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Abrechnungsbetrug mit Beschneidungen: Arztpraxen müssen Honorare zurückzahlen

Stand: 15.01.15 13:48 Uhr

Beschneidungen aus religiös-kulturellen Gründen auf Kosten der Krankenkassen - das darf laut Vorschriften eigentlich nicht sein. Zahlreiche Arztpraxen in Deutschland haben jetzt Ärger und müssen Honorare zurückzahlen. Die Beschneidung muss medizinisch notwendig und gut dokumentiert sein. Diesen Dokumentationspflichten sind die betroffenen Ärzte nicht oder nicht ausreichend nachgekommen, berichtet das Radioprogramm NDR Info unter Berufung auf die Kassenärztliche Vereinigung Rheinland-Pfalz. Allein in hier und Niedersachsen haben Mediziner demnach mehr als 650.000 Euro zu Unrecht kassiert.

Der operative Eingriff bei einer Beschneidung erfolgt in der Regel ambulant. Zudem bezahlen ihn die Krankenkassen nur, wenn er medizinisch notwendig ist und nicht zum Beispiel vor einem religiös-kulturellen Hintergrund vorgenommen wird.

Nach den Abrechnungsvorschriften muss die Patientenakte die Ergebnisse einer Gewebeprobe oder eine Fotodokumentation enthalten. Ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums erklärte, bei Bedarf könne beides "im Rahmen von Prüf- oder Gerichtsverfahren verwendet werden". Und wenn diese Dokumentation nicht erfüllt sei, ergänzte der stellvertretende Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen, Jörg Berling, "dann darf ein Arzt diese Leistung nicht abrechnen. Es gibt da nur alles oder nichts".

Die Kassenärztlichen Vereinigungen Schleswig-Holstein, Nordrhein und Saarland haben ebenfalls Auffälligkeiten in Abrechnungen festgestellt. Sie untersuchen derzeit, ob die betroffenen Arztpraxen ebenfalls Dokumentationspflichten verletzt haben. Ergebnisse dieser im Sozialgesetzbuch geregelten Plausibilitätsprüfung liegen noch nicht vor. Ein Anstieg der Schadenssumme ist aber wahrscheinlich. Alle anderen Kassenärztlichen Vereinigungen haben nach eigenen Angaben bisher keine Auffälligkeiten bei den Abrechnungen feststellen können.

Nach Ansicht von Gerd Glaeske, Gesundheitsökonom von der Universtität Bremen, haben die betroffenen Mediziner "ganz klaren Abrechnungsbetrug begangen". Das Beitragsgeld der Versicherten sei für eine Leistung abgerechnet worden, "die nicht erbracht worden ist". Deswegen sind nach Ansicht von Glaeske verstärkte Abrechnungskontrollen der Kassenärztlichen Vereinigungen notwendig. Glaeskes Einschätzung ist zudem, dass es deutlich mehr dieser Eingriffe gibt als medizinisch begründet: "Das scheint darauf hinzudeuten, dass Ärzte die Chance wahrnehmen, Beschneidungen abzurechnen, um zusätzliche Einnahmen zu erzielen."

Alle Kassenärztlichen Vereinigungen in Deutschland haben die Abrechnungskontrollen nach dem Hinweis einer Medizinerin aus Schleswig-Holstein eingeleitet. Die für Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern zuständige AOK Nordost hat bei der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung einen Prüfungsantrag gestellt. Eine Antwort darauf stehe noch aus, so ein Kassensprecher. "Die Krankenkassen sind gesetzlich verpflichtet, Hinweisen zum Verdacht auf Abrechnungsbetrug nachzugehen", betonte er.

Die Prüfung der Kassenärztlichen Vereinigungen ist allerdings nicht einheitlich. Während einige Einrichtungen Abrechnungen der vergangenen Jahre unter die Lupe nehmen, belassen es andere bei Prüfungen ausgewählter Ärzte und einzelner Quartale.

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