Schuld seien dabei jene Politiker, die über Jahre zugelassen hätten, dass der Maastricht-Vertrag Stück für Stück demontiert worden sei. Henkel ist seit März stellvertretender Sprecher der nicht unumstritten Partei AfD, „Alternative für Deutschland“. Jetzt fordert er die Wähler auf, die – aus seiner Sicht - verheerenden Entwicklungen mit einem „politischen Tsunami“ bei den kommenden Europa-Wahlen zu stoppen.
Die Reutlinger Stadthalle am gestrigen Abend: Er ist der Hoffungsträger vieler, denen die Entwicklungen rund um Euro, die EU und Europa Missbehagen oder gar Angst machen. Hans Olaf Henkel, ehemaliger IBM-Top-Manager, kritischer Publizist und Querdenker und langjähriger Präsident des Bundesverbands der DeutschenIndustrie BDI. Der bekennende konservative Wirtschaftsliberale hat einst für die Einführung des Euro gestritten, jetzt aber kämpft er gegen die europäische Gemeinschaftswährung. Früher sympathisierend mit der FDP und vor kurzem noch für die Freien Wähler politisch engagiert, wirft sich Henkel jetzt für die AfD in den Ring, einer Partei, der Kritiker Rechtspopulismus vorwerfen.
Die rund 370 Plätze im Kleinen Saal der Stadthalle sind fast vollständig besetzt. Henkel ist ein bundesweit medial bekanntes Gesicht, von dem sich hier ganz offensichtlich viele etwas Klarheit erhoffen, auf Fragen, die sie beschäftigen. Selbstverständlich sei die AfD für sie wählbar, so meint eine Frau mittleren Alters. "Die ganze Sache rund um den Euro" finde sie "ganz unmöglich". Ein älterer Herr gibt zu Protokoll: er hoffe, dass "endlich einer mal den Mut zu sagen" habe, dass der Euro auch durch den amtierenden Bundesfinanzminister "Stück für Stück kaputt gemacht" werde. Generell, meint er, werde zuviel Geld für Europa verschenkt. Und auch er findet die AfD "grundsätzlich wählbar".
Unmut über den Euro wird auch bei Hans-Olaf Henkel im RTF1-Interview deutlich: Deutschland, der Euro und die EU seien längst auf eine verhängnisvoll schiefe Bahn geraten. Und nicht er habe sich verändert, , sondern die politische Welt, die ihn umgebe. Die Politik habe "sämtliche Versprechen gebrochen", die "bei der Aufgabe der DM gegeben worden seien. Die Regeln des Euro seien fundamental geändert worden. Hätte sich die Politik hingegen an den Maastrichter Vertrag gehalten, so Henkel, dann würde er heute noch immer für den Euro eintreten.
Den ersten Sündenfall verantworte Rot-Grün unter Gerhard Schröder, der – gegen die Maastrichter Euro-Stabilitätsregeln – das klamme Griechenland in den Euro hievte. Damals habe er als BDI-Präsident öffentlich dagegen demonstriert. Mittlerweile habe es rund 60 Vertragsverletzungen gegeben. Ein weiterer Meilenstein in der Abkehr vom stabilen Euro: im Mai 2010, als Angela Merkel auf französischen Druck das sogenannte "finanzielle Beistandsverbot" übergangen habe, das eine Haftung von Euroländern für andere bewusst ausschloss. An diesem Tag hab er sich gesagt, dass jetzt Schluss sei mit der Euro-Unterstützung. Denn aus dieser Währungsunion sei jetzt eine Verteilungsunion von Risiken geworden. Das belege letztlich auch die Errichtung des sogenannten "Europäischen Stabilitätsmechanismsmusses" ESM.
Um jeden Preis solle der Euro jetzt gerettet werden.Und das setze ökonomisch unumgängliche Prozesse in Gang: Euro-Schuldenberge, die nur durch Inflation getilgt werden könnten; zudem: Mindestlohn, Frührente, Niedrigzinsen und angestrebte gemeinsame europäische Sozialstandards sollten Deutschland jetzt den Schwächeren angleichen. Das verliere dadurch seine Wettbewerbsfähigkeit. Drei Alternativen dazu aber gebe es: der eine Vorschlag sei, dass zu schwache Länder generell aus dem Euro ausscheiden könnten. Das aber gehe nicht, weil das derzeit ein Ausscheiden aus der EU voraussetze. Das sei also ein nicht praktikabler Wahnsinn. Die zweite Möglichkeit: die Schaffung eines Nord- und eines Süd-Euros. Würde auch das nicht akzeptiert, dann solle jeder zu seiner eigenen Währung zurückkehren, so Henkel.
Ein Euro-Ende werde keinesfalls - wie oft drohend an die Wand gemalt - das große europäische Friedensprojekt oder gar Europa gefährden. Richtig sei vielmehr das Gegenteil: der Frust zwischen Deutschland und den sich bevormundet fühlenden Süd-Euro-Ländern sei im Grund stets gewachsen.
Für Deutschlands eigene Aussichten gelte hingegen derzeit folgendes : Man sein einmal in den Euro-Zug mit Fahrtziel Maastricht eingestiegen. Nun aber drohe eine Ankunft in Athen.
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