Stadt Reutlingen plant Auskreisung | Bildquelle: RTF.1

Reutlingen:

Pro und Contra Auskreisung

Stand: 23.06.15 16:48 Uhr

Am 30. Juni soll der Reutlinger Gemeinderat darüber entscheiden, ob er beim Land einen Antrag auf Auskreisung stellt. Derzeit läuft in den Fraktionen die politische Willensbildung. Dabei sind sich einige Parteien auf Stadt- und auf Kreisebene uneins. Bei der CDU haben gestern Abend die Verbände und Fraktionen von Stadt und Landkreis Reutlingen zu einer gemeinsamen Informationsveranstaltung eingeladen. Dabei stellte Bürgermeister Robert Hahn die Argumentation der Stadt und Landrat Thomas Reumann die Position des Landkreises vor.


Auf großes Interesse bei den CDU-Anhängern stieß gestern Abend der Informationsabend zur Auskreisung der Stadt Reutlingen. Dabei ging es zunächst vor allem um die Frage: Warum überhaupt sollte die Stadt eine Auskreisung beantragen?

Die einfache Antwort: Reutlingen ist derzeit in Baden-Württemberg die einzige kreisangehörige Großstadt.  "Es ist nicht der Weg in die Sonderrolle, die die Stadt Reutlingen sucht", so Hahn. "Es ist der Weg in die Normalität der Kommunalpolitik in Baden-Württemberg. Wir sind der Sonderfall. Wäre es anders, wäre Reutlingen der Normalfall, dann müssten wir andere Diskussionen führen, dann müsste ich mir die Frage stellen, warum Ulm, Heilbronn und Pforzheim nicht in den Alb-Donau-Kreis, in den Enzkreis und in den Landkreis Heilbronn eingekreist worden sind.  Ein Festhalten am Bisherigen sei unverhältnismäßig und widerspreche dem Anspruch auf Gleichbehandlung, so Hahn. 
 
Dem widerspricht Landrat Thomas Reumann. Die Stadt müsse nachweisen, dass die Stadtkreisgründung erforderlich sei: "Ein Stadtkreis, das kann kein Wert an sich sein, sondern daraus muss sich ein Mehrwert ergeben", so Reumann. "Daraus muss etwas entstehen, was für die Bürgerinnen und Bürger, für alle, einen Mehrwert hat, das ist Mehrwert für das Gemeinwohl, darauf kommt es an und bitteschön nicht auf Verwaltungsstrukturen. "
 
Eines der Hauptargumente der Stadt: Die Stimmenverteilung im Kreistag. Es dürfen nicht mehr als vierzig Prozent der Sitze aus einem Wahlkreis kommen. Reutlingen ist aber ein Wahlkreis, und hier wohnen vierzig Komma drei Prozent der Kreisbewohner.  "Eine Wählerstimme aus Reutlingen hat weniger Gewicht als jede andere Stimme im Landkreis", sagte Hahn. "Das ist ungerecht, es verletzt das Demokratieprinzip, nachdem jede Stimme das gleiche Gewicht haben muss. "
 
Ein weiteres Argument: Die Stadt Reutlingen würde die Aufgaben eines Stadtkreises wahrnehmen, doch ohne die entsprechenden Landeszuschüsse für Stadtkreise.  Doch diesen Grundansatz hält Landrat Thomas Reumann für falsch. "Die Aufgaben, die genannt werden, die Aufgaben, die die Stadt wahrnimmt, sind die Aufgaben eines Oberzentrums", so Reumann. "Die Stadt Reutlingen hat durch die Landesplanung und den Regionalplan genau diese Aufgaben übertragen bekommen. "
 
Wäre Reutlingen im Jahre 2013 ein Stadtkreis gewesen, so die Argumentation von Robert Hahn, so hätte die Stadt 4 Millionen Euro zur Verfügung gehabt.  "Wer weiß, was es bedeutet, vier Millionen in die Spitze zu bekommen, der weiß, über was wir reden. Wären wir von 20 Jahren schon mit der Diskussion zu Ende gekommen und hätte es einen Stadtkreis Reutlingen gegeben, wären wir heute schuldenfrei. "
 
Falsch, sagt Landrat Thomas Reumann und errechnet die Sozialausgaben, die im besagten Jahr vom Landkreis in die Stadt flossen – abzüglich dessen, was die Stadt als Kreisumlage gezahlt hatte: "Dann sind wir bei einem Betrag im Jahr 2013 10,3 Millionen Euro, die für Sozialausgaben in der Stadt Reutlingen nicht durch die Kreisumlage gedeckt waren, sondern aus originären Haushaltsmitteln des Landkreises bezahlt worden sind", sagte Reumann. "Das ist ein kreisinternes Finanzierungs- und Ausgleichssystem, das wegfällt, wenn die Stadt Reutlingen auskreist. "

Viele befürchten in Reutlingen eine Doppelstruktur in der Verwaltung. Dem widerspricht Hahn. Es werde keine Doppelstrukturen geben.  "Ich könnte mit der gleichen Begründung, mit der gleichen Logik auch sagen, dass die Stadt Pforzheim eine Doppelstruktur zum Enzkreis ist. Wir haben unser Verwaltungsgebiet in 44 Einheiten aufgeteilt, wo jeder in seiner Einheit Verantwortung trägt umfassend. Und jetzt kommt halt noch ein fünfundvierzigster dazu. "
 
Sechzehn staatliche Aufgaben wie beispielsweise das Landwirtschaftsamt oder Gesundheitsamt wolle die Stadt weiterhin dem Landkreis überlassen oder in Kooperation mit diesem wahrnehmen, sagt Landrat Thomas Reumann. Das ergäbe sehr wohl Doppelstrukturen.  "Heißt es dann, dass ein Stadtkreis light umgesetzt werden soll?" fragt sich Reumann. "Und dann soll mir bitteschön jemand erklären, wo ist denn dann überhaupt noch der Mehrwert? Wo ist denn dann der Mehrwert für das Allgemeinwohl, wenn dieses so ist? Ich sage, eine Auskreisung muss für das Gemeinwohl erforderlich sein. Wenn ich dieses umsetze, schon gar nicht. "
 
Am 30. Juni wird der Gemeinderat über den Antrag auf Auskreisung entscheiden.   Passiert der Antrag den Gemeinderat, geht es zuerst an das Innenministerium. Es folgt ein ausführliches Prüfverfahren, in dem alle beteiligten Akteure gehört werden. Besteht der Antrag auch diese Prüfung,  entscheidet letzten Endes der Landtag von Baden-Württemberg. Wie er entscheiden wird, ist völlig offen.

WERBUNG:



Seitenanzeige: