Alzheimer-Demenz ist eine fortschreitende Gehirnerkrankung mit unbekannter Ursache - und unheilbar. Patienten verlieren ihr Gedächtnis, ihre Sprachfähigkeit, ihre Unabhängigkeit, ihre Beziehungen und letztendlich ihr Leben. Nicht nur für die Patienten selbst ist die Erkrankung eine enorme Belastung, auch Angehörige, welche oft bis zum Schluss selbst die Pflege eines geliebten Menschen übernehmen, bringt das Leben mit Alzheimer an ihr Limit.
Geschätzte 1,5 Millionen Menschen leiden in Deutschland an einer Demenz. Rund zwei Drittel davon sind von der häufigsten Erkrankungsform Alzheimer betroffen. Die Dunkelziffer liegt vermutlich höher. Betroffen sind vor allem ältere Menschen, wobei die Krankheitsprozesse im Gehirn schon viele Jahre vor Auftreten der ersten Symptome beginnen. Mit steigender Lebenserwartungen könnte sich die Zahl der Erkrankten in Deutschland bis zum Jahr 2050 auf etwa 3 Millionen erhöhen und damit eine erhebliche Belastung für das Gesundheitssystem darstellen - es sei denn, bis dahin ist ein Medikament auf dem Markt verfügbar, das die Progression stoppen oder die Krankheit heilen kann.
Alzheimer - wenn das Gehirn krank wird
Die Ursachen der Alzheimer-Krankheit sind noch unbekannt. Sicher ist jedoch: Die gehirnverändernden Krankheitsprozesse beginnen schon viele Jahre vor dem Auftreten der ersten klinisch erkennbaren Symptome - zu diesem Zeitpunkt sind bereits etwa 70 Prozent der Zellen zerstört. Zwei Veränderungen im Gehirn gelten als wesentliche Merkmale von Alzheimer:
Während des Fortschreitens von Alzheimer nimmt das Hirngewebe umfassend ab und die Synapsen zwischen den Nervenzellen arbeiten nur noch schlecht oder gar nicht mehr. Man geht von einer durchschnittlichen Erkrankungsdauer von sieben Jahren aus - immer mit tödlichem Verlauf.
Das Rätsel Alzheimer - eine Sackgasse der Forschung?
Derzeit befinden sich gerade einmal vier Medikamente zur Behandlung von Alzheimer auf dem Markt. Die kognitiven Symptome können damit zwar kurzzeitig verbessert werden, der Krankheitsverlauf wird dadurch aber nicht aufgehalten. Innovative Medikamente werden dringend gebraucht, um die Erkrankung wirksam zu behandeln, zu verlangsamen oder gar davor zu schützen.
Es gibt unterschiedlichste Forschungsbemühungen mit vielen potentiellen Wirkstoffkandidaten. Aber: Erfolg kommt nicht über Nacht. Jede Medikamentenentwicklung ist sehr komplex und langwierig - bis zur Marktreife ist es meist ein steiniger Weg, gepflastert mit vielen Rückschlägen. Das gilt umso mehr, wenn es um Alzheimer geht: Seit 1998 gab es über 100 gescheiterte Forschungsversuche. Im Vergleich dazu wurden im selben Zeitraum nur drei neue Medikamente auf den Markt gebracht. Die Erfolgsquote liegt somit bei unter 3 Prozent. Die Forscher sehen aber in jedem Rückschlag auch die Hoffnung, wieder etwas mehr über Alzheimer gelernt zu haben. Die hier gewonnenen Erkenntnisse können zu nächsten Schritten oder neuen Lösungsansätzen führen. Rückschläge dürfen nicht als Sackgasse gesehen werden, sondern vielmehr als Chance für einen Neustart.
Trotz der bisher gesammelten Erkenntnisse bei der Erforschung von Alzheimer, sind weiter viele Fragen ungeklärt: Die zugrundeliegenden Ursachen und Mechanismen geben noch viele Rätsel auf. Das erschwert es den Wissenschaftlern, die richtigen Zielpunkte für Studien zu definieren, die gefährdeten Patienten zu identifizieren oder die richtige Population auszumachen, in der ein Wirkstoff getestet werden soll. Die enormen Kosten für Forschung und Entwicklung in diesem Bereich und auch die potenziellen Rückschläge nehmen viele Pharmaunternehmen in Kauf, denn dem Gewinner im Rennen um die erste erfolgreiche Markteinführung eines Medikaments, das Alzheimer heilen oder wirksam behandeln kann, winken Umsatzrenditen in Milliardenhöhe.
So früh wie möglich: Verfall im Gehirn stoppen
Genau darin bestehen Ansatz und Schwierigkeit: Eine möglichst frühe Alzheimer-Behandlung - die aber setzt eine möglichst frühe Diagnose voraus. Ärzte können heutzutage zwar nach Auftreten von ersten Symptomen durch Messung der Gedächtnisleistung, Verlaufsbeobachtung der Erkrankung, Befragungen und Tests mit großer Wahrscheinlichkeit eine treffende Diagnose stellen bzw. andere Erkrankungen ausschließen. Dies ist aber unter Umständen ein langwieriger Prozess und im Grunde kann erst nach dem Tod durch Autopsie des kranken Gehirns zu hundert Prozent gesagt werden, ob es sich tatsächlich um Alzheimer gehandelt hat.
Es werden also Tools benötigt, die eine frühe und sichere Diagnose unterstützen können. Ein neu entwickelter Bluttest könnte in Zukunft dazu beitragen, frühzeitig eine Alzheimer-Erkrankung zu erkennen. Für einen validierten Einsatz zur Diagnosestellung sind allerdings noch weitere Studien mit einer größeren Zahl von Testpersonen nötig. Bereits zum Einsatz kommen kann dagegen das Radiopharmakon Florbetapir F18. Es wird intravenös injiziert, mittels PET können dann die Beta-Amyloid-Strukturen im Gehirn dargestellt werden und so eine erste Diagnose des behandelnden Arztes stützen.
Alzheimer-Medikamente in der Entwicklung - vorsichtiger Optimismus angebracht?
Ein wirksames Mittel gegen Alzheimer zu entwickeln hat bei vielen Pharmaunternehmen eine hohe Priorität. Über 70 potenzielle Wirkstoffkandidaten befinden sich aktuell in klinischen Studien (Phase I bis III). Eine Übersicht des Verbands der forschenden Arzneimittelhersteller e.V. (vfa) zeigt, welche Substanzen es bereits in die letzte Erprobungsphase geschafft haben (siehe Abb. 4). Das heißt aber nicht automatisch, dass diese Medikamente die letzte Hürde der Marktzulassung nehmen. Aktuelle Beispiele aus dem Jahr 2014 zeigen, dass es auch in Phase-III-Studien zu Rückschlägen und Abbrüchen kommen kann: Die moloklonalen Antikörper gegen Amyloid Solanezumab oder Gantanerumab zeigten keinen ausreichenden Nutzen bei Einsatz im frühen Stadium der Erkrankung.
Es gibt aber auch Hoffnungsträger, wie die beiden Betasekretase-Hemmer (BACE-Inhibitoren) MK-8931 und AZD 3293: Die Phase-III-Studien verlaufen bisher ohne Zwischenfälle, erste Ergebnisse werden 2016 bzw. 2017 erwartet. Auch ein anderer Therapie-Ansatz scheint erfolgversprechend: Der Tau-Aggregation-Inhibitor (TAI) Leuko-Methylthionium befindet sich ebenfalls nach positiven Phase-II-Ergebnissen in der klinischen Phase III-Prüfung. Erste Resultate soll es auch hier schon im Jahr 2016 geben.
Wie auch schon in der Vergangenheit der Zufall zu manch wichtiger Errungenschaft der Medizin geführt hat (man denke an die Entdeckung von Penicillin), so kam es jüngst auch in der Alzheimerforschung zu einem Zufallsfund: Ein als Placebo eingesetzter Impfverstärker (Adjuvans) zeigte in einer Phase-II-Studie mit Alzheimer-Patienten vor allem im Frühstadium eine bessere Wirksamkeit als das Prüfmedikament selbst. Nun wird AD04 für die Prüfung in Phase III vorbereitet. Ob mit dieser Substanz der lang ersehnte Durchbruch in der Behandlung von Alzheimer gelingt, wird die Zukunft zeigen.
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