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Kirchliche Kinder- und Jugenadarbeit noch nicht anerkannt genug

Stand: 16.03.15 10:55 Uhr

Im Stuttgarter Hospitalhof hat heute die Frühjahrstagung der Synode der Evangelischen Landeskirche in Württemberg begonnen. Schwerpunktthema war dabei die Auswertung und Überlegung zu Konsequenzen zur Kinder- und Jugendstatistik Baden-Württemberg "Jugend zählt". Außerdem beschäftigten sich die Synodalen mit der Sinus-Kirchenstudie für Baden-Württemberg sowie der Japan-Hilfe.


„Jugend zählt" – Kinder- und Jugendstudie

Für Prof. Friedrich Schweitzer, Religionspädagoge an der Universität Tübingen, stellt die Gruppenarbeit nach wie vor den Kern der Jugendarbeit dar. Das ist ein Ergebnis der Studie „Jugend zählt" zur kirchlichen Kinder- und Jugendarbeit in Baden-Württemberg. In Württemberg nimmt demnach jeder fünfte Evangelische im Alter zwischen sechs und 20 Jahren an einer regelmäßigen Gruppe, beispielsweise einer Jungschar, teil. Mit mehr als 70.000 sei die Zahl der Ehrenamtlichen bei Kinder- und Jugendangeboten in den beiden evangelischen Landeskirchen besonders hoch. In Württem­berg beteiligen sich durchschnittlich pro Kirchengemeinde 40 ehrenamtliche Mitarbeiter. Dadurch gelinge eine sehr intensive Begleitung der Gruppenangebote. Oft kämen nur drei bis fünf Teilnehmende auf einen Mitarbeiter. Dies freilich würdige die Bildungspolitik nicht angemessen, so Friedrich Schweitzer: In der Bildungspolitik finde die Be­deutung der Kinder- und Jugendarbeit noch immer nicht die Anerkennung, die sie im Blick auf die Teilnehmenden ebenso verdiene wie hinsichtlich der ehrenamtlich Tätigen. Noch immer – und vielleicht muss man sogar sagen: im­mer mehr – werde die Schule als der einzig maßgebliche Ort des Lernens angesehen. Dass man anderswo vielleicht viel mehr lernen könne – nämlich für das Leben und für die Persönlichkeitsentwicklung –, das werde dann nicht nur übersehen, sondern durch eine immer weitere Ausdehnung von Schule unmöglich gemacht oder jedenfalls deutlich erschwert. Dabei habe für viele Leitungspersonen in Kirche, Politik und Gesellschaft die Jugendarbeit den Einstieg in ihr Engagement bedeutet.

Kirchen-Milieu-Studie

Die Mitglieder der evangelischen Landeskirchen in Württemberg und Baden gehören zu mehr als 70 Prozent den traditionell oder bürgerlich orientierten Milieus der Ober- und Mittelschicht an. In postmodern-experimentell orientierten oder prekären Milieus sind die Kirchen dagegen deutlich unterrepräsentiert. Dies ist eines der Ergebnisse der Sinus-Milieustudie „Evangelisch in Baden und Württemberg", die Prof. Heinzpeter Hempelmann vor der Synode vorstellte. Drei Viertel der Evangelischen wollen der Studie zufolge „nie" und weitere 16 Prozent „wahrscheinlich nicht" aus ihrer Kirche austreten. Nur zwei Prozent seien dagegen zum Austritt entschlossen. Das seien Werte, die noch nicht einmal von der katholischen Kirche erreicht würden, freute sich Hempelmann. Bei denen, die ihrer Kirche eher distanziert gegenüberstehen, seien die drei Hauptgründe „fehlende inhaltliche Passung, mangelnde Relevanz oder ‚enttäuschte Liebe'", erklärte Hempelmann. Den solchermaßen Betroffenen müsse man ganz unterschiedlich begegnen, doch liefere die Sinus-Studie dafür „phantastisches Material".

Bilanz Japan-Hilfe

Unmittelbar nach dem vierten Jahrestag der Dreifachkatastrophe in Japan vom 11. März 2011 zog die Synode eine Bilanz über ihre Hilfsmaßnahmen. Masami Kato vom YWCA Japan (Young Women's Christian Association), berichtete, dass die radioaktive Verseuchung in der Umgebung von Fukushima immer noch hoch und die Gegend nicht sicher sei. Bei dort lebenden Kindern zeigten sich bereits Schilddrüsenveränderungen. Der YWCA habe für Familien von Fukushima unter anderem ein Kinder-Ferienprogramm in unbelasteten Gegenden gestartet, so Kato. In Fukushima selbst gebe es das „Second House Project", das kostenlose Wohnungen in nicht von Radioaktivität betroffenen Gegenden zur Verfügung stellt und es Familien ermöglicht, für bis zu 14 Tage an einen sicheren Ort in Japan zu verreisen. Die von der württembergischen Landeskirche erhaltene Spende werde für die Deckung eines großen Teils dieser Ausgaben verwendet. Dafür wolle er sich ganz herzlich bedanken.

Die Evangelische Landeskirche Württemberg hatte nur wenige Tage nach der Katastrophe 2011 einen Hilfsfonds mit einer Million Euro eingerichtet. Außerdem entsandte sie Pfarrerin Sabine Kugler nach Japan, um Gemeinden vor Ort zu unterstützen. Mit dem Geld konnte Projekten der japanischen Kirchen finanziell unter die Arme gegriffen werden. So wurden beispielsweise 110.000 Euro für Seelsorge in Notunterkünften und Neubaugebieten zur Verfügung gestellt. Des Weiteren beteiligt sich die Landeskirche mit 15.000 € an der Finanzierung einer internationalen Konfe­renz zur Nuklearenergie. Diese Konferenz soll 2016 in Japan stattfinden und sich mit dem Thema „Gegen den Glau­ben sicherer Nuklearenergie" auseinandersetzen. Direkt im Krisengebiet Fukushima konnte ein Indoor-Spielplatz für Kinder, die aufgrund der erhöhten Radioaktivität nur sehr selten draußen spielen können, mit 20.000 € gefördert werden. Und auch die Folgen und Spätfolgen der nuklearen Katastrophe waren im Blick der Hilfsgelder. So wurden Schulen mit Geigerzählern ausgestattet oder Schilddrüsenkrebs-Vorsorgeuntersuchungen finanziert.

Ausblick

Am Freitagabend lassen sich die Synodalen von mehr als 100 in der Kinder- und Jugendarbeit Engagierten über die Praxis der Kinder- und Jugendarbeit informieren. Eine von Jugendlichen gemeinsam mit dem Leiter des Evangelischen Jugendwerks (EJW), Gottfried Heinzmann, gestaltete Andacht am Lagerfeuer im Innenhof des Hospitalhofs beschließt den Synodaltag.

Am morgigen Samstag setzen die Synodalen ihre Tagung mit Beratungen zu dem Schwerpunktthema Kinder- und Jugendstatistik, dem ersten Nachtragshaushalt 2015 sowie Berichten zu Flüchtlingsarbeit und den „Kursen zum Glauben" fort.

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