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Durchbruch beim Neuroblastom? Gezielte ENzymblockade scheint zu helfen

Stand: 19.03.15 16:16 Uhr

Beim Neuroblastom, einem bösartigen Tumor, der vor allem bei Kindern auftritt, kann die gezielte Blockade eines krebsfördernden Enzyms das Tumorwachstum aufhalten. Die Krebszellen wachsen dadurch weniger aggressiv, wie Wissenschaftler im Deutschen Krebsforschungszentrum nun an Mäusen zeigten. Die Kombination mit einem Vitamin A-Abkömmling, der ebenfalls Nervenzellen ausreifen lässt, verbessert den Behandlungserfolg zusätzlich.

Neuroblastome, bösartige Tumoren, die vorwiegend bei Säuglingen und
Kleinkindern auftreten, entstehen aus Zellen des embryonalen Nervensystems.
Die Erkrankungen verlaufen extrem unterschiedlich. Manche bilden sich
spontan zurück, andere nehmen trotz intensiver Behandlung einen tödlichen
Ausgang.

Eine neue Klasse von Krebsmedikamenten könnte die Behandlung des
Neuroblastoms verbessern. Die Wirkstoffe hemmen die Aktivität der so
genannten HDAC-Enzyme, die als wichtiger Teil des epigenetischen
Steuersystems der Zelle an der Krebsentstehung beteiligt sind. Wirkstoffe
gegen HDAC-Enzyme bremsen das Krebswachstum, lassen die Krebszellen
ausreifen und sensibilisieren sie wieder für den programmierten Zelltod.

Das Problem sei jedoch, dass Breitband-HDAC-Inhibitoren, die alle
Mitglieder dieser Enzymgruppe hemmen, in ihrer therapeutisch wirksamen
Konzentration unangenehme Nebenwirkungen hätten, sagt Dr. Ina Oehme vom
Deutschen Krebsforschungszentrum.

Beim Menschen sind Gene für elf verschiedene klassische HDAC-Enzyme bekannt.
Die derzeit in Studien erprobten HDAC-Inhibitoren wirken unspezifisch auf
alle Mitglieder der Enzymgruppe. Das erklärt die Nebenwirkungen der
Substanzen, etwa Magen-Darm-Störungen, Blutbildveränderungen und das
Fatigue-Syndrom.

Ina Oehme und ihre Kollegen aus der Abteilung von Professor Dr. Olaf Witt
hatten kürzlich bereits gezeigt, dass beim Neuroblastom vor allem HDAC8 das
bösartige Krebswachstum antreibt. Die Wissenschaftlerin ging daher davon
aus, dass ein selektiver Wirkstoff, der ausschließlich HDAC8 hemmt, die
übrigen Mitglieder der Enzymfamilie nicht beeinträchtigt und damit weitaus
besser verträglich sein sollte als ein Breitspektrum-Inhibitor.

Dies konnte nun Inga Rettig, die Erstautorin der Arbeit, an Mäusen
bestätigen, denen Neuroblastomzellen übertragen worden waren. Die Forscher
verglichen dazu den Wirkstoff, der selektiv HDAC8 blockiert, mit einem
Breitband-HDAC-Inhibitor, der bereits für die Therapie einer bestimmten Art
von Lymphdrüsenkrebs zugelassen ist. Während das Medikament in seiner
klinisch wirksamen Dosierung zu Nebenwirkungen führte, blieb die Behandlung
mit dem selektiven Wirkstoff völlig nebenwirkungsfrei.

Das Wachstum der Neuroblastome konnte der selektive Wirkstoff genauso gut
oder sogar noch besser bremsen als der unspezifische HDAC-Inhibitor. Die
Behandlung mit dem HDAC8-Inhibitor ließ die Tumorzellen Merkmale reifer
Nervenzellen ausprägen. Ihre Teilungsrate verlangsamte sich und sie starben
vermehrt am programmierten Zelltod - eine Fähigkeit, die viele Krebszellen
verloren haben.

Die Forscher überlegten daraufhin, dass eine Kombination mit einem weiteren
Wirkstoff, der ebenfalls die Zelldifferenzierung fördert, die
anti-Tumor-Wirkung weiter steigern könnte. Eine solche Substanz ist
Retinsäure, ein Abkömmling des Vitamin A. Retinsäure wird beim Neuroblastom
sowie bei bestimmten Blutkrebsformen bereits als Medikament eingesetzt, um
die unreifen Vorläuferzellen in reife Zellen ausdifferenzieren zu lassen.

In der Tat erzielte die Kombination von HDAC8-Inhibitor und Retinsäure
synergistische Effekte, sowohl beim Wachstumsstopp als auch bei der
Ausreifung. Überdies enthielten die doppelt behandelten Zellen weniger des
krebsfördernden MYCN-Proteins. Der Grund für das günstige Zusammenwirken ist
nach Meinung der Forscher, dass HDAC8 und Retinsäure molekulare Gegenspieler
sind: Eine Blockade des Enzyms fördert daher die Differenzierung der
Krebszellen.

Bei einem Tumor wie dem Neuroblastom, der aus sehr unreifen Zellen besteh,
halte die Forschung  die Kombination der beiden Wirkstoffe für eine vielversprechende
Strategie, sagt Ina Oehme. Eine solche zielgerichtete Therapie, die
wachstumstreibende Veränderungen des Tumors mit einer intelligenten
Kombination aus mehreren selektiv wirkenden Substanzklassen angreife, sei
das Ziel der Forschung.

Jetzt gilt es zu prüfen, ob sich die experimentell erzielten Ergebnisse beim
Menschen bestätigen lassen. Die spezifischen HDAC8-Inhibitoren sind
allerdings noch nicht als Medikament zugelassen.

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