Die Umstellung der Zeit wurde 1916 erstmals eingeführt. "Diese großartige Reform erhöht für Millionen Menschen in diesem Land die Chancen für ein gesundes und glückliches Leben ", sagte Winston Churchill später in einer Lobesrede auf William Willett, der in Großbritannien die Idee der Zeitumstellung aufgebracht hatte.
Die von Churchill gepriesene Chance hat jedoch auch einen Preis, wie nun eine für die Menschen in Deutschland und Großbritannien repräsentative Studie auf Basis von Daten des SOEP sowie der Britischen Langzeitstudie „Understanding Society" (zuvor British Household Panel) zeigt. Die Berechnungen der Autoren Daniel Kühnle und Christoph Wunder belegen: In beiden Ländern geht die Zufriedenheit der Befragten in der Woche nach der Zeitumstellung zurück. Besonders stark sinkt die Zufriedenheit von Eltern kleiner Kinder. In der zweiten Woche nach der Zeitumstellung erreicht die Lebenszufriedenheit wieder ihr ursprüngliches Niveau. Umgerechnet bedeutet das für Deutschland: Das Einkommen der Haushalte müsste in der ersten Woche nach der Umstellung auf die Sommerzeit um etwa zehn Prozent steigen, um den geschätzten Rückgang der Zufriedenheit zu kompensieren.
Dass die Zufriedenheit nach der Zeitumstellung vorübergehend zurückgeht, erklären die Wissenschaftler nicht allein durch die körperliche Anpassung an einen neuen Tagesrhythmus. „Menschen erleben es als Belastung, wenn ihre frei verfügbare Zeit beschränkt wird", erklärt Studien-Autor Daniel Kühnle. „Das gilt besonders für Mütter und Väter, die ohnehin wenig Zeit für sich haben."
Die Forscher plädieren gleichwohl nicht dafür, die Zeitumstellung abzuschaffen. Sie schlagen vielmehr vor, Menschen für die durch die Zeitumstellung verlorene Stunde mit mehr Zeitsouveränität zu „entschädigen". „Eine Möglichkeit wäre zum Beispiel, in der Woche nach der Zeitumstellung mehr zeitliche Flexibilität am Arbeitsplatz zu ermöglichen", sagt Daniel Kühnle.
Für ihre für Deutschland und Großbritannien repräsentative Untersuchung hatten die Nürnberger Ökonomen die Daten von 29.653 im SOEP befragten Frauen und Männern ausgewertet, die von 1984 bis 2004 erhoben worden waren. Darüber hinaus analysierten sie die Angaben von 8.950 Teilnehmenden der vergleichbaren Haushaltspanelstudie „Understanding Society" (gestartet als British Household Panel), die von 2009 bis 2012 erhoben worden waren. In die Studie flossen die Angaben derjenigen Befragten ein, die zwei Wochen vor und nach der Zeitumstellung befragt worden waren.
Hintergrund SOEP
Das Sozio-oekonomische Panel (SOEP) ist die größte und am längsten laufende multidisziplinäre Langzeitstudie in Deutschland. Das SOEP im DIW Berlin wird als Teil der Forschungsinfrastruktur in Deutschland unter dem Dach der Leibniz-Gemeinschaft von Bund und Ländern gefördert. Für das SOEP werden seit 1984 jedes Jahr vom Umfrageinstitut TNS Infratest Sozialforschung mehrere tausend Menschen befragt. Zurzeit sind es etwa 30.000 Befragte in etwa 15.000 Haushalten. Die Daten des SOEP geben unter anderem Auskunft über Einkommen, Erwerbstätigkeit, Bildung, Gesundheit und Lebenszufriedenheit. Weil jedes Jahr dieselben Personen befragt werden, können nicht nur langfristige gesellschaftliche Trends, sondern auch die gruppenspezifische Entwicklung von Lebensläufen besonders gut analysiert werden.
Das SOEP befragt seit seinem Gründungsjahr 1984 jährlich mehr als 10.000 Personen zu ihrer Lebenszufriedenheit. Auf einer Skala von 0 bis 10 geben die Befragten an, wie zufrieden sie derzeit alles in allem mit ihrem Leben sind. Die Zahl null bedeutet „ganz und gar unzufrieden", zehn hingegen steht für „ganz und gar zufrieden". Die Zufriedenheitsforschung (in den Medien meist „Glücksforschung" genannt) hat sich in den vergangenen Jahren zu einem der wichtigsten Forschungsfelder auf der Basis von SOEP-Daten entwickelt. „Daten zur persönlichen Lebenszufriedenheit sind eine wichtige Größe bei der Messung von Lebensqualität", sagt SOEP-Direktor Jürgen Schupp. „Wer umfassende Aussagen zur Lebensqualität treffen möchte, muss neben den objektiven Lebensbedingungen auch die subjektive Lebenszufriedenheit im Blick haben".
Die Studie:
Kuehnle, Daniel and Christoph Wunder (2015): Using the life satisfaction approach to value daylight savings time transitions. Evidence from Britain and Germany. SOEPpaper Nr. 744, Berlin
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