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Australien / Lake Mungo:

Klimaveränderung vor 24.000 Jahren: Australier erfinden nochmal Bootsbau mitten in der Wüste

Stand: 10.07.15 19:18 Uhr

10.07.2015. Der Lake Mungo hat Australier vor 24.000 Jahren möglicherweise dazu inspiriert, inmitten der Wüste das Boot erneut zu erfinden. Das haben Geologen und Archäologen vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig, der La Trobe University in Melbourne und der University of Wollongong (beide Australien) herausgefunden. Klimaveränderungen hatten den Wasserspiegel des Lake Mungo zu dieser Zeit deutlich ansteigen lassen. Für die Zeit vor 45.000 Jahren gibt es bereits Belege für Bootsbau in Australien; für die darauffolgenden 20.000 Jahre jedoch nicht.

Die Forscher haben inmitten der australischen Wüste erstmals Belege dafür gefunden, dass der Lake Mungo vor 24.000 Jahren einen größeren Füllgrad hatte, als bislang angenommen. Diese Entdeckung wird maßgeblich dabei helfen, frühere Klimaveränderungen besser zu verstehen. Darüber hinaus präsentieren die Forscher archäologische Belege dafür, dass die damaligen Menschen wiederholt eine in der Mitte des Mega-Sees entstandene Insel besuchten. Dazu hatten sie möglicherweise innerhalb der kurzen Zeit, die der Mega-See bestand, das Bootsfahren noch einmal erfunden.

Der bereits seit 15.000 Jahren ausgetrocknete See Lake Mungo ist das bekannteste Becken in der fossilen Willandra-Seenregion, einer UNESCO-Welterbestätte, die sich im sogenannten semiariden Teil Australiens befindet. Seine Uferdüne (Lünette) bewahrt Australiens älteste bekannte menschliche Überreste sowie archäologische Spuren, die Veränderungen im Verhalten der Menschen über die vergangenen 50.000 Jahre hinweg dokumentieren. Die in der Lünette abgelagerten Sedimentschichten liefern umfangreiche Belege zu klimatischen Veränderungen in den letzten 100.000 Jahren. Archäologische und sedimentäre Belege gemeinsam geben einzigartige Einblicke in das Zusammenspiel von Menschen und ihrer Umwelt.

In ihrer Studie präsentieren Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie, der La Trobe University und der University of Wollongong Belege für einen bisher unerkannt gebliebenen extrem hohen Füllgrad des Lake Mungo. Das Ereignis fand vor 24.000 Jahren, kurz vor Einbruch der letzten Eiszeit, statt und dauerte nur kurze Zeit an. Bisher nahm man an, dass sich die Seen in dieser Region immer bis zur selben Höhe gefüllt hatten. Diese Annahme basierte aber auf älteren Vermessungsmethoden, denen es an der Präzision mangelte, die heute in Form des Differential Global Positioning System (dGPS, Globales Positionssystem mit Differentialsignal) zur Verfügung steht.

Auf ihren Erkundungsgängen fiel den Forschern eine zusätzliche Kiesstrandlinie auf, die sich fünf Meter oberhalb der Hauptuferlinie befindet. Diese Beobachtung konnte durch dGPS-Daten und die Analyse von Strandkies und dem daran angrenzenden Uferdünensand sowohl für das östliche als auch für das westliche Ufer bestätigt werden. Anschließend datierten die Forscher Beginn und Dauer des Ereignisses, indem sie mithilfe der Lumineszenzmethode das Alter von Sedimenten bestimmten, die sie der Uferliniendüne entnommen hatten.

Zur Rekonstruktion des Ereignisses am Computer nutzten sie ein digitales Höhenmodell und berechneten, dass sich das Volumen des Lake Mungo während seiner Zeit als Mega-See um 250 Prozent erhöht hatte. Mithilfe des Höhenmodells entdeckten die Forscher außerdem, dass der See an zwei Überlaufpunkten mit seinem Nachbarsee verbunden war, wodurch eine Insel entstand.

Den Forschern zufolge hatte das Ereignis erhebliche Auswirkungen auf das damalige Klima: Ursache dafür, dass sich der See so hoch füllte, waren wahrscheinlich extreme Regenfälle, während sich zeitgleich das Klima kurz vor der letzten Eiszeit abzukühlen begann. „Wir wissen, dass das Klima während der letzten Eiszeit in Australien kühl und trocken war", sagt Kathryn Fitzsimmons vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig. „Unsere Ergebnisse zeigen aber, dass der Übergang in die Eiszeit nicht gleichmäßig vonstatten ging - klimatische Veränderungen verlaufen also nicht immer auf eine sanfte Art und Weise."

Die dGPS-Daten zeigen darüber hinaus, dass die Höhe der Uferlinie des Haupt- und des Mega-Sees entlang der 30 Kilometer Länge des Sees variierte. Der wahrscheinlichste Grund für diese Anomalie ist eine Verwölbung des Seebeckens durch tektonische Aktivitäten in der jüngeren Vergangenheit. „Australien wird oft als tektonisch stabiler Kontinent wahrgenommen. Diese Beobachtungen verdeutlichen, dass wir den Einfluss von Spannungen auf die Erdkruste noch besser verstehen lernen müssen", sagt Fitzsimmons.

Der Mega-See entstand plötzlich und bestand nur kurze Zeit. Dennoch schränkte er die Mobilität der damals in der Region lebenden Menschen erheblich ein. Archäologische Spuren auf der Insel, die von der westlichen und östlichen Seite des Sees her abgeschnitten war, zeigen aber, dass sich die Menschen schnell an die neuen Bedingungen anpassten: Steinwerkzeuge, in Feuerstellen verbrannte Tierknochen und die Beschaffenheit der Feuerstellen selbst zeigen, dass die Menschen die Insel wiederholt – und geplant – aufsuchten, ihre Steinwerkzeuge über das Wasser hinweg transportierten und die auf der Insel vorhandenen Nahrungsressourcen nutzten.

Um die Insel zu erreichen, schwammen sie oder nutzten Wasserfahrzeuge. Da es für die Nutzung von Wasserfahrzeugen in Australien zwischen der Kolonialisierung des Kontinents vor mehr als 45.000 Jahren und der Zeit vor etwa 6.000 Jahren keine Belege gibt, liefern die wiederholten Inselbesuche jetzt einen indirekten Beleg dafür, dass die Menschen das Bootsfahren nach einer Pause von wenigstens 20.000 Jahren noch einmal erfunden haben könnten.

„Unsere Entdeckung des Mega-Sees Lake Mungo zeigt, dass Klima und Landschaften sich plötzlich und dramatisch verändern können. Sie zeigt aber auch, dass sich Menschen recht schnell an neue Bedingungen anpassen", sagt Fitzsimmons. Obwohl die archäologischen Belege sich zum jetzigen Zeitpunkt auf eine kleinere Untersuchung beschränken und auch keine Überreste von Booten beinhalten, ist die hohe Dichte an archäologischen Spuren in den Sedimenten, die mit dem Mega-See in Verbindung stehen, für zukünftige gezielte Untersuchungen ermutigend. „Unsere Ergebnisse verdeutlichen, dass wir bisherige Annahmen zur Natur von Klimaveränderungen noch einmal überdenken müssen. Sie zeigen aber auch, dass Menschen robuster sind, als wir es ihnen bisher zugestanden haben", sagt Fitzsimmons. (MPI -SJ/HR)

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