Bei der potenziellen Gefährdung des Wohlstands in Deutschland gibt es einen deutlichen Unterschied zwischen der allgemeinen und der persönlichen Einschätzung. Während 58 % der Befragten den Wohlstand der Menschen in Deutschland als gefährdet sehen, empfinden sich vier von fünf Befragten (79 %) kaum davon betroffen.
Die Kommunikationswissenschaftlerin der Universität Hohenheim, Prof. Dr. Claudia Mast, sieht die gefühlte Betroffenheit bei den Befragten derzeit noch als gering: Niedrige Zinsen, wenig attraktive Lebensversicherungen, Währungsturbulenzen – unangenehme Nachrichten erreichten die Bürger durchaus, würden aber noch nicht als bedrohlich für den eigenen Wohlstand angesehen.
Ermittelt wurden diese Ergebnisse in einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage durch forsa. Vom 12. bis 21. Januar 2015 nahmen insgesamt 1.007 Bürger an der Umfrage im Auftrag der Universität Hohenheim und der ING-DiBa AG teil.
Ein Drittel der Befragten sieht die Demokratie gefährdet
Dennoch kann die Ruhe der Befragten trügerisch sein, warnt die Expertin der Universität Hohenheim, denn so sehr die befragten Bürger gefühlsmäßig die Risiken für ihren Wohlstand wegschieben oder gar verdrängen, so klar sei doch ihr Blick für die Wohlstandsrisiken in der Gesellschaft und deren negative soziale Konsequenzen.
83 % der Befragten geben die Überzeugung an, dass die Gefährdung des Wohlstands die sozialen Unterschiede vergrößert. 56 % sehen die Werte und den Zusammenhalt der deutschen Gesellschaft gefährdet. 80 % sind davon überzeugt, dass diese Entwicklung die Gesellschaft noch lange beschäftigen wird, vor allem da nur 16 % glauben, dass die Verantwortlichen diese Gefahren im Griff haben.
37 % gehen sogar davon aus, dass diese Entwicklungen die Demokratie beeinträchtigen werden. 28 % vermuten, dass die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft darunter zu leiden hat. Die Ergebnisse der Umfrage zeigen somit vor allem, wie unterschiedlich die Einschätzung der eigenen Lage und die Einschätzung von Risiken im Umfeld sind.
Kommunikationsprofessorin warnt Politiker vor trügerischer Ruhe
Aus Sicht des Einzelnen kann die Kommunikationsprofessorin Mast diese Ergebnisse nachvollziehen – warnt aber vor den gesellschaftspolitischen Konsequenzen. Unangenehmes versuchten Menschen meist so lange wie möglich von sich wegzuschieben oder gar auszublenden, so Prof. Mast. Die politische Rhetorik unterstütze diese Haltung und lege sich wie Mehltau über Risiken und Gefahren.
So gesehen könne sich die Ruhe der befragten Bürger als trügerisch erweisen. Sie könne plötzlich umschlagen, wenn unangenehme Fakten und Entwicklungen, z. B. in der Folge der neuen griechischen Politik, für den Einzelnen spürbar werden würden, so Mast.
Angesichts möglicher Krisen könnten Bürger zunehmend emotional agieren
Wohlstand spricht das Sicherheitsbedürfnis der Menschen an. Und wenn dieser reduziert werde – durch sinkende Reallöhne oder offenkundige Lücken in der Altersversorgung – setzen meist schwer kalkulierbare Prozesse der Meinungsbildung ein, warnt die Expertin der Universität Hohenheim. Dann gäben nämlich Emotionen den Ton an.
Man könne diese Prozesse mit dem abstrakten Krankheitsrisiko und der unangenehmen Diagnose beim Arzt vergleichen. Wer gesund sei, könne viele Nachrichten über Krankheiten relativ gelassen zur Kenntnis nehmen. Nach den ersten Anzeigen einer Erkrankung oder aber einer klaren Diagnose würden viele Menschen sehr unterschiedlich reagieren – von hysterisch über ängstlich bis hin zu verunsichert oder gar stoisch.
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