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Flossenbürg:

"Von guten Mächten wunderbar geborgen" - Vor 70 Jahren ermordet: Gedenken an Dietrich Bonhoeffer

Stand: 29.01.19 18:01 Uhr

09. April 2015. Aufbruch zu neuem Leben. Am 9.April 1945, kurz nach Ostern, vor fast genau 70 Jahren ist Dietrich Bonhoeffer wenige Tage vor Kriegsende im KZ Flossenbürg erhängt worden. "Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist mit uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag..." ... diese berühmten Trostzeilen schrieb Bonhoeffer bekanntlich kurz vor dem Tod seinen Eltern. Und auch "Wer Ostern kennt, kann nicht verzweifeln", stammt von diesem außergewöhnlichen Widerstandskämpfer und Theologen, der heute vor 70 Jahren ermordet wurde.

Bonhoeffers Weg als Theologe und Pfarrer in den Widerstand gegen das NS-Regime im dritten Reich war nicht selbstverständlich und nicht geradlinig. Aus der sicheren USA kehrte Bonhoeffer nach Deutschland zurück, wissend, in welche Gefahr er sich begab. Aber er konnte es vor sich und vor Gott nicht verantworten, die Menschen und die Kirche alleine zu lassen - im Widerstand gegen die Nationalsozialisten.

Im Oktober 1942 kam die Gestapo, die "Geheime Reichspolizei", Bonhoeffers Verbindungen zu möglichen Widerständlern in der Abwehr, dem damaligen Auslandsgeheimdienst, auf die Spur. Im Auslandsgeheimdienst hatten sich um dessen Leiter Canaris, um Oster und um Klaus Bonhoeffer eine Widerstandsgruppe gebildet, die das Ziel hatte, Hitler zu töten. Im März 1943 verübten Mitglieder der Widerstandsgruppe zwei Attentate auf Hitler, die beide fehlschlugen. In der Folge wurde  auch Dietrich Bonhoeffer am 5. April 1943 wegen "Wehrkraftzersetzung"verhaftet und ins Untersuchungsgefängnis Berlin Tegel eingeliefert. 

Zur Eröffnung des beabsichtigten Gerichtsverfahren vor dem Volksgerichtshof kam es aber nicht; das konnten hochrangige Mitglieder und Freunde der Widerstandsgruppe, wie der Heeresrichter Karl Sack, verhindern.

Noch im Haft arbeitete Bonhoeffer an einem Ansatz für eine neue Theologie, die "Tegeler Theologie". 50 Seiten schrieb Bonhoeffer  aus der Haftanstalt Berlin-Tegel an seinen Freund Eberhard Bethge. Und in seinen Briefen an seine Familie zeigte sich, welch tiefe Kraft Bonhoeffer selbst im Angesicht des Todes aus seinem Glauben an Gott schöpfte: "Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist mit uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag..."

Schließlich wurde Bonhoeffer am 7. Februar 1945 ins KS Buchenwald verlegt. Die vollständige Niederlage des Dritten Reichs im Kampf gegen die Alliierten vor Augen, befahl Adolf Hitler am 5. April 1945, alle noch nicht ermordeten Verschwörer hinzurichten. 

Anfang April 1945 wurde Bonhoeffer mit seinen Mitgefangenen Richtung KZ Flossenbürg transportiert. Das aber war überfüllt, nahm nur drei Gefangene an. Die SS-Begleitmannschaft wurden mit den übrigen 17 Gefangenen - darunter auch Bonhoeffer.- in enem Bus weitergeschickt, Richtung Süden, durch Bayern. 

Die Fahrt ging durch die idyllische bayerische Landschaft. Durch Dörfer und Wald. Man hielt an Bauernhöfen, rastete, machte sich am Brunnen frisch. Zeitweise sei es fast wie eine Ausflugsfahrt gewesen. In dem kleinen Örtchen Schönberg fand der Gefangenentransport Unterkunft in der vierstöckigen Schule. Die Mitgefangenen hatten Bonhoeffer gebeten, am nächsten Tag eine Andacht zu halten.

Direkt am Ende der Predigt wurde er vom Wachpersonal aufgerufen und ins KZ Flossenbürg verlegt. "Dies ist das Ende, für mich der Beginn des Lebens." sagte Bonhoeffer, der sich bewußt war, dass die Hinrichtung nun unmittelbar bevorstand, zu einem Mitgefangenen.

Kaum 12 Stunden hat Bonhoeffers Aufenthalt im KZ Flossenbürg gedauert. Es gab einen Kriegsgerichtsprozess, zu dem Hitler eigens einen Kurier mit neu entdecktem, belastenden Material - so die Tagebücher des Abwehrchefsf Canaris - nach Flossenbürg geschickt hatte. Am nächsten Morgen wurden Bonhoeffer und seinen bereits vor einigen Tagen eingelieferten Mitgefangenen die Todesurteile verlesen.

Aufrecht und voller Würde sei Bonhoeffer in den Tod gegangen, berichtet später der SS-Lagerarzt, als Augenzeuge. Trotz der vom NS-Regime bewusst entwürdigend gestalteten Umstände der Hinrichtung: Denn die sechs zum Tode Verurteilten mussten völlig entkleidet zum Galgen gehen.

Über das, was dann geschah, gibt es zwei Versionen: Am Galgen sei Bonhoeffer dann innerhalb von Sekunden gestorben. Zuvor habe Dietrich Bonhoeffer noch ein kurzes Gebet gesprochen, so der Lagerarzt.

Ein dänischer Mithäftling, L.F. Morgensen, hat später die Darstellung des SS-Lagerarztes in Frage gestellt: Der Arzt habe ein Interesse gehabt, die Hinrichtung möglichst "reibungslos" darzustellen. In Wirklichkeit habe die Hinrichtung der Gruppe "ungewöhnlich lange gedauert: Von etwa 6 Uhr früh bis gegen Mittag" (Zitiert aus: Metaxas: Bonhoeffer (2011), S.717, Anmerkung  942). Die Galgen seien so elastisch konstruiert gewesen, dass die Gehenkten den Boden mit den Zehenspitzen möglicherweise gerade noch erreichen konnten. Damit habe derTodeskampf verlängert werden sollen. Die Aufgabe des Lagerarztes sei es womöglich gewesen, besinnungslos gewordene Opfer wiederzubeleben, damit diese wiederholt gehenkt werden konnten. Daher komme das Interesse des Lagerarztes, die Hinrichtung später als schnell und reibungslos darzustellen. (ebenda).

"Warum haben wir denn solche Angst, an den Tod zu denken?" hatte Bonhoeffer  in seiner Predigt am Ewigkeitssonntag 1933 in London gefragt: "Wer weiß denn, daß das Sterben etwas Schreckliches ist? Wer weiß es denn, ob nicht die Ängste und Nöte des Menschen nur das Zittern und Schaudern vor dem Herrlichsten, Himmlischsten, seligsten Ereignis der Welt ist? ... Der Tod ist die Hölle und die Nacht und die Kälte, wenn ihn unser Glaube nicht verwandelt. Aber das ist ja das Wunderbare, dß wir den Tod verwandeln können."

Dietrich Bonhoeffer - Wir verneigen uns vor einem Mann, der zu den ganz Großen gehört, in der Menschheitsgeschichte.

 

Erstveröffentlichung: 09. April 2015.

Bearbeitung: Mehrere Überarbeitungen und Ergänzungen

Aktueller Stand: 11. April 2015.

 

Buchtipps:

Von Erich Metaxas ist  im Jahr 2011 eine Biografie über Dietrich Bonhoeffer erschienen: Bonhoeffer. Pastor, Agent, Märtyrer und Prophet: 30. Januar 1933: Adolf Hitler wird deutscher Reichskanzler. Noch ahnt niemand, dass sein Regime Deutschland zerstören wird. Doch schon zwei Tage später warnt der junge Pastor Dietrich Bonhoeffer im Rundfunk vor dem "Ver-Führer". Der Autor Mataxas ermöglicht in dem 700-Seiten-Buch Einblicke in die Lebensgeschichte von Bonheoffer; auch in wenig bekannte Briefe und Dokumente und zeichnet ein vielschichtiges Bild des Theologen, Agenten und Märtyrers- von seinem Glauben und seiner Hingabe an die Gerechtigkeit. SCM Hänssler, Gebunden: EUR 29,90. Kindle: 23,90.

Von Ferdinand Schlingensiepen ist erschienen: Dietrich Bonhoeffer: 1906 - 1945 Eine Biographie: "Dietrich Bonhoeffer (1906-1945) ist heute vor allem durch seine berührenden Gedichte bekannt. Er war Theologe und Pfarrer, kämpfte von Beginn an gegen das NS-Regime, gründete die Bekennende Kirche mit, erhielt Lehrverbot und arbeitete zuletzt in der Abwehr unter Admiral Canaris, dessen Widerstandskreis er angehörte. 1943 wurde er verhaftet, ohne Gerichtsurteil gefangen gehalten und am 9. April 1945 hingerichtet. Ferdinand Schlingensiepen schildert diesen Lebensweg und macht die schwierigen Entscheidungen deutlich, die Bonhoeffer immer wieder treffen musste." Deutscher Taschenbuch Verlag. Taschenbuch : EUR 12,90

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