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Atemnot im tropischen Atlantik - Sauerstoffreie Zonen erreichen Größe von halb Schleswig-Holstein

Stand: 28.05.15 15:14 Uhr

28.05.2015. Wissenschaftler aus Kiel, Bremen und aus Kanada berichten im internationalen Fachjournal Biogeosciences von einem bislang nicht beobachteten Auftreten nahezu sauerstofffreier Zonen im offenen tropischen Atlantik. Diese Zonen erstecken sich über eine Fläche, die etwa halb so groß ist wie Schleswig-Holstein. Die Studie wurde im Rahmen des an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel angesiedelten Sonderforschungsbereich 754 zu sauerstoffarmen Zonen in den tropischen Ozeanen erarbeitet.

Sauerstoff ist eine der wichtigsten Grundlagen für das Leben auf unserem Planeten – auch für marine Lebewesen. In den meisten Regionen der Ozeane ist Sauerstoff in ausreichender Menge vorhanden. An den östlichen Rändern der tropischen Ozeane erstrecken sich jedoch in einigen hundert Metern Wassertiefe weite Gebiete, in denen deutlich niedrigere Sauerstoffkonzentrationen zu finden sind, die Sauerstoffminimumzonen (SMZ). Diese Zonen entstehen, weil hier die Versorgung mit sauerstoffreichen Wassern nicht sehr effektiv ist und zudem mikrobiologische Prozesse relativ viel Sauerstoff benötigen.

Die SMZ im tropischen Nordatlantik ist allerdings nicht so stark ausgeprägt wie die deutlich größere im Pazifik. Wissenschaftler des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel, der Universität Bremen und der Dalhousie Universität in Kanada berichten nun allerdings erstmals von der Existenz von extrem sauerstoffarmen Zonen im offenen tropischen Nordatlantik, hunderte Kilometer entfernt von der Afrikanischen Küste. Diese Gebiete, die eine Fläche einnehmen, die etwa halb so groß ist wie Schleswig-Holstein, sind dicht unter der Meeresoberfläche zu finden. Sie bilden sich in gigantischen Wirbeln, die in nahezu allen Gebieten des Weltozeans auftreten, von denen jedoch glücklicherweise nur wenige die Voraussetzungen zur Bildung einer sauerstoffarmen Zone erfüllen. Die Ergebnisse veröffentlichen die Wissenschaftler jetzt in der internationalen Fachzeitschrift Biogeosciences.

Nachdem die Wissenschaftler einen der sauerstoffarmen Wirbel an einer Langzeit-Messstation, dem „Cape Verde Ocean Observatory" nördlich der Kapverdischen Inseln, detektiert hatten, konnten sie durch die Kombination verschiedener moderner Messsysteme – darunter Satelliten und frei im Ozean treibende Messsonden – die Wirbel von ihrer Entstehung vor der Küste Afrikas bis westlich der Kapverdischen Inseln verfolgen. „Es war uns zwar bekannt, dass sich vor der afrikanischen Küste große Wirbel bilden, die Richtung Westen über den Atlantik wandern", erklärt Dr. Johannes Karstensen vom GEOMAR, Erstautor der aktuellen Studie. „Wir waren aber sehr vom darin herrschenden Ausmaß der Sauerstoffarmut überrascht."

Die Wirbel die die sauerstoffarmen Zonen beherbergen, bilden sich aufgrund wechselnder Strömungsverhältnisse vor der westafrikanischen Küste. Sie weisen zunächst noch keine besonders niedrigen Sauerstoffkonzentrationen auf, sind aber reich an Nährstoffen, die, in Kombination mit Licht, starkes Planktonwachstum fördern. Das Plankton bildet einen dichten Teppich nahe der Oberfläche, der dann kaum mehr Licht in tiefere Schichten vordringen lässt. Unterhalb des Planktonteppichs sinken abgestorbene organische Teilchen ab, die von Bakterien zersetzt werden. Dabei verbrauchen sie den vorhandenen Sauerstoff. Da zwischen den Wirbeln und dem umgebenden Ozeanwasser kaum Austausch stattfindet, findet auch keine Sauerstoffzufuhr von außen statt. „Das erklärt die extrem niedrigen Sauerstoffkonzentrationen in Oberflächennähe", sagt Dr. Karstensen. Der Prozess ähnelt der Enstehung von „Todeszonen", der aus Binnenseen und dem Küstenbereich bekannt ist – der bisher aber im Ozean noch nicht beobachtet wurde.

„Wir haben jetzt den ersten Nachweis, dass diese Wirbel einen sauerstoffarmen bis sauerstofffreien Zustand selbst produzieren und diesen nicht einfach aus der Küstenregion in den offenen Ozean mitnehmen", erklärt der Kieler Ozeanograph. Letztendlich lösen sich die Wirbel auf dem Weg über den Atlantik auf und es findet eine Vermischung mit dem umgebenden Wasser statt. Welche Rolle die Wirbel für den gesamten Sauerstoffhaushalt des Nordatlantiks spielen, wie Organismen auf die sauerstoffarmen Zonen reagieren und was passiert, falls diese Wirbel mit einer Inselkette, beispielsweise den Kapverden, kollidieren, sollen weitere Untersuchungen zeigen.

Der Sonderforschungsbereich 754 (SFB 754) „Klima und Biogeochemische Wechselwirkungen im tropischen Ozean" wurde im Januar 2008 als Kooperation der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU), des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel und des Max-Planck-Instituts Bremen eingerichtet. Der SFB 754 erforscht die Änderungen des ozeanischen Sauerstoffgehalts, deren mögliche Auswirkung auf die Sauerstoffminimumzonen und die Folgen auf das globale Wechselspiel von Klima und Biogeochemie des tropischen Ozeans. Der SFB 754 wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert und befindet sich in seiner zweiten Phase, die von 2012 bis 2015 läuft. (GEOMAR)

Originalarbeit:
Karstensen, J., B. Fiedler, F. Schütte, P. Brandt, A. Körtzinger, G. Fischer, R. Zantopp, J. Hahn, M. Visbeck, D. Wallace (2015): Open ocean dead zones in the tropical North Atlantic Ocean, Biogeosciences, 12, 2597-2605,http://dx.doi.org/10.5194/bg-12-2597-2015

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