergehend geschlossen. Reisenden wird geraten, Kontakt mit ihrem Reiseveranstalter oder ihrer Fluglinie aufzunehmen."
Aus anderen Teilen der Türkei lägen dem Auswärtigen Amt zufolge "bislang keine vergleichbaren Meldungen vor.
Die Lufthansa hat einem Sprecher zufolge alle Flüge in die Türkei gestrichen. Ein Flugzeug, das in der Nacht Richtung Türkei unterwegs war, sei zurück nach Frankfurt beordert werden. Außerdem seien auch die Abflüge von Maschinen aus der Türkei nach Deutschland gestrichen worden. Dies betrifft auch "Ferienflieger". Am frühen Samstag morgen wurde Medienberichten zufolge bekannt, dass es heute wieder Abflüge aus der Türkei nach Deutschland geben solle.
Erdogan meldete sich aus dem Urlaub via FaceTime
Aus Kreisen der bis vor dem Putsch regierenden AKP hieß es bereits kurz nach dem Putsch, Erdogan sei "in Sicherheit".
Staatspräsident Erdogan meldete sich noch in der Nacht über ein Telefonat via Handy-Video auf dem Sender CNN Türk zu Wort:. Er sei weiterhin der Präsident des Landes und Chef der Armee, so Erdogan. Er rief die Menschen auf, gegen den Militärputsch aufzustehen und sich auf öffentlichen Plätzen und an Flughäfen zu versammeln. "Ich komme nach Ankara", sagte Erdogan via FaceTime auf CNN Türk. Er werde dort auf einem Platz sprechen.
Erdogan befand sich zum Zeitpunkt des Putsches im Urlaub in seiner Sommerresidenz in Marmaris und hielt sich nach dem Putsch zunächst im Grand Yazici Mares Hotel in Marmaris auf.
Kurz, nachdem Erdogan noch im Laufe der Nacht Marmaris verlassen hatte, wurde seine Residenz oder das Hotel türkischen Medienberichten zufolge bombardiert.
Erdogan blieb erst mal in der Luft
Eine von der türkischen Nachrichtenagentur DHA veröffentlichte Flug-Trackingkarte zeigte die Flugroute eines Flugzeuges, bei dem es sich den Angaben zufolge um die Maschine des Staatspräsidenten handeln soll, über dem Marmara-Meer. Erdogan ist CNN Türk zufolge mit einer Gulfstream G450 (TC-ATA) unterwegs. Das Flugzeug blieb Informationen aus Erdogans Umfeld zufolge zunächst in der Luft, da eine Landung in Ankara noch nicht sicher sei. Die Flugroute führte laut Flighttrackingkarte von Marmari über Istanbul, dann übers Marmara-Meer und von dort Richtung türkisches Festland auf die Stadt Pendik zu.
Im Laufe der Nacht traf das Flugzeug mit dem Staatspräsidenten dann auf dem Flughafen in Ankara ein. Das dortige aufgezogene Militär hatte sich zurückgezogen, nachdem sich viele Zivilisten auf den Flughafen begeben hatten.
Noch im Flughafengebäude hielt erdogan eine Pressekonferenz vor zwei türkischen Fahnen und einem Gemälde des türkischen Staatsgründers Atatürk ab. Erdogan verurteilte den Putsch und kündigte eine radikale Säuberung der Streitkräfte an. Die Regierung habe die Lage unter Kontrolle.
Ministerpräsident: Putschisten werden "den höchsten Preis" zahlen
Der türkische Ministerpräsident Binali Yildrim hatte sich bereits kurz nach Beginn des Putsches zu Wort gemeldet: Einige Militäreinheiten hätten einen Putschversuch gestartet. Diesen werde man aber unterbinden. Die Verantwortlichen würden "den höchsten Preis" zahlen.
Erst jüngst war es auf Betreiben Erdogans zu einem Wechsel auf dem Posten des Ministerpräsidenten gekommen. Zwischen Yildrims Vorgänger und Erdogan war es zuvor dem Vernehmen nach zu massiven Meinungsverschiedenheiten, auch über die von Erdogan vorangetriebene Einführung eines Präsidialsystems, gekommen.
Militär: "Wir haben die Macht übernommen!"
Nachdem die Lage zunächst verworren war und unklar war, ob Regierung oder Streitkräfte die Oberhand gewinnen würden, zeichnet sich gegen Mitternacht auf Basis der eingehenden Meldungen zunächst ab, dass der Putsch der Streitkräfte erfolgreich war. Das türkische Militär hatte Medienberichten zufolge bekannt geben: "Wir haben die Macht übernommen!"
Im laufe der Nacht drehte sich die Lage: Präsident Erdogans Aufruf an die Bevölkerung, auf die Straßen, Plätze und zu den Flughäfen zu gehen, hatte offensichtlich Erfolg: Hunderttausende folgten im ganzen Land Erdogans Aufruf. Nicht wenige Solaten der putschenden Militärs gaben angesichts der tausenden Zivilisten, die sich versammelten, auf.
Blutige Zusammenstöße
Gegen 1 Uhr Nachts wurden blutige Zusammenstöße zwischen Armee und Pro-AKP-Demonstranten gemeldet. Bislang sei ein Mensch erschossen worden; 5 seien verletzt worden. Außerdem wird von Angriffen der Armee per Hubschrauber auf Polizeistationen berichtet. Die Armee habe 167 Polizisten gefangen genommen.
In den großen Städten waren im Laufe der Nacht tausende von Menschen auf den Straßen. Dabei handele es sich sowohl um Unterstützer der putschenden Streitkräfte, als auch um Unterstützer des Erdogan-Regimes.
Am frühen Samstag Morgen hatte die Regierung bekannt gegeben, dass über 1500 putschende Armee-Angehörige verhaftet worden seien, Über 100 putschende Militärs seien bei den Kämpfen getötet worden. Unter den Toten soll sich auch einer der Generäle der Putschisten befinden.
Regierung: Letzter Stützpunkt der Putschisten ist des Armee-Hauptquartier in Ankara
Am späten Samstag Vormitag teilte die türkische Regierung mit, die Situation sei größtenteils unter Kontrolle. Das Armee-Hauptquartier in Ankara sei der letzte, noch von den Putschisten gehaltene Stützpunkt.
Medienberichten zufolge haben in den letzten Stunden etwa 200 Soldaten das besetzte Armee-Hauptquartier verlassen, ihr Waffen niedergelegt und sich ergeben.
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