Inklusion an Schulen | Bildquelle: RTF.1

Reutlingen:

Inklusive Schulklasse am Albert-Einstein-Gymnasium

Stand: 05.02.15 15:54 Uhr

Die Geschichte von Henri aus Walldorf - einem Jungen mit Down-Syndrom, der ein Gymnasium besuchen wollte, aber nicht durfte, hatte im letzten Jahr bundesweit für großen politischen Wirbel gesorgt. Dass Kinder mit und ohne Handicap auch an einem Gymnasium zusammen lernen können, soll jetzt das Projekt des Reutlinger Albert-Einstein-Gymnasiums und der Peter-Rosegger-Schule zeigen. Seit September 2014 gibt es dort eine Inklusive Klasse. Ein Projekt das bisher einmalig ist in Baden-Württemberg.


In der Klasse 5e ist es normal, verschieden zu sein. Seit einem halben Jahr lernen hier fünf Kinder der Peter-Rosegger-Schule – einer Schule für geistig Behinderte – zusammen mit einundzwanzig Gymnasialschülern der Albert-Einstein-Schule. Die Kinder unternehmen gemeinsam nicht nur außerunterrichtliche Aktivitäten und ausgewählte Projekte, sondern haben auch gemeinsamen Unterricht in den Kernfächern Mathe, Englisch und Deutsch. Jeweils eine Stunde pro Kernfach und Woche, lernen sie alle zusammen.

Die Inhalte seien unterschiedliche, die Themen aber gleich, erklärt Klassenlehrerin Stefanie Henes. Wenn im Matheunterricht beispielsweise das Thema Geld auf dem Plan stünde, lernten die einen Schüler das Geld voneinander zu unterscheiden. Die anderen Kinder müssten Dezimalzahlen addieren oder dividieren. Der Anspruch an die Schüler sei unterschiedlich, so Henes.

Betreut und unterrichtet wird die Klasse dabei von einem Lehrerteam aus zwei Gymnasial- und vier Sonderschullehrern. Je nach Fach wechseln sie sich ab. Mindestens ein Gymnasial- und ein Sonderschullehrer sind immer dabei. Der Wissenstand der Schüler der Albert-Einstein-Schule soll durch die besondere Situation nicht geringer ausfallen als bei anderen Gymnasialschülern. Eine Fülle von wissenschaftlichen Studien, die zum Teil schon dreißig Jahre zurückreichten, hätten nicht bestätigen können, dass die gymnasialen Kinder auf der kognitiven Ebene irgendwelche Nachteile erleiden würden, erklärt Ingeborg Höhne-Mack, die Studiendirektorin der Albert-Einstein-Schule. Der gymnasiale Anspruch an die Kinder der Albert-Einstein-Schule werde immer gewährleistet, ergänzt Höhne-Mack.

Tatsächlich hätten die Gymnasialschüler sogar Vorteile durch das Modell. Denn das Unterrichtskonzept unterstütze das individuelle Lernen ALLER Kinder. Doch nicht nur das Lernen des Unterrichtsstoffes ist hier wichtig, auch die Entwicklung von sozialen Kompetenzen. Es gehe für alle Kinder, ob mit oder ohne Behinderung, auch darum jeden Menschen als ein Individuum zu erkennen und zu lernen damit richtig umzugehen, schildert die Studiendirektorin Höhne-Mack. Toleranz und Respekt seien übergeordnete Lernziele.

Damit die Schüler nicht nach "mit oder ohne Handicap" unterteilt werden, sind ihnen Farben zugeteilt. Die Kinder der Peter-Rosegger-Schule sind gelb, die der Albert-Einstein-Schule blau. Gemeinsam sind sie die grüne Klasse. Dass die Schüler keine Unterschiede machen und zusammenhalten, habe sich schon in einigen Situationen bewiesen, wie die Sonderschullehrerin Anke Gasser beschreibt: "Eine Schülerin von uns hat manchmal nicht so viel Lust in den Sportunterricht zu gehen und saß dann in der Umkleidekabine und wollte eigentlich nicht rauskommen. Und dann sind zwei Mädels aus der blauen Gruppe dazugegangen und haben einfach gesagt: 'Komm, wir gehen jetzt zusammen, die Sportlehrerin die hat doch immer so eine Pfeife – das gefällt dir doch ganz gut'. Und dann sind die einfach zu dritt gegangen und haben ganz normal beim Sportunterricht mitgemacht", schmunzelt Gasser.

Für die "gelben Schüler" ist der Unterricht mit den "blauen Schülern" wertvoll, da sie sich zunehmend an ihnen orientieren und somit lernen, selbständig zu werden. Das Projekt ist zunächst auf drei Jahre angelegt.

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