Diese Zahlen allein lassen noch keine Rückschlüsse auf eine geschlechtsspezifische Wirkung von Tarifverträgen zu. Zu viele Faktoren würden den Einfluss der Tarifbindung überlagern. Schließlich verteilen sich Männer und Frauen weder gleichmäßig über Branchen und Betriebstypen, noch haben sie die gleichen Berufsabschlüsse. Solche strukturellen Unterschiede müssen zuerst herausgerechnet werden, um den Effekt von Tarifverträgen zu isolieren. Deshalb haben die WSI-Forscher Marc Amlinger und Dr. Reinhard Bispinck die Daten um die wesentlichen Effekte bereinigt, die für die Verdienstunterschiede zwischen Frauen und Männern verantwortlich sind, etwa die überdurchschnittlich häufige Beschäftigung von Frauen in Berufen mit schlechter Bezahlung. Im Ergebnis werden nun nur noch Frauen und Männer mit gleichem Beruf und vergleichbarer Tätigkeit verglichen. Und es zeigt sich: Eine Tätigkeit zu Tarifkonditionen beschert Männern einen Verdienstvorteil von 6,6 Prozent. Bei Frauen beträgt das Plus jedoch 9,2 Prozent (siehe auch die Grafik).
In Branchen mit hohem Frauenanteil und geringer Tarifbindung fällt der Tarifvorteil für Frauen sogar noch höher aus. Im Einzelhandel beträgt er beispielsweise 17,3 Prozent.
Dass weibliche Beschäftigte besonders von Tarifverträgen profitieren, dürfte unter anderem an den verbindlichen Vorgaben zur Eingruppierung in die tariflichen Entgeltgruppen liegen, vermuten die Wissenschaftler. Zudem hätten tarifgebundene Betriebe häufiger Betriebsräte als tariflose Firmen. Auch dies sei ein wichtiger Faktor, denn Betriebsräte setzten sich für eine diskriminierungsfreie Lohnstruktur im Unternehmen ein. „Damit tragen Tarifverträge und betriebliche Mitbestimmung nicht nur zu einem insgesamt vergleichsweise hohen und ausgeglichenen Einkommensniveau bei, sondern auch zu mehr Entgeltgleichheit zwischen Frauen und Männern", folgern Amlinger und Bispinck.
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