Schmerz trifft Emotion
Die Wissenschaftler wählten folgenden Versuchsaufbau: 41 Studienteilnehmer erhielten über zehn Minuten schmerzhafte Hitzereize auf die Hand, die während des gesamten Zeitraums in ihrer Stärke variierten. Mit der anderen Hand sollten die Probanden mit Hilfe eines Schiebreglers kontinuierlich die momentan empfundene Schmerzstärke auf einer Skala von eins bis hundert bewerten.
„Das Ergebnis hat uns selbst sehr verblüfft: Schon über wenige Minuten veränderte sich die subjektive Schmerzwahrnehmung der Teilnehmer – sie spürten zum Beispiel Änderungen des Schmerzes, wenn der objektive Reiz unverändert blieb. Die Empfindung von Schmerz löste sich somit bereits über wenige Minuten vom objektiven Reiz", beschreibt Markus Ploner die Ergebnisse.
Bisherige Studien zeigten, dass kurze Schmerzreize eher von sensorischen Hirnbereichen wahrgenommen werden. Diese verarbeiten die Signale aus den Sinnesorganen wie zum Beispiel der Haut. Bei den Experimenten mit langandauernden Schmerzen präsentierte sich den Wissenschaftlern im EEG aber ein anderes Bild: hier waren auch emotionale Hirnbereiche aktiv.
„Dauert ein Schmerz über einen längeren Zeitraum an, so wandelt er sich offensichtlich von einem reinen Wahrnehmungsprozess zu einem mehr emotionalen Prozess. Diese Erkenntnis ist hochinteressant für die Diagnose und Therapie von chronischen Schmerzen bei denen der Schmerz über Monate und Jahre andauert", so Ploner, der auch Oberarzt an der Neurologischen Klinik am
TUM Klinikum rechts der Isar ist.
Placebo verändert Schmerzwahrnehmung
Dass nicht nur die Dauer, sondern alleine die Erwartung an einen Schmerzreiz die Wahrnehmung beeinflusst, zeigte ein zweites Experiment. Zwanzig Probanden erhielten zuerst unterschiedlich starke schmerzhafte Laserpulse abwechselnd auf zwei Bereiche auf ihrem Handrücken. Die Wahrnehmung eines jeden Schmerzreizes wurde anschließend mündlich bewertet. Im weiteren Verlauf des Experiments erhielten sie die gleichen Reize noch einmal mit dem Unterschied, dass vorher beide Bereiche eingecremt wurden. Obwohl beide Cremes wirkstofffrei waren, bekamen die Probanden gesagt, dass eine der Cremes eine schmerzlindernde Wirkung habe.
Das Ergebnis: „Die Probanden bewerteten die Schmerzen auf dem Hautbereich mit der angeblich schmerzlindernden Creme signifikant schwächer als auf der anderen Hautstelle", so Prof. Ploner. Die Wissenschaftler konnten diesen Placebo-Effekt auch im Gehirn sichtbar machen: obwohl die Probanden die gleichen Schmerzreize erhielten, feuerten die Nervenzellen beim zweiten Durchlauf ein anderes Muster von Signalen.
„Unsere Ergebnisse zeigen, wie unterschiedlich unser Gehirn sogar objektiv gleiche Schmerzreize verarbeitet. Dieses komplexe neurologische Phänomen ‚Schmerz' im Gehirn systematisch zu kartieren und besser zu verstehen, ist eine große Herausforderung – für eine bessere Therapie von Schmerzpatienten aber dringend notwendig.", meint Professor Ploner.
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