Logo germanwings vor Flugzeug | Bildquelle: RTF.1

Deutschland/Frankreich:

Wie Journalisten Germanwings-Unglück erlebten: "Darf uns nicht noch einmal passieren"

Stand: 19.03.19 21:16 Uhr

Der Germanwings-Absturz ist für berichtende Journalisten ein Wendepunkt ihrer Karriere gewesen. Das "medium magazin" hörte sich in Redaktionen vor Ort um - von Frankreich über Düsseldorf bis Montabaur und Haltern. "Der Zorn, der Hass, der uns Journalisten in den sozialen Medien bereits wenige Stunden nach dem Absturz entgegenschlug, muss uns nachdenklich stimmen", sagt etwa Christian Schwerdtfeger, Reporter der "Rheinischen Post". Er erlebte eine extrem schwere Arbeit auch vor Ort: "Leute schüttelten verächtlich den Kopf, wenn man sich als Journalist zu erkennen gab. Ich musste mich mehrfach für meinen Berufsstand rechtfertigen."

Schwerdtfeger kann die Reaktionen zum Teil nachvollziehen, denn viele Momente nach dem Flugzeugabsturz gehörten nicht zu den Sternstunden des Journalismus - etwa die Belagerung der Halterner Schule. "Es ging so weit, dass die Polizei mehrfach einschreiten musste. Das darf uns Journalisten in dieser Form nicht noch einmal passieren." Hermann Beckfeld, Chefredakteur von "Ruhr-Nachrichten" und deren Lokalausgabe "Halterner Zeitung", sagt gar: "Ich bin seit Haltern sehr vorsichtig geworden im Umgang mit fremden Kollegen." Die Polizei habe betroffene Familien vor Journalisten schützen müssen. Andere Kollegen klauten ein Foto einer getöteten Lehrerin aus einer alten Online-Bildergalerie. Viele Auswärtige riefen an, nur um über die lokale Redaktion an Schicksalsgeschichten zu gelangen.

Ähnlich erging es der "Westerwälder Zeitung" in Montabaur, dem Heimatort des Co-Piloten, wo auswärtige Reporter den Ort überschwemmten. Selbst Fernsehteams aus China fragten bei der Zeitung Interviews an. "Auch uns versuchten Kollegen unter Druck zu setzen, uns moralisch einzuschüchtern", erzählt Redaktionsleiter Michael Stoll im "medium magazin". "Anrufer brachen sogar in Tränen aus, nach dem Motto: Wenn ihr uns weder O-Töne noch Informationen gebt, bin ich meinen Job los."

Oliver Auster, "Bild" - Redaktionsleiter NRW, wehrt sich gegen die Vorwürfe, seine Reporter hätten unzulässige Grenzen überschritten: "Es waberten unglaublich viele Gerüchte durch die sozialen Netzwerke, die sich alle als falsch erwiesen....Kein "Bild"-Reporter hat sich als Lehrer verkleidet, keiner hat Kindern Geld für Informationen angeboten. Wir haben niemanden bedrängt - wer Informationen gab, hat dies getan, weil er es wollte, nicht weil er sich etwas davon versprach." Seine Erklärung für die ungewöhnlich aggressive Stimmungswelle gegen die Medien: "Trauer und Verzweiflung über die Tat eines Einzelnen kanalisierten viele als Wut auf "die Medien", auch ´Bild'."

"Bild am Sonntag"-Chefredakteurin Marion Horn meint dazu: "Selbstkritisch muss man sagen, dass wir es nicht geschafft haben, die Fassungslosigkeit der Menschen zu kanalisieren und aufzufangen - vielleicht haben sich die starken Emotionen deshalb gegen uns Journalisten gerichtet. Vielleicht wäre es gut gewesen in dieser hochemotionalen Zeit, in unseren Medien Orte der Trauer zu schaffen, etwa durch Kondolenzseiten."

 

WERBUNG:



Seitenanzeige: