Projekt von Pflegeschülern | Bildquelle: RTF.1

Tübingen:

Projekt von Pflegeschülern des UKT nimmt Obdachlose und ihre Pflegesituation in den Blick

Stand: 26.02.15 17:54 Uhr

Aktuell sollen in Deutschland rund 284.000 Menschen auf der Straße leben. Tendenz steigend. Bis 2016, so Prognosen, sollen es schon rund 380.000 Menschen sein. Ein Problem, vor dem man nicht die Augen verschließen kann. So haben es auch die Pflegeschüler der Klasse 12HB am Universitätsklinikum Tübingen gesehen und sich entschlossen, das Thema Obdachlosigkeit in einem Projekt aufzugreifen. Die Fragestellung der Schüler: bedeutet obdachlos gleich pflegelos? Das Ergebnis haben sie gestern der Öffentlichkeit vorgestellt.


Ein Leben auf der Straße – kaum einer, der das nicht erlebt oder gar überlebt hat, kann wissen, wie das ist. Obdachlose führen ein Leben am Rande der Gesellschaft. Dass sie auf der Straße leben, wird von vielen möglicherweise als Versagen gewertet, ihr Dasein allzugerne ausgeblendet oder zur Seite geschoben. Dennoch sind sie ein Teil unserer Gesellschaft und es wert, sich Gedanken über sie und ihr Leben zu machen. Zu diesem Schluss sind die Pflegeschüler der Tübinger Uniklinik gekommen und haben sich in einem Projekt damit auseinandergesetzt und ihre eigene Einstellung zur Obdachlosigkeit entwickelt.

Früher wenn sie durch die Stadt gelaufen sei und einen Obdachlosen gesehen habe, schildert Pflegeschülerin Janina Rieger, dachte sie, es könne doch nicht sein dass diese Menschen in Deutschland auf der Straße leben müssten. Jetzt sei ihr klar geworden, wie schwer es vielen falle zum Amt zu gehen. Für sie sei es deshalb eine schöne Erfahrung gewesen, mit Obdachlosen in Kontakt zu kommen und mehr über ihre Lebensgeschichten zu erfahren.

In Rahmen des Projekts besuchten die Schüler unter anderem Vesperkirchen in der Region, begleiteten mobile Versorgungsstationen oder besuchten Notunterkünfte. Dabei sei ihr aufgefallen, so Rieger, dass unter sich unter den Obdachlosen auch viele Menschen befänden, die einmal Top-Manager gewesen und dann abgestürzt seien. Sie nehme aus dem Projekt die Erkenntnis mit, dass es wichtig sei auf diese Menschen ohne Vorurteile zuzugehen.

Denn neben dem Problem dass es Angebote für Obdachlose gibt, von denen viele gar nicht wissen, sind es vor allem Vorurteile und Hemmnisse, die dazu führen, dass die durchaus vorhandenen Pflegemöglichkeiten, nicht genutzt werden.

"Die Angst, ich bin anders – werde ich anders behandelt? Ich rieche anders – hält das andere Menschen, die sauber in weiß gekleidet auf mich zugehen, davon ab mich wahrzunehmen als jemand der tatsächlich auch ein Mensch ist? Diese Schamgrenzen aufzuzeigen, und erst wenn sie aufgezeigt sind, dann auch abzubauen, ist denke ich ein Stück weit das Zentrale", erklärt Uwe Krämer Leiter der Schule für Pflegeberufe am UKT.

Auch die Drogenabhängigkeit vieler Obdachloser mache es sehr schwer, sie medizinisch zu versorgen, weiß Helmut H. Schmid der Geschäftsführer und Verlagsleiter der Obdachlosenzeitung "Trott-war". Menschen die auf der Straße lebten und zugleich Drogenabhängig seien, würden niemals von sich selbst aus einen Arzt oder ein Krankenhaus besuchen. Weil das oft zur Folge habe, dass sie einen Entzug machen müssten. Weil der Entzug dann nicht freiwillig stattfände, würden sie auch noch den Rest ihrer Selbstbestimmung verlieren. Zudem hätten viele leider auch schon längst mit ihrem Leben abgeschlossen.

Die Folgen der Nicht-Inanspruchnahme von Hilfemaßnahmen hat gerade für Obdachlose allerdings sehr schwerwiegende Folgen: "Ein Beispiel. Ein Mensch mit einer Trombose ist jahrelang nicht zum Arzt gegangen und dann ist er über das Wochenende gestorben, weil sich ein Blutgerinsel gelöst hat. Und das hätte vermieden werden können, wäre er einmal zum Arzt gegangen. Anderes Beispiel: ich habe heute [...] gestern Einen zum Arzt geschickt dessen Bein schwarz war, wahrscheinlich ein Raucherbein. Ich nehme an, dass es heute abgenommen wird", berichtet Schmid.

Das einzige Gegenmittel: Vertrauen aufbauen. Und dafür muss auch das Pflegepersonal auf die Begegnung mit Obdachlosen und ihre Probleme vorbereitet werden. Deshalb soll das Thema Pflege und Versorgung von Obdachlosen künftig ein fester Bestandteil im Lehrplan der Pflegeschüler am UKT sein.

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