Holzmarkt Tübingen | Bildquelle: RTF.1

Tübingen:

Palmer-Diskussion um mehr verkaufsoffene Sonntage: Resonanz in RTF.1-Umfrage eher positiv

Stand: 29.03.15 23:52 Uhr

Stellen Sie sich vor, es ist Sonntag: Sie erwarten Besuch und haben keinen Kaffee mehr. Oder Sie wollen das Licht anschalten, und Ihre letzte Glühbirne brennt durch. Wie praktisch wäre es da, wenn man schnell in den nächstgelegenen Laden gehen könnte.Das aber ist bisher höchstens drei Mal im Jahr möglich. Das regelt das Ladenzeitenöffnungsgesetz des Landes. Wenn es nach dem Willen des Tübinger Oberbürgermeisters Boris Palmer ginge, könnte das künftig möglich werden.


Um den Einzelhandel zu stärken und die Innenstadt zu beleben, möchte Palmer gerne 30 verkaufsoffene Sonntage im Jahr einführen. Ein Problem, das sich nicht nur für die Neckarstadt, sondern viele andere Kommunen stellt. Doch für diese Idee hagelte es bekanntlich reichlich Kritik. Beispielsweise von Seiten der Gewerkschaft und der Kirchen. Eine nicht repräsentative RTF.1-Umfrage zeichnet inTübingen und Reutlingen zeichnet ein kontroverses Bild. Aber die Befürworter überwiegen.

Die Tübinger Altstadt an einem typischen Sonntag Morgen – wie heute : die Straßen ausgestorben, die Läden dicht. Die Menschen in den Häusern – und möglicherweise dort grade vor dem PC, um in aller Sonntagsruhe jene Waren zu einzukaufen und zu ordern, die die geschlossenen Innenstadtläden sonntags eben nicht bieten.

Ein unhaltbarer Zustand, so der Tübinger Rathaus-Chef  Boris Palmer kürzlich in der „Zeit". Denn im Internet sei grade der Sonntag der umsatzstärkste Tag der Woche. Um den Handel vor Ort also gegen Onlineangebote zu verteidigen, sei es wichtig, den Kunden auch an eben jenem Sonntag das Einkaufen zu ermöglichen. So könne man den Abfluss von Kaufkraft und Ladensterben verhindern, so Palmer.

im Schutz der Sonntagsruhe" gedeihe hingegen nicht etwa das Christentum, sondern vor allem Amazon – der große Online-Händler, der den - sowie schon um Umsatz ringenden -  Innenstadtläden die Kundschaft abspenstig mache.

Was aber meinen die Menschen vor Ort zu Palmers Idee, die Läden an 30 Sonntagen im Jahr geöffnet zu lassen? Wir haben uns in Tübingen und Reutlingen umgehört. Und dort ergiebt sich ein kontroverses Stimmungsbild. Eine Frau, die ursprünglich aus Norddeutschland kommt, ist restlos begeistert. Denn von dort sei sie es gewohnt, dass sogar Lebensmittelgeschäfte geöffnet hätten. Und die seien dort auch sonntags immer voll.

Eine älter Tübingerin fände das hingegen nicht gut. Es gebe genügend Gelegenheiten, um einzukaufen. Und die Menschen sollten den Sonntag lieber für andere Aktivitäten nutzen.Für einenMann gleichen Alters macht der Vorschlag Sinn. Das helfe den Firmen und Geschäften, um mehr umsatz zu machen. Eine weitere frau findet Palmers Vorschlag "einfach super". Dann könne man eben einkaufen, wann man einkaufen möchte. Und sie glaube, dass viele dieses Angebot begeistert annähmen.

Auch ein Mann, der lange in den USA gelebt hat, begrüsst die Idee. Von dort sei er das eh gewohnt. Wenn das Wetter gut sei, gingen viele dort spazieren - und eben auch Einkaufen, weil die großen Läden eben immer geöffnet seien. 

Eine weitere Frau ist sich unschlüssig, meint dann aber, dass sich eine Mehrzahl an Menschen freuen würde, wenn sie Dinge entstresst am Wochenende besorgen könnten. Ganz frei und jenseits der Arbeit. 

Ein Ältererfindet dagegen diese politische Idee alles andere als gut. Räumt aber ein, dass er da aufgrund seines Alters eben etwas festgefahren sein. Ein Eindruck, den ein ganz junger Mann bestätigt. Er würde das sofort befürworten - und sei sich sicher, dass sich viele darüber freuen würden. 

Eine Reutlingerin lehnt den Vorschlag hingegen ab. Tübingen sei eine so attraktive, schöne Stadt, dass sie 30 verkaufsoffene Sonntage sicher nicht brauche.

Ein Tübinger Markthändler kann den Grundgedanken von Palmers Idee nachvollziehen. Man klage ja als Einzelhändler schließlich schon immer darüber, dass die Altstadt untergehe. Andereseits glaube er, dass  der Effekt im zeitlichen Verlauf schnell wieder verdampfe. Zudem sei grade für kleine  Händler der Sonntag "heilig", denn da könne man ausruhen. 

Ein Argument, das die Kirchen, aber doch auch einige unserer Befragten teilen. Ein gemeinsamer Tag sei wichtig für Familien, so der Tenor. Der freie Sonntag sei zudem ein Kulturgut, das erhalten werden müsse.Ein älterer Mann kann sich zwar vorstellen, dass der Einzelhandel einen Vorteil hätte. Der freie Sonntag sei ihm da aber wichtiger. Sowieso sei er nicht so sehr  fürs "Shoppen" zu haben.

Grade bei kleinen Läden zu viel Mehrabeit für die Beschäftigten-  das befürchtet nicht nur die Gewerkschaft verdi. Viele hätten schon heute sechs Tage von 8 bis 21 Uhr zu arbeiten. Durch mehr verkaufsoffene Sonntage werde das Verkaufspersonal noch mehr strapaziert - und berate eventuell dann schlechter.

Der Tübinger Mann mit seinem Gemüsestand auf dem Markt will uns noch etwas anderes sagen: wenn Palmer selbst dann auch 30 Sonntage im Jahrarbeitend da oben im Rathauis sitze, dann sei es recht. dann könne er darüber nachdenken.

Trotz aller Widerstände: Palmer will weiter für seine Idee und gegemn alle Wideerständekämpfen, für die das Land  das Ladenöffnungsgesetz ändern müsste. Vor zehn Jahren habe es nur Geschäfte und nochkeinen Online-Handel gegeben. Inzwischen mache dieser zehn bis 20 Prozent des Umsatzes aus. Die "abstrakten" Umsätze also brummten, während in den Innenstädten gleichzeitig immer mehr Läden schließen müssten.Und das könne und dürfe so nicht sein.

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