Die Entdeckung begann mit einer Schrecksekunde: Während der aktuellen Expedition des Forschungsschiffs SONNE im tropischen Atlantik lassen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an Bord regelmäßig einen sogenannten Epibenthosschlitten auf den mehrere tausend Meter tiefen Meeresgrund hinab. Das rund drei Meter lange Spezialgerät sammelt dort biologische Proben und nimmt gleichzeitig Bilder auf. Doch während eines Einsatzes Anfang der Woche schien sich der Schlitten am Meeresboden verhakt zu haben.
Gespannt warteten Schiffsbesatzung und Wissenschafts-Crew darauf, ob er heil wieder an Bord kommen würde. Als der Schlitten tatsächlich wieder auf dem Arbeitsdeck der SONNE angekommen war, wich die Spannung großer Überraschung und wissenschaftlicher Entdecker-Freude: Die Sammelnetze, in denen sich am Boden lebende Tiefseeorganismen verfangen sollten, waren gefüllt mit Manganknollen. „Das hatten wir an dieser Stelle so nicht erwartet", sagt der Fahrtleiter der Expedition, der Geologe Professor Dr. Colin Devey vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel.
Die Erz-Knollen, die der Schlitten an die Oberfläche mitgebracht hatte, sind sehr gleichmäßig geformt und reichen von Golfball- bis Kegelkugel-Größe. Mit Wachstumsraten zwischen einem und fünf Millimetern in einer Million Jahre könnten einige der Knollen über 10 Millionen Jahre alt sein. Fotos, die der Epibenthosschlittens aufgenommen hat, ergaben, dass die Knollen in dem untersuchten Bereich dicht an dicht auf dem Boden des Atlantiks liegen.
„Manganknollen finden sich zwar in allen Meeren. Aber die größten Vorkommen sind aus dem Pazifik bekannt. Knollen dieser Größe und in dieser Dichte sind aus dem Atlantik bisher nicht bekannt", sagt Devey. Auch die Biologen an Bord, deren Geräte für den Zufallsfund gesorgt haben, äußerten sich begeistert: „Diese Entdeckung zeigt uns, wie wenig wir die Meeresböden der Tiefsee kennen und wie viel spannende Erkenntnisse noch auf uns warten", sagt Prof. Dr. Angelika Brandt vom Centrum für Naturkunde der Universität Hamburg.
„An dieser Station waren nur sehr wenige Organismen in dem Netzfang mit den Manganknollen zu finden. Möglicherweise finden Lebewesen in unmittelbarer Umgebung der Knollen keine guten Lebensbedingungen vor. Anders sah der zweite Epibenthosschlittenhaul dieser Station aus, der über einer durchgehenden Mangankruste gesammelt hat, über der eine dickere Sedimentschicht lag. Hier waren im Netzbecher schon viele Organismen mit dem bloßen Auge zu sehen und wir freuen uns bereits jetzt auf die Auswertung dieser Probe."
Manganknollen sind kugel- oder blumenkohlförmige Erzklumpen, die meist in Tiefen unterhalb von 4000 Metern auf den großen Tiefseeebenen liegen. Sie bestehen nicht nur aus dem namengebenden Mangan, sondern enthalten auch Eisen sowie begehrte Metalle wie Kupfer, Cobalt oder Zink. Deshalb sind sie seit den 1970er Jahren als eine mögliche Rohstoffquelle im Gespräch. Aufgrund der großen Wassertiefen und des damit verbundenen technischen Aufwandes sowie potenzieller Umweltschäden bei der Förderung ist ein Abbau derzeit allerdings noch nicht absehbar.
Gleichzeitig sind Manganknollen wissenschaftlich hochinteressant, weil sie als Klima- und Umweltarchiv genutzt werden können. Manganknollen wachsen ähnlich wie eine Perle schalenförmig um einen Nukleus herum und zeichnen dabei viele Informationen über die jeweils herrschenden Umweltbedingungen auf. Da die Knollen sehr langsam wachsen, ermöglichen sie mit entsprechend feinen Analysemethoden eine sehr weit in die Erdgeschichte zurück reichende Umweltrekonstruktion.
Im diesem Jahr sind mehrere Ausfahrten der SONNE zu Manganknollenfeldern im Pazifik geplant. Dabei geht es unter anderem um die Frage, welche Rolle die Manganknollen für die Ökosysteme am Meeresboden spielen und welche Umweltrisiken mit einem möglichen Abbau der Knollen verbunden wären.
„Wir setzen unser geplantes Programm fort. Aber die gewonnenen Proben werden in den Laboren an Land auf jeden Fall eingehend untersucht. Jetzt sind wir gespannt, welche Überraschungen der Atlantik noch für uns bereithält", sagt Professor Devey. Am 26. Januar soll die Expedition in Santo Domingo (Dominikanische Republik) enden.
(GEOMAR)
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