Aus Sicht der Stadtverwaltung und ihres prominenten Rechtsberaters, des ehemaligen Verfassungsrichters Prof. Klaus-Peter Dolde, sprächen finanzielle, aber auch rechtliche Gründe dafür, dass sich die Achalmstadt selbständig macht. Reutlingen sei "in einer Situation, die es sonst nirgendwo gibt", so Oberbürgermeisterin Barbara Bosch. Es gebe keinen einzigen Kreis, der eine Großstadt zu seinem Kreis zähle. Alle Städte dieser Größenordnung -und sogar etwas kleinere wie Pforzheim oder Ulm - seien Stadtkreise.
Dass Reutlingen das nicht ist, das hat - laut der Studie der Stadtverwaltung – für Reutlingen und die Reutlinger heftigste Folgewirkungen. Beispielsweise im Kreistag, in dem die 112 000 Einwohnerstadt einer Stimmenmehrheit viel kleinerer, zumeist ländlich geprägter Kommunen und Gemeinden gegenübersteht. Dort wurde für Städte ein Stimmendeckel für Kommunen in Höhe von maximal 40 Sitzen eingezogen. Im Prinzip sei das natürlich eine absolut richtige Regelung, so Bosch. Die Stadt Reutlingen stelle aber einen Sonderfall da, weil sie die einzige Großstadt im Landkreis Reutlingen sei. Der Abstand zu Metzingen mit rund 21 000 Einwohnern sei unnätürlich groß. In vielen anderen Kreisen gebe es hingegen mehrere Kreisstädte, die gleichzeitig mit ihren Stimmen für ihre urbane Sichtweise der Dinge und Probleme einträten.
Dass das im Falle Reutlingen anders sei, das wirke sich natürlich auch auf die politischen Beschlüsse im Kreistag aus, die durch die kleinen ländlichen Gemeinden eben oft gegen die anders gerichteten Interessen Reutlingens fielen. Aber auch ganz konkret führe das zu finanziellen Mehr- und Doppelbelastungen. Weil man in Reutlingen bereits alle großstädtischen Aufgaben kreisfreier Städte leiste, dazu aber eben- anders als andere Großstädte- über die Kreisumlage noch mal rund 43 Prozent der Landkreis-Aufgaben dazu finanziere.
Beispielsweise bezahle die Stadt das eigene Drittel an die gemeinsame Leitstelle, und dann noch einmmal zusätzlich von dem, was der Landkreis einbringe, 43 Prozent. Man zahle also doppelt, so Bosch. Und das wiederhole sich an vielen Stellen. Man habe etwa eine Stadthalle oder eine Bücherei, die überregional frequentiert würden. Oder eben auch eine Berufsfeuerwehr. Wie eine Großstadt eben. Das alles führe in der Dopelbelastung zu den insgesamt höchsten Hebesätzen und Gebühren. Die rechtlich gewollte Ausgleichsfunktion des Landkreises finde hier nicht statt. Die rechtlliche Vorgabe, für ausgeglichene Verhältnisse zu sorgen erfülle sich im Verhältnis Reutlingens und seines Landkreises eben nicht.
Mehr noch: dass Reutlingen nicht kreisfrei ist, bringe zudem finanzielle Nachteile bei den Landeszuweisungen. Nehme man die möglichen Einsparungen und die Landesleistungen, die Reutlingen nur als kreisfreie Stadt bekomme, zusammen, dann mache das pro Jahr rund 4 bis 4,6 Millionen aus. Wenn man jetzt also vom Zeitpunkt der ersten Erwägungen, einen Stadtkreis zu gründen, vom Jahre 1998 her, hochrechne, dann "wären wir heute schuldenfrei".
Auch der ehemaliger Verfassungsrichter Dolde, der die Stadt juristisch berät, sieht bisher wesentliche Rechtsprinzipien verletzt: so verletze das verhältnismässig geringe Stimmgewicht der 112000 Einwohner-Stadt im Kreistag ebenso demokratische Prinzipien wie die Tatsache, dass die Stadt sich selbst und einen Landkreis finanziere. Der Landkreis käme dabei zudem finanziell nachweislich "nicht unter die Räder". Im Juni soll der Gemeinderat über die Einreichung des Auskreisungsantrags beim Land abstimmen.
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