Postmitarbeiter streiken | Bildquelle: RTF.1

Region/Deutschland:

Nach vier Wochen Poststreik heute neue Verhandlungen - Onlinehandel stark betroffen

Stand: 03.07.15 08:31 Uhr

Nach vier Wochen Poststreik sind nach Verdi-Angaben inzwischen mehr als 32.000 Tarifbeschäftigte im unbefristeten Arbeitskampf. Das zeigt Wirkung auf den deutschen Onlinehandel: Drei Viertel (76,6 Prozent) aller befragten Onlinehändler sind stark bis "extrem" stark vom aktuellen Streik der Postangestellten betroffen. Das belegt eine Umfrage, die der Bundesverband Onlinehandel e.V. (BVOH) unter seinen Mitgliedern durchgeführt hat. "Insbesondere der mittelständische Onlinehandel ist stark durch den Poststreik belastet", sagt BVOH-Präsident Oliver Prothmann. Entzündet hatte sich der Konflikt an den Plänen der Post, 49 neue Gesellschaften zu gründen, für die niedrigere Löhne gelten sollen.

Kunden müssen informiert, andere Versanddienstleister gewählt oder höhere Kosten für den Versand in Kauf genommen werden. Das belaste die Unternehmen außerordentlich. An den Folgen des Streiks mit zig Millionen liegengebliebenen Paketen werde aber auch die Marktstellung des Onlinehandels deutlich.

Daran gewöhnt, online bestellte Ware schnell und zuverlässig binnen weniger Tage bequem ins eigene Heim geliefert zu bekommen, müssen sich die Onlinekunden nun auf einen, teilweise wochenlangen, Lieferverzug einrichten. Über 40 Prozent der befragten Onlinehändler* geht davon aus, dass etwa die Hälfte der bei ihnen georderten Ware verspätet ausgeliefert wird. „Jetzt, wo die bestellte Ware nicht am Folgetag beim Verbraucher ist, wird den Kunden klar, wie reibungslos und schnell Onlinehandel in Deutschland funktioniert. Ein Service, der jetzt schmerzlich vermisst wird", sagt BVOH-Präsident Oliver Prothmann.

Zweidrittel der Onlinehändler hat angegeben, dass sie Umsatzeinbußen durch den Poststreik haben. Fast ein fünftel der Händler gehen sogar von einem Umsatzeinbruch über 25 Prozent aus. Onlinehändler sind in mehrfacher Hinsicht betroffen. Der Verbraucher mahnt an, dass die bestellte Ware nicht ankommt, aber auch die Ware, die der Verkäufer einkauft, kommt aktuell teils stark verspätet an und verursacht so ein Loch im Warenbestand. Ein weiterer Punkt sind häufiger auftretende schlechte Bewertungen durch die Kunden. Fast 60 Prozent haben aufgrund der Lieferverzögerungen durch die Post schlechtere Bewertungen bei Amazon oder eBay bekommen. Da viele Kunden sich von den Bewertungen eines Händlers bei ihrer Kaufentscheidung leiten lassen, führt eine negative Bewertung oft zu einem merklichen Reputationsverlust mit spürbaren Auswirkungen auf den Umsatz. Inzwischen hat etwa eBay reagiert und den Händlern mitgeteilt, dass negative Bewertungen, die auf den Poststreik zurückzuführen sind, wieder entfernt werden.

Natürlich machen sich die Händler Gedanken, wie sie mit der Misere umgehen können. 40 Prozent der Händler sind dabei, weitere Versanddienstleister einzubinden um das eigene Risiko zu minimieren. Das bedeutet einen starken Kundenverlust für die Deutsche Post und DHL. Erstaunlich ist, dass trotz der negativen Auswirkungen des Streiks über 70 Prozent der Befragten mit der Deutschen Post bzw. DHL zufrieden sind.

Der Markt schaut erstaunt auf Amazon und die bevorzugte Abwicklung der Pakete. Über 40 Prozent bestätigen diese besondere Behandlung für Amazon-Pakete. Hier kann der Branchenprimus wieder einmal seine Marktstellung zu Lasten der kleinen und mittelständigen Händler ausnutzen.

Auslöser des Tarifkonfliktes bei der Deutschen Post AG ist aus Sicht von Verdi der Bruch des Vertrages zum Schutz vor Fremdvergabe durch den Aufbau von 49 Regionalgesellschaften für die Zustellung. Um diesen Vertragsbruch zu kompensieren, hatte ver.di zum 1. April die Bestimmungen zur Arbeitszeit gekündigt und fordert eine Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit auf 36 Stunden bei vollem Lohnausgleich. Überdies fordert ver.di in der laufenden Entgeltrunde 5,5 Prozent mehr Geld. In der letzten Verhandlungsrunde vom 2. Juni gab es keine Einigung. Die Deutsche Post AG hatte das Verdi-Angebot nicht angenommen. Daraufhin hatte ver.di die Verhandlungen für gescheitert erklärt und seit 8. Juni damit begonnen, die Beschäftigten des Unternehmens schrittweise in den unbefristeten Ausstand zu rufen.

Die Verhandlungen zur Lösung des Tarifkonflikts werden am heutigen Freitag, 3. Juli 2015, in Bad Neuenahr wieder aufgenommen.


*An der Umfrage haben über 250 Onlinehändler teilgenommen und sie lief vom 19. bis 25. Juni 2015.

WERBUNG:



Seitenanzeige: