Schwörtag | Bildquelle: RTF.1

Reutlingen:

Helfende Hand von oben gefragt - Reutlingen begeht den traditionellen Schwörtag im Zeichen von Auskreisung und Flüchtlingen

Stand: 15.07.15 15:19 Uhr

Der Schwörtag war in der Freien Reichsstadt Reutlingen vom 14. Jahrhundert bis 1802 das wichtigste politische Ereignis. Immer am zweiten Sonntag nach dem 4. Juli wurde der Bürgermeister gewählt und vereidigt. 1803 kam Reutlingen zu Württemberg, und das bedeutete das vorläufige Ende des Schwörtags. Seit einigen Jahren wird diese Tradition wieder zum Leben erweckt - als Bürgerfest.


Punkt 10 Uhr: Ganz wie damals, als das mauern-umwehrte Reutlingen im Heiligen-Römischen Reich deutscher Nationen noch stolze freie Reichsstadt war, und nur dem deutschen Kaiser, aber nicht dem es umgebenden Württemberg untertan, startete der Reutlinger Schwörtag auch 2015 wieder mit einem Gottesdienst in der Marienkirche.

Damals erbaten die stolzen Bürger und die maßgeblichen Zünfte, die – anders als das wüttembergische Umland – ihren Bürgermeister selbst bestimmten, - dort den göttlichen Segeh. Und ein bisschen ist für die Stadt Reutlingen auch  in der Gegenwart ein beschützende Hand von Nöten.

Der zeremonielle Schwörtag diente damals nicht nur der Wahl oder der Bestätigung des Stadtoberhaupts, das damals wie heute mit dem Schwörstab in der Hand den traditionellen Eid zur Verpflichtung auf das Wohl der Stadt ablegte. Der Tag sollte auch der Selbstvergewisserung in teils schwierigen und stürmischen Zeiten sein. Und die gibt es für Reutlingen auch heute.

Die hochverschuldete Stadt  steht ganz aktuell nicht nur vor der Herausforderung, seine Finanzen zu sanieren. Ganz aktuell, so Oberbürgermeisterin Barbara Bosch dann, nach dem der Zug  auf dem alten Schwörhof beim heutigen Friedrich-List-Gymnasium angekommen war, stellten vor allem  die derzeitigen Flüchtlingsströme, die Kommune  vor schwierige Aufgaben:

60 Millionen Menschen seien derzeit weltweit auf der Flucht und  die Dimensionen dieser Entwicklung werde von vielen unterschätzt. "Hilfesuchende aus den Krisenherden dieser Welt" wie  aus Syrien, aus dem Nordirak, aus Eritrea und vielen anderen Staaten, drängten nach Europa und nach Deutschland. Und das habe auch Folgewirkungen auch für die Stadt.

Derzeit leben rund 540 Menschen in der Stadt, die zumeist vor Krieg, Folter oder dem IS-Terror geflohen sind. Zudem ist  Reutlingen für weitere 160 Menschen in der sogenannten „Anschlussunterbringung" nach positivem Asylbescheid zuständig.

Tatsache sei, dass man sich  künftig auf "auf neue Mitbürgerinnen und Mitbürger einstellen" müsse,  die "Schutz und Zuflucht" suchten. Und diese würden "vermutlich lange Zeit, wenn nicht  gar dauerhaft bei uns bleiben".

Da es nicht absehbar sei, dass sich die Situation in den Krisenländern schnell ändere, sei eher mit wesentlich mehr Flüchtlingen zu rechen. Dem müssten sich die Stadt, in der bereits jetzt Menschen aus 140 Nationen lebten und in der ein Drittel einen Migrationshintergrund habe, stellen. Wer "beim Tema Flüchlinge Öl ins Feuer" gieße, der spiele hingegen  "mit den Grundwerten unserer demokratischen Gesellschaft."

Städte und Gemeinden könnten dies aber nicht alleine stemmen. Bosch fordert hier Unterstützung von anderer Seite. Der Städtetag habe deshalb Bund und Länder aufgefordert, nicMöglichkeiten, schon das seine. So baue die  städtische GWG fast ohne Unterlass. Und sie baue Wohnungraum, der insgesamt "verträglich" gestaltet werde und der die Herausforderungen der Integration "von Menschen unterschiedlicher Herkunft und Kultur" bereits mitdenke.

Reutlingen und seine Bürger, so Bosch, würden diese, wie andere Herausforderung zweifellos meistern. Herausforderungen, die - aus ihrer Überzeugung – insgesamt aber noch viel besser leistbar seien, wenn Reutlingen – wie angestrebt – endllich freie Kreisstadt und so finanziell besser gestellt werde: "Die Zugehörigkeit zum Landkreis hat sich für die Stadt nicht bewährt, dafür gibt es verschiedene Beweise"., so Bosch. Das alles könne man in der kürzlich herausgegebenen Expertise der Stadt gut nachlesen. Bei der jetzigen Situation handle es sich jedenfalls nicht um eine "frei gewählte Partnerschaft auf Augenhöhe".

Landrat,  Landkreis und viele der städtischen Umland-Gemeinden sehen dies bekanntlich ganz anders. Sie haben Widerstand bis hin zu einer möglichen Klage angekündigt.  Wie heute dem traditionellen Fahnen-Fleiker beim Wenden der alten reichsstädtischen Flagge, schlägt der Stadt hier also bekanntlich geballter Widerstand entgegen.

Beide Seiten Argumentieren mit der Zukunft der künftigen Generationen. Am 23. Juli wird der Gemeinderat entscheiden, ob er beim Land einen Antrag zur Auskreisung stellt. Sollte es dazu kommen, ist für Reutlingen beim Urteil der Veraltungsxxperten und dann vor allem bei einer anschließenden Abstimmung im Landtag -ganz wie einst - wieder einmal zweifellos eine schützende Hand "von oben" gefragt.

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