Hochhaus in Reutlingen-Sondelfingen | Bildquelle: RTF.1

Tübingen:

Sondelfinger Hochhaus-Mord: Lebenslange Haft für Angeklagten - Tumultartige Szenen vor und im Gerichtssaal

Stand: 12.07.15 12:21 Uhr

Der Angeklagte im Sondelfinger Hochhaus-Mordprozess ist heute vom Tübinger Landgericht wegen Raubüberfall mit Todesfolge zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Im Gerichtssaal und bereits davor kam es zu tumultartigen Szenen zwischen Verwandten des Angeklagten und Angehörigen eines zu Beginn ebenfalls beschuldigten Ehepaares. Während der Urteilsbegründung sprang der Angeklagte zweimal auf, beleidigte die Verwandten des Ehepaares, und schrie, dass er kein Einzeltäter sei. Das Gericht habe immer nur nach einem Täter gesucht. Der Angeklagte hatte hingegen stets für sich in Anspruch genommen, nur an einem Einbruch in die Wohnung der ermordeten Frau beteiligt gewesen zu sein; für das Geschehen, das zum Tode der erstickten 58jährigen geführt habe, trage sein Komplize die Verantwortung. Dieser Komplize hatte sich in der Untersuchungshaft das Leben genommen - und zuvor in einem Brief den jetzigen Angeklagten schwer beschuldigt.


Tübinger Landgericht, Punkt 13 Uhr: Der 30jährige Angeklagte wird, begleitet von seinen Verteidigern, in den Saal geführt. Wenig später treten  auch die Richter ein. Die Staatsanwaltschaft, so die Ausgangslage, wirft D. Beteiligung an einem Raubüberfall mit Todesfolge – also Mord - vor. Er soll am 15 November 2014 in einem Hochhaus in Reutlingen-Sondelfingen, zusammen mit einem Komplizen, eine schwerstkranke 57jährige überfallen, gefesselt, beraubt, geknebelt und dabei  den Tod der Frau billigend in Kauf genommen haben. Der 50jährige Mittäter hatte sich in U-Haft das Leben genommen.

Wenig später fällt das Urteil: Der Angeklagte hat die höchste Strafe bekommen, die ein deutsches Gericht vergeben kann. Er wird wegen Mordes schuldig gesprochen und zu lebenslanger Haft verurteilt. Strafmildernde Gründe sieht das Gericht hingegen nicht.

Staatsanwalt Burkhard Werner äußert sich gegenüber RTF.1  zufrieden: Das Gericht sei im Wesentlichen dem Antrag der Staatsanwaltschaft gefolgt. Dass D. , wie dieser mit einem Zwischenruf monierte, ungerechtfertigt alleine auf der Anklagebank sitze, habe zum einen mit dem Suizid des zweiten Angeklagten während der U-Haft zu tun. Zum anderen habe sich der Verdacht einer Tatbeteiligung des Ehepaar, das an der Pflege der getöteten Frau beteiligt war, nicht erhärten lassen. Deshalb sei eine Einstellung des Verfahrens konsequent. Sollten aber neue Hinweise auftauchen, könne das Verfahren wieder eröffnet werden.

Rückblick. Ein Hochhaus im Grenzweg, in Reutlingen-Sondelfingen, 15. November 2014: Gegen 23 Uhr 30 spielt sich hier im obersten Stock ein Drama ab: der Angeklagte und sein Komplize dringen in die Wohnung einer schwerstkranken pflegebedürftigen wohlhabenden  58jährigen Frau ein. Den Schlüssel haben sie von einem Ehepaar, das die Rentnerin pflegt. Laut Gericht hatte sich das Ehepaar und dessen familiärres Umfeld zuvor schleichend fast das ganze Vermögen der Frau angeignet. Dann aber sei die Frau zunehmend dement geworden. Eine Unterbringung in einer entsprechenden psychiatrischen Einrichtung sei immer wahrscheinlicher geworden. Deshalb habe man durch einen fingierten Raubüberfall an 400 000 bis 500 000 Euro kommen wollen, die man bei der Rentnerin vermutete. Der Anstoß, so hat der Angeklagte immer wieder behauptet, soll von dem Ehepaar gekommen sei.

Als die Männer in der Wohnung der Frau dann nach dem Geld suchten, sei diese dann aber aufgewacht. Darauf habe man sie gefesselt und den Mund mit Klebeband entwickelt. Die Frau habe sich aber befreien können - und um Hilfe gerufen. Daraufhin habe man die Frau erneut gefesselt und die Verklebung des Gesichts verstärkt – bis auf kleine Löcher für die Nase. Zudem sei eine Decke über die zu diesem Zeitpunkt bereits schwer atmente Seniorin geworfen worden, die sich zudem in der ungünstigen Bauchlage befand. 

Selbst wenn der Angeklagte - so das Gericht heute - nicht selbst direkt an der Knebelung der Frau beteiligt gewesen sei, so habe er den Tod der Schwerstkranken doch billigend in Kauf genommen. Dem gegenüber war, entgegen den Aussagen des Angeklagten, eineTatbeteiligung des Ehepaares nicht nachzuweisen. Er hatte sie stets als maßgebliche Initiatoren des Raubüberfalls dargestellt.

Dass die Verwandten des vom Angeklagten beschuldigten Ehepaars im Gerichtsgebäude und danach auch in der Urteilverkündung auftauchen, setzt heftige Emotionen frei. Schon bevor es mit der Verhandlung los geht, kommt es auf dem Gang vor dem Gerichtssaal zu mehreren  Handgemengen  zwischen den Verwandten. Ein herbeigerufener Polizist muß schlichten.

Doch die Auseinandersetzungen gehen auch im Gerichtssaal weiter. Mehrmals muss ein Gerichtsdiener mit lauter Stimme für Ruhe sorgen. Der Angeklagte sitzt allein auf der Anklagebank. Dem Ehepaar war - laut Gericht - keine Beteiligung nachzuweisen; der Mittäter hat sich durch Suizid der Verantwortung entzogen. Der Angeklagte versucht immer wieder in Augenkontakt mit den hinten im Saal sitzenden Verwandten des pflegenden Ehepaares zu treten. Als das Urteil dann fällt, verbirgt er eine Zeitlang sein Gesicht hinter den Händen.  Dann springt der 30jährige plötzlich abrupt auf und beschimpft die Angehörigen des Ehepaars mit wüsten Beleidigungen.

Jetzt haben der Angeklagte und seine Verteidigung genau eine Woche Zeit, um gegen das Urteil Revision beim Bundesgerichtshof einzulegen.
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