Ausstellung "In Fleischhackers Händen" | Bildquelle: RTF.1

Tübingen:

Ausstellung "In Fleischhackers Händen"

Stand: 29.05.15 10:39 Uhr

Die aktuelle Ausstellung "In Fleischhackers Händen" im Tübinger Universitätsmuseum, sorgt bundesweit für viel Aufsehen. 2009 entdeckten Mitarbeiter des Instituts für Ethik und Geschichte der Medizin, in den Bibliotheksbeständen des ehemaligen Rassenbiologischen Instituts, 309 Handabdrücke. Bald wurde klar: die Abdrücke stammen von Juden. Sie dienten dem Tübinger Anthropologen und SS-Obersturmführer Hans Fleischhacker von 1937 bis 1945 als Studienobjekte für seine rassekundlichen Forschungen. Die Ausstellung "In Fleischhackers Händen" bildet den Auftakt für eine ganze Reihe von Ausstellungen, in denen sich die Universität, 70 Jahre nach Kriegsende, erstmals mit ihrer Geschichte während der NS-Zeit auseinandersetzt. Ein bundesweit bisher einzigartiges Projekt.


600 Handabdrücke auf Papier. Es sind die wohl letzten Zeugnisse von über 300 jüdischen Gefangenen aus dem Ghetto Litzmannstadt in Lodz, die im Auftrag des Reichsgesundheitsamtes gesammelt wurden. Einst reine Studienobjekte, sind sie heute stumme Zeugen für das schreckliche Schicksal hunderter Menschen. Man muss davon ausgehen, erklärt Professor Ernst Seidl, der Leiter des Universitätsmuseums, dass alle diese Menschen ermordet worden seien. Viele von ihnen hätten die Nationalsozialisten nach Auschwitz oder in andere Lager abtransportiert. Im Vorfeld der Ausstellung sei deshalb zunächst auch zur Diskussion gestanden, ob man die Handabdrücke überhaupt ausstellen sollte. Deshalb seien sie in diesem dunklen Raum, separiert von den anderen Ausstellungsstücken und bewusst mit einer gewissen Distanz ausgestellt worden, schildert Seidl.

Für den Anthropologen Hans Fleischhacker, der ab 1937 am Rassenbiologischen Institut arbeitete, dienten die Abdrücke als empirische Grundlage für seine Habilitationsarbeit. Sein Ziel: der wissenschaftliche Beweis, dass Juden sich von Nicht-Juden biologisch unterscheiden. Dafür verglich und analysierte Fleischhacker die Handlinien der 600 Abdrücke.

Noch während der Arbeit an seiner Habilitationsschrift trat Fleischhacker der SS bei und arbeitete im Rassenpolitischen Amt der NSDAP. Der Grundstein für seine darauf folgende Karriere, die als SS-Führer am SS-Rasse-und Siedlungsamt endete. Für eine "jüdische Skelettsammlung" selektierte Fleischhacker eine Gruppe Gefangener in Auschwitz. Im Anschluss daran wurden sie im Konzentrationslager Natzweiler ermordet. Zur Verantwortung gezogen wurde der Wissenschaftler dafür nie. Eine Anklage endete mit einem Freispruch.

In der Wissenschaft zwischen 1933 und 1945 sei das häufig so gewesen, erklärt Professor Seidl. Offiziell hätten die Wissenschaftler dem Regime nur gedient und seien nicht unmittelbar an Verbrechen beteiligt gewesen. Obwohl sie in Wahrheit viel mehr damit zu tun gehabt hätten. Aber das zu beweisen, sei sehr schwierig gewesen. Auch deshalb weil die möglichen Zeugen häufig ermordet worden seien.

Seine Forschungen an der Uni Tübingen durfte Fleischhacker nach Kriegsende nicht mehr fortführen. Doch das bedeutete nicht seinen Ruin. "Seine Karriere hat natürlich vorübergehend einen Knick erfahren. Aber tatsächlich hat ihm das nicht wirklich geschadet. Er konnte sogar seine Habilitationsschrift, mit der er sich 1943 habilitierte, nur leicht verändert wiederverwenden für spätere Publikationen", so der Leiter des Uni-Museums.

1950 gelingt es Fleischhacker an seine akademische Laufbahn anzuknüpfen. 27 Jahre später wurde er mit dem Professoren-Titel an der Uni Frankfurt am Main emeritiert. Seine Verantwortung leugnete er sein Leben lang.

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