Thermostat an Heizung | Bildquelle: pixelio.de - Rainer Sturm Foto: pixelio.de - Rainer Sturm

Deutschland:

Energetische Gebäudesanierung: Umweltschützer und Wirtschaft kritisieren Aus für Steuerbonus

Stand: 27.02.15 11:22 Uhr

Der geplante Steuerbonus für die energetische Gebäudemodernisierung steht auf der Kippe - das erzürnt Umweltschützer und die Wirtschaft. Der NABU besteht auf Steueranreizen, um die Energiewende voran zu bringen, das Heizungstechnik-Unternehmen Stiebel Eltron wird noch deutlicher: "Dilettantismus" wirft die Firma der Politik vor. Der Koalitionsausschuss der Schwarz-Roten Bundesregierung ist sich über die Finanzierung des Steuerbonus uneins.

 Demnach blockiert unter anderem die bayrische Staatsregierung die Gegenfinanzierung durch Streichen des Handwerkerbonus. Allerdings war diese Haltung bereits seit den Gesprächen zwischen den Ministerpräsidenten der Länder und Bundeskanzlerin Merkel Ende 2014 bekannt, bemängelt der NABU. Das Bundesfinanzministerium von Wolfgang Schäuble (CDU) habe es jedoch versäumt, einen Kompromiss vorzulegen. Das Bundeswirtschaftsministerium von Sigmar Gabriel (SPD) schlug vor, statt des Steuerbonus die Zuschussprogramme der KfW aufzustocken.

NABU-Präsident Olaf Tschimpke fordert Bund und Länder auf, die Gespräche zum Steuerbonus für die energetische Gebäudemodernisierung wieder aufzunehmen. Statt gegenseitigen Schuldzuweisungen bedarf es der konstruktiven Zusammenarbeit aller Beteiligten. An Steueranreizen führt kein Weg vorbei, wenn die Energiewende im Gebäudesektor zum Erfolg werden soll. Sie sind ein wichtiger Baustein für den Klimaschutz und die Umsetzung des Nationalen Aktionsplans Energieeffizenz, den die Bundesregierung im Dezember 2014 verabschiedet hat. Das Bundesfinanzministerium ist aufgefordert, einen Kompromissvorschlag auszuarbeiten. Ansonsten droht die Politik bei einem so wichtigen Thema zum Nachteil von Millionen Hauseigentümern und Energiewende zu versagen. Das Aufstocken der KfW-Zuschussprogramme ist allein keine hinreichende Alternative."

"Wenn nun auch der zweite Anlauf für eine steuerliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung scheitern würde, wäre dies ein energieeffizienzpolitisches Debakel", sagt Stephan Kohler, Sprecher der Allianz für Gebäude-Energie-Effizienz (geea) anlässlich der offensichtlich gescheiterten steuerlichen Förderung der energetischen Gebäudesanierung.

"Das Förderprogramm ist ein dringend benötigter Impuls für den Markt der energetischen Gebäudemodernisierung. Energieeffizienz muss als zweite Säule der Energiewende gestärkt werden. In der Politik herrscht Einigkeit über die positiven Effekte - vom Klimaschutz über mehr Unabhängigkeit von Energieimporten bis hin zu Konjunktureffekten. Es kann nicht sein, dass nun Umsetzungsfragen für das Aus dieses wichtigen Vorhabens verantwortlich sein sollen. Diese politischen Streitigkeiten machen deutlich, dass wir von einer konsequenten Energieeffizienzpolitik in Deutschland noch weit entfernt sind. Wenn die steuerliche Förderung nicht kommt, würde ein wichtiges Standbein sowohl des Nationalen Aktionsplans Energieeffizienz als auch des Aktionsprogramms Klimaschutz fehlen. Zudem wirkt sich eine solch unstetige Politik massiv auf die Akzeptanz und das Vertrauen der Bürger aus, die aber für die Umsetzung der Energiewende dringend benötigt werden. Die geea fordert die verantwortlichen Politiker auf, sich möglichst schnell auf einen von allen Seiten akzeptierten Vorschlag zu einigen", so Kohler weiter.

Die Allianz für Gebäude-Energie-Effizienz (geea) ist ein branchenübergreifender Zusammenschluss führender Vertreter aus Industrie, Forschung, Handwerk, Planung, Energieversorgung und Finanzierung. Die Deutsche Energie-Agentur (dena) hat die geea initiiert und koordiniert ihre Aktivitäten.

Unternehmer erbost: "Dilettantismus!"

"Das ist eine Katastrophe", kommentiert Rudolf Sonnemann. Der Geschäftsführer des deutschen Mittelständlers Stiebel Eltron, einem führenden Unternehmen im Bereich der Erneuerbaren Energien in der Haustechnik, hat kein Verständnis mehr für die deutsche Politik: "Nach und nach wird die Energiewende abgesagt. Da muss man die Prioritäten der Bundesregierung in Frage stellen. Auf der einen Seite kümmern sich Schäuble, Gabriel und Co. mit großem Engagement um Griechenland, auf der anderen Seite werden Themen, die für die deutsche Wirtschaft wichtig sind, einfach dilettantisch behandelt. Die Gefährdung deutscher Arbeitsplätze wird dabei anscheinend billigend in Kauf genommen."

Energiewende bedeute in erster Linie Wärmewende, sagt Sonnemann, und hier sei die deutsche Heizungsindustrie eigentlich hervorragend aufgestellt: "Wir sind aktuell noch die Experten für erneuerbare Energien im Heizungsbereich. Der Bundesregierung aber scheint diese Industrie nicht nur egal zu sein, sondern man hat im Gegenteil sogar den Eindruck, wir sind nicht erwünscht. Beinahe wöchentlich werden uns neue Knüppel zwischen die Beine geworfen. So wird eine an sich gesunde zukunftsorientierte Branche in den Tod getrieben. Die innovative Heizungsbranche in Deutschland wird ein weiteres Abwarten und Hinhalten nicht ohne Schaden verkraften können. Die Umsätze der Erneuerbare-Energien-Technik gehen weiter zurück."

Die Glaubwürdigkeit deutscher Politiker und damit das Vertrauen in die Regierung sind für den Firmenchef massiv gesunken: "In den letzten zwei bis drei Jahren waren wir mit Heerscharen politischer Vertreter im Gespräch. Ob EU-, Bundes- oder Landespolitiker - sie alle nicken mit dem Kopf, wenn wir unsere Unternehmensphilosophie der konsequenten Ausrichtung auf die erneuerbaren-Energien präsentieren, bestärken uns darin, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Und dann scheinen sie das alles vergessen zu haben, sobald sie hinter verschlossenen Türen sitzen und es darum geht, Entscheidungen zu treffen und auch umzusetzen. Ganz ehrlich - bei vielen Umwelt- und Wirtschaftpolitikern bin ich mittlerweile versucht, von einem Etikettenschwindel zu sprechen." Besonders fatal sei die Unzuverlässigkeit: "Da stellt sich ein Bundesminister hin und erzählt, die steuerliche Abschreibung kommt - bald. Also warten die Bürger ab, anstatt die notwendige Sanierung der Heizungsanlage anzugehen. Dann kommen die Diskussionen mit anderen Ministerien und Ländern, und dann heißt es: Die steuerliche Abschreibung kommt später - vielleicht. Also warten die Bürger weiter ab. Und jetzt heißt es gar, für viele völlig überraschend: Die steuerliche Abschreibung kommt nicht. Für dieses lächerliche Hin und Her gibt es nur eine Bezeichnung: Dilettantismus. Wenn es nicht ein gesellschaftlich, wirtschaftlich und ökologisch so brisantes Thema wäre, könnte man tatsächlich von Slapstick sprechen."

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