Ab diesem Freitag ruft ver.di bundesweit zum Streik im Sozial- und Erziehungsdienst auf, nachdem sich in der Urabstimmung 93,44 Prozent der ver.di Mitglieder für Arbeitskampf zur Durchsetzung ihrer Forderungen ausgesprochen hatten. Leni Breymaier, ver.di Landesbezirksleiterin: „Wir streiken für eine angemessene Bezahlung im Sozial- und Erziehungsdienst. Wir kämpfen damit aber auch gegen die Lohndiskriminierung von Frauen und stellen laut und vernehmbar die Frage, was uns Dienstleistungsarbeit wert ist. Dafür bitten wir um Unterstützung. Wir werden diesen Arbeitskampf sehr breit beginnen, damit so viele Arbeitgeber wie möglich im Land spüren, dass sie in der Verantwortung stehen. Wir werden bei den größten und wichtigsten Arbeitgebern nicht mehr locker lassen: Aussitzen wird nicht funktionieren. Und wir werden, sollte es länger gehen, Zug um Zug den Druck erhöhen. Abkürzen lässt sich dieser Streik jederzeit. Durch ein verhandlungsfähiges Angebot."
Der Verband Kommunaler Arbeitgeber betont: Man schätze die Abeit der Erzieherinnen und Erzieher. Das zeige sich auch im Gehalt. Die Arbeitgeber haben in den Verhandlungen konkrete Vorschläge für Verbesserungen bei der Eingruppierung und Bezahlung vorgelegt. Die Gehälter von Erzieherinnen und Erziehern liegen laut Verband aktuell zwischen 2.590 Euro und 3.750 Euro, Kita-Leitungen erhalten bis zu 4.750 Euro. Die VKA sei bereit, dort, wo die Anforderungen gestiegen sind, weitere Verbesserungen zu vereinbaren. Stichworte z.B. Inklusion oder Sprachförderung. Die Zugewinne für Erzieherinnen und Erzieher entsprechend der VKA-Vorschläge könnten bis zu 443 Euro betragen, bei Kita-Leitungen sind es bis zu 448 Euro monatlich. VKA-Hauptgeschäftsführer Manfred Hoffmann erklärt: „Mit den Streiks verlagern die Gewerkschaften den Tarifkonflikt auf Kinder und Eltern. Die VKA verurteilt das scharf und fordert die Gewerkschaften auf, ihre Verantwortung als Tarifvertragspartei wahrzunehmen und das zu tun, was ihre Aufgabe ist: Tarifverhandlungen zu führen. Ein Streik ersetzt keine Verhandlungen." Bislang sei ein ernsthaftes Bemühen der Gewerkschaften um eine Lösung am Verhandlungstisch nicht erkennbar gewesen. Sie hätten von Anfang an auf Eskalation gesetzt.
Die Gewerkschaften seien bislang nicht bereit, über konkreten Änderungsbedarf zu verhandeln. Sie wollen laut VKA pauschale Erhöhungen, unabhängig von den tatsächlichen Entwicklungen bei den Tätigkeiten.
Die Arbeitgeber sind jederzeit zur Fortsetzung der Verhandlungen bereit. Hoffmann: „Wir rufen die Gewerkschaften dazu auf, an den Verhandlungstisch zurückzukehren und den inhaltlichen Konflikt um Tarif- und Eingruppierungsfragen nicht auf dem Rücken von Kindern und Eltern auszutragen."
Die betroffenen Eltern sowie weitere betroffene Bürgerinnen und Bürger bittet ver.di dennoch um Verständnis für den Streik und Unterstützung gegenüber den Kommunen, um diese zu einem Einlenken zu bewegen. Wo es möglich ist wird ver.di Notdienstvereinbarungen mit den Trägern vereinbaren.
Dagmar Schorsch-Brandt, stellvertretende ver.di Landesbezirksleiterin: „Eltern brauchen eine liebevolle und gute Betreuung ihrer Kinder in den Kindertagesstätten, um die Doppelbelastung in Beruf und Familie zu stemmen. Und sie erwarten von den Erzieherinnen die individuelle Förderung ihrer Kinder und eine gute Vorbereitung auf die Schule. Dass die Bezahlung diesem Anspruch meilenweit hinterher hinkt, ist ihnen bewusst. Die Eltern sehen, dass sich die zu geringe Bezahlung offenkundig ohne Streik nicht korrigieren lässt."
Von der Tarifrunde sind in Baden-Württemberg neben über 30.000 Erzieherinnen (zu 98 Prozent Frauen, zu über 60 Prozent in Teilzeit) weitere gut 10.000 Beschäftigte in Jugendhäusern, Beratungsstellen, Krankenhäusern, Wohnheimen und Werkstätten für behinderte Menschen, Jugendheimen und Ämtern betroffen.
ver.di Baden-Württemberg will den Arbeitskampf möglicherweise auch in der kommenden Woche fortführen. Die jeweilige Streikdauer wird von den ver.di Bezirken mitgeteilt.
ver.di rechnet angesichts der Erfahrungen in den letzten Wochen mit einer – auch im Vergleich zu 2009 – noch höheren Streikbeteiligung.
Irene Gölz: „Vom Ergebnis dieser Tarifauseinandersetzung werden im Nachgang noch einmal so viele Beschäftigte bei Kirchen, Wohlfahrtsverbänden und freien Trägern profitieren, die den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst übernehmen oder sich am TVöD orientieren. Deshalb wird eine bessere Eingruppierung der sozialen Berufe im TVöD eine Aufwertung des gesamten Berufstandes zur Folge haben. Das ist auch deshalb dringend notwendig, damit die Berufe für junge Menschen attraktiv bleiben. Aufwertung ist echte Zukunftssicherung."
ver.di fordert eine Neuregelung der Eingruppierungsvorschriften und Tätigkeitsmerkmale, die für die rund 240.000 Beschäftigten im kommunalen Sozial- und Erziehungsdienst zu Einkommensverbesserungen von durchschnittlich zehn Prozent führen würden. Zum kommunalen Sozial- und Erziehungsdienst gehören unter anderem Erzieherinnen und Erzieher, Sozialarbeiterinnen, Sozialpädagogen, Fachkräfte für Arbeits- und Berufsförderung und Heilerziehungspflegerinnen in der Behindertenhilfe, Kinderpflegerinnen sowie Heilpädagogen und Beschäftigte in Werkstätten für behinderte Menschen.
Indirekt profitieren von einem Tarifergebnis mit den kommunalen Arbeitgebern auch die mehr als 500.000 Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst bei freien und kirchlichen Trägern.
Stuttgart
In Stuttgart streiken ab Freitag beim Jugendamt die Bereiche Kita, Schulkindbetreuung, Fördergruppen. Beim Jugendamt die Sozialen Dienste und Hilfen zur Erziehung. Beim Sozialamt und Gesundheitsamt die Sozialen Dienste. Beim Schulverwaltungsamt die Schulkindbetreuung, verlässliche Grundschule etc sowie beim Klinikum der Stadt die Sozialen Dienste.
Ab Montag streiken auch die Städte und Gemeinden in den Landkreisen Ludwigsburg, Böblingen und Rems-Murr.
Mittelbaden-Nordschwarzwald
Betroffen sind ab Freitag die Stadt Karlsruhe mit ihren Kindertagesstätten, Horten und Sozialen Diensten. In Pforzheim das Jugendamt des Landratsamt Enzkreis und die städtischen Kindertagesstätten und die Sozialen Dienste, die Stadt Calw und einige Gemeinden aus dem Enzkreis. Insgesamt werden voraussichtlich 60 Einrichtungen geschlossen bleiben.
Schwarzwald-Bodensee
Ab Freitag wird gestreikt in Konstanz, Radolfzell, Rielasingen, Singen, Villingen-Schwenningen, Tuttlingen. Zahlreiche Einrichtungen werden geschlossen sein. Auch der ASD in Konstanz streikt ab Freitag.
Rhein-Neckar
52 Kindertagesstätten bleiben voraussichtlich ab Freitag geschlossen (drei sind im Notdienst), weitere Bereiche streiken. Ab 11:30 Uhr Kundgebung mit ver.di Landesbezirksleiterin Leni Breymaier mit rund 1200 Teilnehmerinnen auf dem Paradeplatz.
Ostwürttemberg-Ulm
Kindertagesstätten, Soziale Dienste sowie Einrichtungen der Jugendhilfe in Ulm und im Alb-Donau Kreis, in Aalen, in Schwäbisch Gmünd, und erstmals auch Kindertagesstätten der Städte Heidenheim und Giengen werden von den Arbeitsniederlegungen betroffen sein. Den Auftakt machen am Freitag die Beschäftigten der Städte Aalen und Ulm, weitere Einrichtungen in anderen Städten werden am Montag folgen. Insgesamt werden über 50 Einrichtungen geschlossen bleiben und über 600 Personen am Warnstreik teilnehmen.
Südbaden
Ab Freitag sind die Freiburger Kindertagesstätten im Streik. Rund 20 städtische Kitas bleiben geschlossen. Die Eltern wurden bereits Anfang der Woche von informiert. ver.di wird ab der 20. Kalenderwoche die Streiks auf zahlreiche Kommunen und Landkreisverwaltungen in Südbaden ausweiten.
Fils-Neckar-Alb
In den Landkreisen Reutlingen, Tübingen, Esslingen und Göppingen wird am Freitag gestreikt und es sind über 200 Einrichtungen geschlossen.
Kundgebung in Nürtingen am Schillerplatz um 12 Uhr, Demonstration um 11:40 Uhr ab Stadthalle.
Oberschwaben
Aufgerufen werden am Freitag Beschäftigte in kommunalen Kindergärten und die Schulsozialarbeiter im kommunalen Dienst
Heilbronn-Neckar-Franken
Am Freitag wird gestreikt in Heilbronn, Neckarsulm, Bad Friedrichshall, Crailsheim, Schwäbisch Hall, Weinsberg, Gundelsheim.
Kundgebung mit der stellvertretenden ver.di Landesbezirksleiterin Dagmar Schorsch-Brandt.
Ab Montag: Heilbronn, Neckarsulm, Crailsheim, Schwäbisch Hall, Weinsberg, Oedheim.
Bedeckt 10 / 13° C Luftfeuchte: 93% |
Bedeckt 11 / 13° C Luftfeuchte: 93% |
Bedeckt 10 / 12° C Luftfeuchte: 97% |