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Wien:

Atom-Einigung mit Iran: Industrie lobt, andere Organisationen skeptisch

Stand: 14.07.15 15:36 Uhr

Die fünf Uno-Vetomächte, Deutschland und Iran haben sich heute nach 13 Jahren auf ein Atomabkommen einigen können. Damit sollen nach zähen Verhandlungen die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass der Iran die Kernkraft zivil, aber nicht militärisch nutzen kann. Im Gegenzug muss Teheran Kontrollen der internationalen Gemeinschaft zulassen. Diese Einigung stößt auf Zustimmung, vor allem in der Industrie - aber auch auf große Skepsis bei Organisationen wie Reporter ohne Grenzen und Stop The Bomb.

BDI: Deutsche Wirtschaft begrüßt Einigung mit dem Iran

"Die mit dem Iran erzielte Einigung ist ein wichtiger Beitrag für Stabilität und Sicherheit in der gesamten Region. Das Land mit seiner jungen, gut ausgebildeten Mittelschicht sucht den Anschluss an die Weltgemeinschaft - politisch wie wirtschaftlich." Das sagte BDI-Präsident Ulrich Grillo am Dienstag in Berlin zum Ergebnis der Verhandlungen der sogenannten 5+1-Gruppe mit dem Iran. "Mit der schrittweisen Aufhebung der Wirtschaftssanktionen wird die deutsche Industrie ihren Beitrag dazu leisten, den Iran wieder in die internationale Gemeinschaft zu integrieren", unterstrich Grillo.

Während 2014 Güter im Wert von 2,4 Milliarden Euro zwischen Deutschland und dem Iran gehandelt wurden, hält der BDI mittelfristig ein Exportvolumen von über zehn Milliarden Euro für realistisch. Mit seinen etwa 80 Millionen Einwohnern ist der Iran ein Absatzmarkt von gewichtiger Größe.

Der Nachholbedarf bei der Modernisierung der Industrie-Infrastruktur des Landes ist groß. "Insbesondere die Modernisierung der Ölindustrie eröffnet dem deutschen Maschinen- und Anlagenbau große Marktchancen", schätzt der BDI-Präsident ein. "Auch der Automobilbau, die chemische Industrie, die Gesundheitswirtschaft sowie der Ausbau erneuerbarer Energien bieten der deutschen Industrie viele Möglichkeiten", erklärt Grillo. Die deutsche Wirtschaft benötige nun Möglichkeiten zur Finanzierung von Investitionen und für die Abwicklung von Geschäften im Iran. Grillo fordert insbesondere die schnelle Wiederaufnahme des Swift-Zahlungsverkehrs sowie klare Regelungen für den schrittweisen Abbau der Sanktionen mit einem verlässlichen Rechtsrahmen für ein Engagement im Iran.

BGA: Erfolgreiche Verhandlung des Atomabkommens ein histori-sches Ereignis

Die Einigung sei ein "historisches Ereignis", heißt es beim Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA), anlässlich des heute erzielten Übereinkommens im Atomstreit mit Iran. "Die Einigung zeigt einmal mehr, dass es sich lohnt, im Dialog zu bleiben und diplomatische Lösungen zu finden. Gleichzeitig ist es ein Signal der Entspannung für den gesamten Nahen und Mittleren Osten." Dies erklärte Anton F. Börner, Präsident des BGA.

Nach einer Zeit der Negativentwicklung hat sich der deutsch-iranische Handel 2014 zum ersten Mal erholt und verzeichnete einen Anstieg von 27 Prozent. Dabei wurden Güter im Wert von 2,69 Mrd. Euro ausgetauscht, hauptsächlich in den Bereichen Maschinen, Nahrungsmittel, Rohstoffe und chemische Erzeugnisse.

"Jetzt gilt es, das Abkommen mit Leben zu füllen und Stück für Stück umzusetzen. Insbesondere sollten die EU und die USA den Sanktionsabbau möglichst zügig und zeitgleich vorantreiben, damit die deutschen Unternehmen ihren Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung Irans leisten können. Besonders in den Bereichen Automobil, Maschinenbau, Chemie und Energie bietet der Iran großes Potenzial, das durch die heutige Übereinkunft offengelegt wird. Es kann nur dann wirklich genutzt werden, wenn die politischen Handelsbeschränkungen auf allen Seiten aufgehoben werden. Insbesondere mit Blick auf die Finanzierungsmöglichkeiten muss die Bundesregierung die US-Seite auf synchrone Sanktionserleichterungen drängen. Die deutschen Unternehmen brauchen dringend wieder mehr Rechtssicherheit im Handel mit Iran", so Börner abschließend.

Reporter ohne Grenzen fordert: Nach Atomverhandlungen muss Iran endlich inhaftierte Journalisten freilassen

Reporter ohne Grenzen (ROG) fordert die internationale Gemeinschaft nach dem Abschluss der Atomverhandlungen dazu auf, von der iranischen Regierung klar und unmissverständlich die Freilassung aller inhaftierten Journalisten zu verlangen und die Achtung von Meinungs- und Pressefreiheit einzufordern. Dass sich der Iran bei internationalen Verhandlungen kompromissbereiter zeigt, dürfe nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Verfolgung unabhängiger Journalisten und Bloggger seit dem Amtsantritt von Staatspräsident Hassan Rohani im Jahr 2013 sogar noch zugenommen habe. Rund 100 Blogger und Onlineaktivisten seien während der vergangenen zwei Jahre verhaftet und zu teils sehr langen Haftstrafen verurteilt worden. Dutzende Oppositionsmedien seien von den Behörden geschlossen worden.

"Westliche Politiker sollten sich von den neuen Tönen, die die iranische Regierung in internationalen Verhandlungen anschlägt, nicht blenden lassen", sagt ROG-Geschäftsführer Christian Mihr in Berlin. "Der Iran bleibt ein repressives Regime, das Meinungs- und Pressefreiheit verachtet und kritische Stimmen im Land gnadenlos verfolgt."

STOP THE BOMB: Sanktionsaufhebung bringt Milliarden für islamistischen Terror

Das Bündnis STOP THE BOMB wendet sich in scharfen Worten gegen das Abkommen der UN-Sicherheitsratsmitglieder und Deutschlands mit dem iranischen Regime. "Nach allem, was bisher bekannt ist, lässt dieses Abkommen nahezu die komplette Infrastruktur des Atom-und Raketenprogramms intakt. Es verhindert nicht die iranische Bombe, sondern schreibt ihre Voraussetzungen fest", sagt Michael Spaney, Sprecher bei STOP THE BOMB. "Ein nukleares Wettrüsten mit den arabischen Staaten habe bereits begonnen, und die aggressive regionale Expansion des iranische Regimes sei in den Verhandlungen ebenso ignoriert worden wie die Vernichtungsdrohungen gegen Israel, die von Teheran noch während der Gespräche mehrfach wiederholt wurden."Besonders dramatisch sieht STOP THE BOMB die geplanten Sanktionsaufhebungen. Der wissenschaftliche Direktor des Bündnisses, Stephan Grigat, erklärt: "Die Beteuerung, Sanktionen könnten bei Verletzungen eines Abkommens durch Teheran umgehend wieder in Kraft gesetzt werden, sind reine Augenauswischerei. Die Errichtung der ohnehin völlig unzureichenden Sanktionsarchitektur hat fast ein Jahrzehnt gedauert und musste gegen massive Widerstände durchgesetzt werden. Das iranische Regime weiß genau, dass ihre Wiedereinsetzung in kurzer Zeit unmöglich sein wird, sobald sie erst einmal zurückgenommen wurden. Milliarden werden als Ergebnis dieses Deals an das Antisemiten-Regime in Teheran fließen. Damit wird die Förderung des islamistischen Terrors von Gruppierungen wie der Hisbollah oder der Hamas neue Ausmaße annehmen. Der Terror gegen die iranische Bevölkerung wird nicht ab-, sondern zunehmen. Schon jetzt wurden unter dem vermeintlich 'moderaten' Präsidenten Rohani deutlich mehr Menschen im Iran hingerichtet als unter seinem Vorgänger Ahmadinejad."

Für den stellvertretenden Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Franz Josef Jung, ist wichtig, dass die Einhaltung der Vereinbarung jederzeit überprüft werden kann. "Diese Überprüfbarkeit ist unerlässlich für die Sicherheit Israels, aber auch der gesamten Region. Die Vereinbarung trägt auch dazu bei, in der Region des Nahen- und Mittleren Ostens die Verbreitung von Nuklearwaffen und damit einen atomaren Rüstungswettlauf zu vermeiden. Nicht zuletzt könnte die Vereinbarung auch zu einem besseren Verhältnis zwischen den USA und dem Iran beitragen. Dies wiederum würde die Voraussetzungen dafür verbessern, dass die Konflikte in Syrien und Irak bewältigt werden können. Insofern kann die Einigung von Wien - wenn sie denn trägt - von historischer Bedeutung sein."

Der Historiker Michael Wolffsohn hat das Atomabkommen mit dem Iran scharf kritisiert. "Keiner der regionalen Konflikte ist gelöst, und die iranischen Anlagen bleiben. Sie können jederzeit auf Atombomben-Produktion sozusagen umgeschaltet werden. Faktisch ist der Iran nun eine Atommacht", sagte Wolffsohn der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post". Andere würden nachrüsten, sagte Wolffsohn. Es folge ein noch dramatischeres konventionelles Aufrüsten in der Region. "Mir ist auch nicht bekannt, dass iranische Raketen verringert oder zerstört werden sollen. Diese erreichen schon jetzt Europa, also auch uns in Deutschland. Fazit: Gutes gewollt, Schlechtes erreicht, zu kurz gesprungen."

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