Gedenken an Holocaust-Opfer | Bildquelle: RTF.1

Stuttgart:

Gedenkfeier für die Opfer des Holocaust im Landtag

Stand: 27.01.15 17:39 Uhr

Heute auf den Tag genau vor 70 Jahren haben Soldaten der Roten Armee das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau befreit. Als die russischen Soldaten am 27. Januar 1945 das größte deutsche Vernichtungslager erreichten, bot sich ihnen ein Bild des Grauens. Wie kaum ein anderer Ort führt das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau die Vernichtungsmaschinerie und die Gräueltaten der Nationalsozialisten vor Augen. Über eine Million Menschen wurden hier systematisch ermordet. 2005 erklärten die Vereinten Nationen den Tag der Befreiung von Auschwitz zum Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust. Mit einer zentralen Gedenkfeier hat heute auch der Stuttgarter Landtag den Opfern des Nationalsozialismus gedacht.


Schon vor der Gedenkfeier im Landtag, versammelten sich Landespolitiker und Vertreter von Opferorganisationen zum stillen Gedenken am Mahnmal vor dem alten Schloss. Ein Rabbi sprach ein Gebet für die Verfolgten und Ermordeten. Unter ihnen Juden, Sinti und Roma, Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene, politisch Verfolgte, Kranke, Menschen mit Behinderungen und Homosexuelle. Seit 1970 erinnert das Denkmal des Künstlers Elmar Daucher an die Millionen Opfer der NS-Terrorherrschaft.

Bei ihrer Rede im Landtag, erklärte Landtagsvizepräsidentin Brigitte Lösch, der 70. Jahrestag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz, aber auch die aktuellen Entwicklungen sollten Anlass sein, selbstkritisch zu reflektieren, wie sich die Gesellschaft mit den Menschheitsverbrechen der Nazis auseinandergesetzt habe und wie sie es weiterhin tun müsse: "So betrachtet, begehen wir den Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialsmus dieses Jahr mit dem Gefühl, dass unsere Gesellschaft hellhöriger, ja bereiter geworden ist, sich rechtzeitig zu erheben. Immer mehr Menschen quer durch alle Alters- und Berufsgruppen, immer mehr Menschen quer durch alle religiösen und politischen Überzeugungen überlassen unsere Straßen und Plätze und damit die Nachrichten und Fernsehbilder nicht denen, die dumpf und demagogisch Ängste wecken wollen. Nicht denen, die unverhohlen Ausgrenzung und Diskriminierung propagieren. Nicht denen, die unter der Maske eines biederen, engstirnigen Pseudo-Patriotismus schieren Nationalismus predigen. Nicht denen die naiv mitlaufen, als hätte es die Geschichte nie gegeben", so die Landtagsvizepräsidentin.

Gedenken bedeute deshalb heute auch, diese Kraft der Vielfalt zu erkennen und dafür einzustehen. "Deshalb war es wichtig, dass wir – dass Muslime, Christen und Juden vereint – so dezidiert auf die Anschläge islamistischer Terroristen vor knapp drei Wochen in Paris reagiert haben. Ja, auf DIE Anschläge. Auf das Massaker in der Redaktion von Charlie Hebdo und auf das Attentat auf einen jüdischen Supermarkt für koschere Speisen", erklärte Lösch.

Der Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin, Professor Peter Steinbach, sprach in seiner Rede von der Verpflichtung eines Jeden, zum Zeitzeugen der Zeitzeugen zu werden. Nicht nur um sich an das zu erinnern was geschehen sei, sondern um nicht zu vergessen dass sich die Menschheit auch jetzt noch vielen Herausforderungen stellen müsse. Wenn die Menschen auf Auschwitz, Treblinka, Majdanek, Nordhausen oder auf Dachau schauten, dürften sie nicht so tun als blickten sie auf eine ganz weit entfernte Epoche. Denn, erklärte Steinbach: "Wir sind umgeben von Ausgrenzung". Das Gemeinsame sei die "Angst vor dem Fremden", sei die Angst vor dem eigenen Mut auf Fremde zuzugehen. Er glaube, so Steinbach, das dies an einem solchen Gedenktag kultiviert werden müsse.

Der Gedenktag setze ein wichtiges Zeichen und schärfe die Sinne, entscheidend sei aber, pflichtete Ministerpräsident Winfried Kretschmann bei, dass diese Gedanken auch einen Platz im Alltag hätten: "Offenheit und Toleranz lassen sich nur bewahren, wenn Fremdes als mögliche Bereicherung und nicht als Bedrohung wahrgenommen wird. Sonst greifen Mechanismen die dem Antisemitismus sehr ähnlich sind. Erfolgreiche Integration hilft Radikalisierungsprozesse zu verhindern", schloss der Ministerpräsident.

Um Punkt zwölf Uhr wurde es dann still im Landtag. Eine Schweigeminute sollte ein Zeichen setzten – gegen Antisemitismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Winfried Kretschmann hatte alle Landesbehörden dazu aufgerufen.

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