Demo gegen Tierversuche | Bildquelle: RTF.1

Tübingen:

Stummer Protest - internationale Organisationen demonstrieren gegen Tierversuche

Stand: 03.06.15 15:39 Uhr

Es ist ein Thema, das nicht nur die Menschen in Tübingen nach wie vor bewegt, sondern auch bundesweit große Wellen geschlagen hat. Die Rede ist von den Affenversuche am Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik in Tübingen. Der verantwortliche Forscher Nikos Logothetis, ein Mann mit Weltrang, hat inzwischen angekündigt, die Versuche mit den Primaten einstellen zu wollen - nach Ablauf der bereits bewilligten Genehmigungen. Doch noch immer gehen Menschen gegen die Versuche auf die Straße - wie jetzt in Tübingen. Dort haben sich gestern drei internationale Tierschutzorganisationen auf dem Marktplatz zu einem stillen Kreis versammelt.


Stummer Protest: Schweigend standen Mitglieder von "One Voice", "Ärzte gegen Tierver-suche" und "Cruelty Free International" zusammen. Ihr stiller Kreis soll das stille Leid von Léa, Tom, Hugo, Max, Lisa, Lucie und Mila symbolisieren, jenen sieben Affen, an denen das MPI für biologische Kybernetik neurologische Grundlagenforschung betreibt – "zum Wohle der Menschen", wie es von Institutsseite heißt, um irgendwann mal ein Mittel, beispielsweise gegen Parkinson zu finden.

Dass durch die Forschung, die am MPI an Affen gemacht werde, Parkinson angeblich geheilt werden solle, sei laut Dr. Corina Gericke (2. Vorsitzende der "Ärzte gegen Tierversuche") rein vorgeschoben. Bei dem, was dort betrieben werde, gehe es überhaupt nicht um medizinische Forschung. Es sei reine Grundlagenforschung. Gericke zufolge gehe es hauptsächlich darum, die Neugier des Forschers zu befriedigen: Was passiert im Gehirn von Affen, wenn sie zum Beispiel Bilder anschauen oder zählen? Da gehe es gar nicht darum, irgendwelche Medikamente zu finden – so die Tierärztin.

Die Tierschützer sprechen sich deshalb generell gegen jede Form von Tierversuchen aus. Sie jedenfalls glauben nicht an die von den Wissenschaftlern postulierten Ziele. Tiere und Menschen würden sich laut Gericke so stark unterscheiden, dass die Ergebnisse nicht übertragbar seien. Tiere und Menschen würden sich einmal in ihrer Anatomie und Psysiologie und im Stoffwechsel unterscheiden. Aber auch Krankheiten des Menschen würden im Tier künstlich nachgeahmt. Also Parkinson, um das Beispiel wieder zu nehmen, werde bei Ratten hervorgerufen, indem ein Gift in das Gehirn injiziert werde. Aber das habe nichts mit dem Parkinson des Menschen zu tun.

Es gibt viele, die das ganz anders sehen. Auch Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer hatte sich für Tierversuche ausgesprochen, wenn sie nötig seien, um Menschenleben zu retten und Krankheiten zu heilen. Vorausgesetzt, die Haltungsbedingungen beim Max-Planck-Institut für Kybernetik entsprächen den Tierschutzgesetzen. So wie es das Institut behauptet. Die Bilder eines Fernsehsenders, so heißt es dort, seien dementsprechend völlig aus dem Zusammenhang gerissen. Laut Dr. Holger Fischer  vom MPI für bilogische Kybernetik sei es im ureigenen Interesse eines Wissenschaftlers, dass es seinem Tier gut gehe, weil er das ja über Jahre sozusagen habe, um Experimente zu machen. Und er könne es laut Fischer gar nicht riskieren, dass es dem Tier schlecht gehe. So sagte er im RTF.1-Interview am 21.04.2015.

Die internationalen Tierschützer überzeugt das alles nicht. Mit rund 81.000 aktuell gesammelten Unterschriften haben sie von dem Direktor der Abteilung „Physiologie kognitiver Prozesse" am MPI, Nikos Logothetis, die sofortige Freilassung der sieben Makaken gefordert. Professor Logothetis habe laut Gericke angekündigt, seine Forschungen einstellen zu wollen. Allerdings wolle er seine Projekte noch zu Ende führen, was ungefähr drei bis vier Jahre dauern könne. Und dann sei er sowieso pensioniert. Gericke denke, diese ganze Geschichte sei sowieso nur eine PR-Aktion gewesen, um die Tierschützer in Misskredit zu bringen und zu behaupten, dass er dazu gedrängt worden sei, durch irgendwelche aggressiven Methoden, seine Forschungen aufzugeben. Ihr stiller Kreis zeige, wie friedlich Tierschützer seien.

Ein Blick zurück zeigt aber auch: es gab nicht nur friedliche Demonstrationen: Boris Palmer beispielsweise musste sich massiven Anfeindungen aussetzen. Bei einer Kundgebung sei er sogar mit einem Stein beworfen worden. Das eigentlich Schlimme seien aber die Anfeindungen gegenüber den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des Max-Planck-Institutes – so äußerte sich Palmer im RTF.1-Interview am 22.09.2014. Dort traue man sich nicht mehr, die Kinder in die KITA zu bringen ohne Wachpersonal. Dort könnten Menschen nicht mehr zur Arbeit erscheinen, weil sie psychisch destabilisiert seien. Dort gingen zig Drohanrufe und Schmähbriefe ein; bis zum KZ werde da alles mit angedroht.

In jüngster Zeit, so heißt es seitens des MPI, habe es aber keine solchen Anfeindungen und Drohungen mehr gegeben. Solange die Affen nicht frei sind, werden die Tierversuchsgegner aber weiter auf die Straße gehen.

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