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Streit um Medikamentenpreise: Pharmaindustrie kritisiert "Klagelied" der Krankenkassen um gestiegene Kosten

Stand: 23.01.15 20:48 Uhr

Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen stößt bei den Pharmaherstellern auf Unverständnis mit seinem jüngsten Vorstoß, die Versorgung von Patienten mit Arzneimitteln "weiter zu verbessern und dennoch bezahlbar zu organisieren", wie es in einem Positionspapier beschrieben ist. Der GKV-Spitzenverband fordert darin unter anderem eine Abkehr vom bisherigen Modell, dass die Krankenkassen für neue Medikamente im ersten Jahr nach Zulassung die Preise zahlen müssen, die der Hersteller verlangt.

"Für neue Medikamente können die Hersteller im ersten Jahr nach wie vor Mondpreise verlangen", bemängelt Johann-Magnus v. Stackelberg, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des GKV-Spitzenverbandes. Erst danach greift der zwischen den Krankenkassen und dem jeweiligen Pharmaunternehmen ausgehandelte zusatznutzenorientierte Erstattungsbetrag. "Wir fordern, dass der ausgehandelte Erstattungsbetrag künftig rückwirkend ab dem ersten Tag gilt". Zudem würden "moderne Apothekenstrukturen gesetzlich verhindert". "Ganz zu schweigen davon, dass die Arzneimittelausgaben im vergangenen Jahr um fast zehn Prozent gestiegen sind", so v. Stackelberg.

"Die Behauptung des GKV-Spitzenverbandes, man sei an einer hochwertigen Versorgung der Versicherten interessiert, kann nur mit Kopfschütteln aufgenommen werden", kommentiert der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie, BPI. Der Krankenkassenverband habe längst deutlich gemacht, das ihm am Durchbruch von Innovationen gar nicht gelegen sei. "Immer wieder müssen Hersteller für die Festsetzung eines Erstattungsbetrages in die Schiedsstelle gehen. Bereitschaft zu fairen Kompromissen sieht anders aus".

Dass der GKV-Spitzenverband bei Arzneimitteln, denen kein Zusatznutzen zugesprochen wird, die Erstattungspflicht aufheben wolle, sei  "absurd und wenig zielführend", sagt BPI-Hauptgeschäftsführer Henning Fahrenkamp. "Die Politik hat mit der Neuregelung der Erstattung von Innovationen im ersten Jahr einen Anreiz für innovative Arzneimittel gesetzt. Diesen zu streichen verschärft die wirtschaftliche Unsicherheit der Unternehmen", so der Pharmaverbands-Chef weiter. "Innovationen würden Patienten in Deutschland noch später als heute schon oder gar nicht mehr erreichen, was keiner sich wünschen kann. Und für Patienten bedeutet dies, dass die Therapievielfalt entzogen wird. Zusätzliche Optionen, auch ohne Zusatznutzen, sind immer ein Gewinn."

Die Industrie leiste seit Jahren durch Herstellerzwangsabschlag und Preismoratorium weit überdurchschnittliche Anteile zur Kostensenkung der gesetzlichen Krankenversicherung.

Was die Krankenkassen ebenfalls stört: Derzeit wird das Preis- und Produktverzeichnis von Arzneimitteln durch eine privatrechtliche Gesellschaft seitens der Pharmaindustrie und des Apothekenverbandes organisiert. Die Preis- und Produktinformationen ändern sich zweimal im Monat. Während die Apothekensoftware darauf ausgerichtet sei, aktualisiere sich die Praxissoftware der Ärzte in der Regel nur einmal im Quartal. Für die Patienten bedeutet das laut GKV-Spitzenverband, dass ihr Arzt nur selten aktuelle Informationen hat, ob ein Arzneimittel verfügbar ist, welche neuen Produkte gelistet sind oder ob es Änderungen bei Festbeträgen und Rabattverträgen gibt.

Hintergrund:

Im ersten Jahr der Zulassung dürfen die Arzneimittelhersteller den Preis für ihr Medikament selbst festlegen. Mit der rückwirkenden Anpassung des Preises würden nicht nur Mondpreise verhindert, es würden auch Innovationen gefördert, argumentiert der GKV-Spitzenverband.

Eine Sichtweise, die Industrie und Rechtsexperten nicht nachvollziehen können. "Eine rückwirkende Anpassung der Erstattungsbeträge käme einem Preisdiktat durch die Krankenkassen gleich", hatte Rechtsanwalt Prof. Dr. Christian Dierks in einem Interview mit dem Branchenduenst Pharma Fakten betont. Jedes neue Arzneimittel würde für die Unternehmen zum finanziell nicht kalkulierbaren Risiko werden. 

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