Kernkraftwerk Phillipsburg | Bildquelle: RTF.1

Philippsburg:

Atommüll aus dem Ausland soll nach Baden-Württemberg

Stand: 19.06.15 17:12 Uhr

Deutscher Atommüll aus Wiederaufarbeitungsanlagen in Frankreich und England soll in Baden-Württemberg zwischengelagert werden. Im Standortzwischenlager Philippsburg in Baden‑Württemberg sollen nach einem Plan des Bundesumweltministeriums fünf Behälter mit mittelradioaktiven Abfällen aufbewahrt werden. Auf die Zwischenlager an den Standorten Biblis (Hessen), Brokdorf (Schleswig‑Holstein) und Isar (Bayern) sollen 21 Castoren mit hochradioaktiven Abfällen verteilt werden. Protest kommt aus Bayern, der baden-württembergische Umweltminister begrüßt dagegen den Plan.

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks hat heute ein Gesamtkonzept zur Rückführung der radioaktiven Abfälle aus der Wiederaufarbeitung in Frankreich und England vorgelegt. Danach sollen die 26 Castor‑Behälter in einem bundesweit ausgewogenen Verhältnis auf insgesamt vier Zwischenlager verteilt werden. Zugleich verständigte sich Hendricks mit den deutschen Atomkraftwerksbetreibern auf Eckpunkte zum weiteren Vorgehen. Darin begrüßen die Unternehmen die Vorlage eines Konzeptes durch das BMUB und sagen eine eingehende Prüfung zu. Dabei wollen sie auch die Rücknahme sämtlicher Gerichtsverfahren prüfen, die sie gegen das Verbot weiterer Castor‑Transporte nach Gorleben angestrengt hatten. Zunächst sollen sämtliche Verfahren ruhend gestellt werden.

Mit der Vorlage des Konzepts ist allerdings noch keine Festlegung der Standorte getroffen worden. "Mein Konzept soll den Atomkonzernen als Richtschnur dienen, wie sie ihre gesetzlichen Verpflichtungen zur Rückführung und Aufbewahrung der verglasten radioaktiven Abfälle aus der Auslandswiederaufarbeitung erfüllen können", erklärte Hendricks nach einem Gespräch mit den Spitzen der Unternehmen in Berlin. "Es ist jetzt Sache der EVU, Entscheidungen über die Antragstellung für konkrete Standorte zu treffen." Die erforderlichen Genehmigungsverfahren bezüglich Transport und Einlagerung werden nicht von den Ländern, sondern vom Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) beschieden.

Die Rückführung erfolgt entsprechend der Vertragslage der deutschen EVU mit den ausländischen Wiederaufarbeitungsunternehmen sukzessive, beginnend mit den fünf Behältern aus Frankreich im Jahr 2017 und danach die weiteren Tranchen ab 2018 bis 2020 aus Großbritannien. Es besteht Einvernehmen, dass die genaue Zahl der auf die einzelnen Zwischenlager entfallenden Behälter wie auch die endgültige Festlegung der Standorte durch die EVU noch offen ist. Die weiteren Festlegungen erfolgen dann in einer gemeinsam zu bildenden Arbeitsgruppe.

Hendricks sagte, ihre Wahl sei neben Philippsburg auf Biblis, Brokdorf und Isar gefallen, weil diese Standorte sowohl unter technischen, rechtlichen und verfahrensbezogenen Aspekten als auch aus politischer Sicht am besten geeignet seien. "Eine zeitlich gestaffelte und fristgerechte Rückführung der Castoren durch die Energieversorgungunternehmen wird damit ermöglicht." Zudem sei es ein Gebot der Fairness, die Lasten der Atomenergienutzung in einem bundesweit ausgewogenen Verhältnis unter den Bundesländern zu verteilen.

An dem Gespräch mit der Bundesumweltministerin nahmen die Herren Johannes Teyssen (EON), Peter Terium (RWE), Tuomo Hatakka (Vattenfall) und Hans-Josef Zimmer (EnBW) teil.

Baden-Württembergs Umweltminister Franz Untersteller begrüßt das vorgelegte Castorkonzept: „Das ist ein sachgerechter Vorschlag, der Verantwortung und Last für Abfälle aus der Wiederaufbereitung angemessen auf mehrere Länder verteilt."

Es sehe so aus, als habe sich das lange Warten auf einen Vorschlag aus dem Bundesumweltministerium jetzt doch noch gelohnt, kommentierte Baden-Württembergs Umweltminister Franz Untersteller die offenbar erzielte Einigung über die Verteilung der in den nächsten Jahren erwarteten Castoren aus den Wiederaufbereitungsanagen in La Hague (Frankreich) und Sellafield (England).

„Das Konzept, das jetzt vorliegt, ist in meinen Augen ausgewogen, es verteilt die Castoren auf vier Standorte von vier Betreibern in vier Bundesländern. Das klingt fair und ist sachgerecht", sagte Untersteller heute (19.06.). Er hoffe, dass die Betreiber zügig die nötigen Anträge für die Genehmigung der Zwischenlagerung erarbeiten und beim Bundesamt für Strahlenschutz einreichen.

Er erinnerte daran, dass Baden-Württemberg und Schleswig Holstein schon sehr früh bereit gewesen seien, Verantwortung für die zurückkommenden Abfälle aus der Wiederaufbereitung zu übernehmen: „Politik darf sich nicht vor der Verantwortung drücken. Wir haben das nie getan. Auch wenn es natürlich weh tut, dass ausgerechnet wir Grünen jetzt die Langzeitlasten der Atomkraft wegschaffen sollen, die wir nie gewollt und stets bekämpft haben."

Entscheidend sei jetzt, dass die CDU/CSU-Ministerpräsidenten der Länder Hessen und Bayern ebenfalls ihre Verantwortung für die radioaktiven Abfälle ohne Wenn und Aber akzeptieren. „Die Bereitschaft aller vier Betreiber, sich an der Zwischenlagerung in den Kernkraftwerken Biblis, Isar, Philippsburg und Brokdorf zu beteiligen ist das Eine, jetzt erwarte ich insbesondere aus Bayern die bislang fehlende Einsicht und eine politische Zusage", sagte Umweltminister Untersteller. Eine Extrabehandlung für Bayern dürfe es nicht geben.

An CDU und FDP in Baden-Württemberg appellierte der Umweltminister, jetzt ebenfalls endlich ihre Fundamentalopposition gegen die Aufnahme der fünf Castoren mit mittelradioaktiven Abfällen aus La Hague aufzugeben. „Wir haben eine Lösung für die Transporte, der sich auch die Opposition anschließen sollte, in deren Regierungszeit die Abfälle schließlich angefallen sind."

Prompter Protest kam von der Bayerischen Staatsregierung, die nach eigenen Angaben erst kurzfristig über den Plan informiert worden war. Staatskanzleiminister Marcel Huber hat die bevorstehende Vereinbarung zwischen dem Bund und verschiedenen Energiekonzernen über eine Zwischenlagerung von Atommüll unter anderem auch in Bayern heftig kritisiert: „Einseitige Festlegungen des Bundes hier sind politisch unklug und dreist. Fakt ist: Wir stehen bei der Energiewende auf der Zielgeraden unserer schwierigen, komplexen Verhandlungen. Dabei lässt sich kein Bereich isoliert betrachten und entscheiden. Vielmehr gilt: Alles hängt mit allem zusammen. Eine Energiewende gegen den Willen einzelner Länder hat keine Chance. Wir müssen alle Entscheidungen im gegenseitigen Einvernehmen treffen, auch die schwierige Frage der Zwischenlagerung deutschen Atommülls, der aus dem Ausland zurückkommt. Wenn der Bund hier allein entscheiden will, stellt er eine Einigung bei der Energiewende insgesamt in Frage. Ich fordere den Bund daher auf, die Entscheidung über die Zwischenlagerung von Atommüll zurückzustellen und - wie alle Fragen der Energiewende - am Verhandlungstisch mit den Ländern zu lösen."

WERBUNG:



Seitenanzeige: