Flüchtlingshelfer | Bildquelle: RTF.1

Tübingen:

Schwerst traumatisiert - Flüchtlingshelfer berichten von ihrer täglichen Arbeit

Stand: 25.07.15 20:55 Uhr

Das Elend ist derzeit groß in der Welt: Islamistischer Terror, Bürgerkriege, Verfolgungen, Hungerkatastrophen im Nahen Osten, in Syrien, im Irak, In Afghanistan und in Afrika. Auch deshalb reißen bei uns die Flüchtlingsströme derer nicht ab, die bei uns Zuflucht oder einfach ein besseres Leben suchen. In einer Zeit, in der Flüchtlingsheime angezündet werden, kämpfen andere für mehr Verständnis. Bei der Sommersitzung der Bezirkssynode des Evangelischen Kirchenbezirks Tübingen haben Mitarbeiter vom städtischen Asylzentrum und vom Verein Refugio jetzt ihre tägliche Arbeit mit Flüchtlingen geschildert.


Nicht nur vor schockierenden Situationen wie Islamistischen Angriffen fliehen die Menschen nach Europa. Andere wollen dem schlichten Hungertod entgehen. Die meisten haben jedoch eines gemeinsam: Auf ihrer Flucht haben sie Dramatisches erlebt. 40 Prozent aller Flüchtlinge sind schwerst traumatisiert. Das wissen Leute wie Ulrike Schneck von Refugio aus eigener Erfahrung.

In den allermeisten Fällen sei ihnen von anderen Menschen Gewalt angetan worden – so Schneck. Und das habe zur Folge, dass sie dann sehr große Schwierigkeiten hätten, sich wieder auf einen Menschen einzulassen – egal auf wen. Da gäbe es erstmal ein großes Misstrauen.

Zunächst landen die Flüchtlinge – Großfamilien wie Einzelpersonen – in einer Erstaufnahmestelle, wie etwa in Meßstetten. Von dort werden sie auf die Landkreise verteilt. Damit sind die Menschen aber noch lange nicht am Ziel ihrer Reise. Und hier in Deutschland – das sei laut Schneck auch noch mal ein Faktor – seien die Menschen nicht in Sicherheit, vorerst. Weil das Asylverfahren laufe und dessen Ausgang ungewiss sei. Das heiße zunächst einmal: Das Ankommen sei gar kein Ankommen, von dem man sagen könne "Jetzt seid ihr hier und ihr seid sicher". Sondern bei den Flüchtlingen bestehe ständig die Angst, dass die wieder zurück geschickt werden könnten  in das gleiche Trauma, aus dem sie gekommen seien. Für die therapeutische Arbeit sei dies sehr erschwerend. Denn äußere Sicherheit sei die Voraussetzung, damit die Flüchtlinge ihr inneres Erlebtes überhaupt erst verarbeiten können. Aber auch an den Therapeuten selbst gehen die Geschichten nicht spurlos vorbei.

Wenn die Schutzsuchenden nach ihrer Flucht in Deutschland angekommen seien, bedürften sie in erster Linie medizinische Versorgung und psychologische Unterstützung. Laut Angela Zaschka vom Asylzentrum müsse man sich einfach vorstellen, dass die Menschen nicht gestern losgefahren und heute hier ankommen, sondern sehr lange unterwegs seien. Sie habe letzte Woche mit einer Frau aus Somalia geredet, die sieben Jahre unterwegs gewesen sei. Und in dieser Zeit gäbe es oft wenig Versorgung, vor allem medizinisch, und psychologisch schon gar nicht.

Daneben seien auch Möglichkeiten zur Ausbildung, rechtliche Beratung und Freizeitangebote und ein wichtiges Thema. Ein weiterer wichtiger Schwerpunkt: Sprachförderung. Zunächst einmal bedürfe es aber muttersprachlichen Dolmetschern. Karl Jaspers habe einmal gesagt: "Heimat ist da, wo ich verstehe und verstanden werde" – so Peter Scholz von Refugio Tübingen. Und das sei in der Arbeit von Refugio ganz tiefgehend nur möglich, wenn sie Dolmetscher und Dolmetscherinnen, die sie auch selber vorbereiten und ausbilden würden, in ihre Arbeit mit einbeziehen würden. Das sei sehr zentral, dass Flüchtlinge langsam wieder zu Wort kommen und Stück für Stück ihre Geschichte erzählen könnten, in ihrer eigenen Sprache, und die Mitarbeiter von Refugio sie dann auch sehr gut verstehen könnten. Gerade für amtliche Briefe oder beim Asylverfahren sei es wichtig, dass die Mitarbeiter den Flüchtlingen den Inhalt und die weiteren Vorgehensweisen erklären könnten.

Refugio hat aktuell 70 Flüchtlinge in unterschiedlicher Intensität in Behandlung. Das Einzugsgebiet erstreckt sich von Nürtingen/Herrenberg bis nach Sigmaringen.

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