Boris Palmer nach dem Wahlsieg | Bildquelle: RTF.1

Tübingen:

Erfolgsjahr: Palmer will 2015 "sozial-ökologische Wohlstandspolitik" fortsetzen/ Warnung vor Pegida

Stand: 12.01.15 16:46 Uhr

Das vergangene Jahr war Tübingens OB Boris Palmer zweifellos ein gutes Jahr. Im Mittelpunkt stand Palmers triumphale Wiederwahl als Stadtoberhaupt. Daneben gab es aber auch heftige Auseinandersetzungen über Tierversuche an einem Tübinger Forschungsinstitut und um Palmers Teilnahme auf Kundgebungen gegen Antisemtismus und an einer israel-kritischen Kundgebung arabischer Akademiker. Auch die starke Facebook-Präsenz des 42jährigen sorgte weiter für Diskussionen. Im RTF.1-Interview warnt Palmer zudem davor, dass das Bild der islamkritischen Pegida-Demonstrationen das Bild Deutschlands im Ausland präge.


Boris Palmer kann mit insgesamt recht guten Gefühlen auf 2014 blicken. Für ihn persönlich war das vergangene Jahr das Jahr einer Erfolgsgeschichte: ein unerwartet deutlicher Wahltriumph: Wiederwahl als OB mit fast zwei Dritteln der Stimmen. Dieses Ergebnis des grünen Querdenkers und haß-geliebten Hoffnungsträgers seiner Partei hatten selbst Optimisten eher nicht erwartet

Dabei sei „sicher entscheidend" gewesen, dass es der Stadt wirtschaftlich so gut gehe, so Palmer. Tübingen sei eine Stadt geworden, in der die Gewerbesteuer mittlerweile eine wichtige Einnahmequelle sei. Zudem generierten Wissenschaft und Forschung mittlerweile Arbeitsplätze. Dazu komme der ausgeglichene Haushalt sowie bundesweite Spitzenpositionen bei der Kinderbetreuung, dem sozialen Wohnen, in Umwelt- und Klimaschutz.

Die Tübinger Zahlen sind beeindruckend, und Palmer hat dafür den Begriff seiner „sozial-ökolögischen Wohlstandspolitik"geprägt. Die Gewerbesteuer habe sich verdreifacht, der Flächenverbrauch betrage Null. Die Arbeitslosigkeit liege um drei Prozent. Auch bei Ganztagesschulen und der Schulsozialarbeit belege die Neckarstadt nationale Spitzenplätze.

Dies und der darauf basierende triumphale Wahlerfolg beförderten den Realo-Grünen und ausgepfiffenen Buhmann der Fundis jetzt wieder zum Liebling seiner Partei. Palmer sieht seinen Weg indessen selbstbewusst auch als bundestaugliches Erfolgskonzept. Gut beraten sei seine Partei, zu schauen, wie man von den mageren acht Prozent bei den Bundestagswahlen in andere Bereiche komme. Und wie man dadurch auch in eine Bundesregierung zurückkehren könne. Wirtschaft und Ökologie könne und müsse man aussöhnen. Die erstere dürfe man nicht länger als Feindbild betrachten. Stattdessen müsse man mit ihr ökologische und soziale Ziele durchsetzen.

Bewegt haben die Tübinger und Palmer 2014 aber auch Vorwürfe eines Fernsehsenders, der Tierversuche an Affen im Tübinger Max-Planck-Institut für Kybernetik brandmarkte. Entrüstungsstürme, die sich gegen das Institut, deren Mitarbeiter und auch gegen Palmer richteten. Der verteidigt bis heute die von ihm damals eingenommene Position: wenn die Abwägung zu treffen sei, dass durch Tierversuche Menschenleben gerettet werden könnten, dann seien diese für ihn vertretbar. Vorausgesetzt, das die Haltungsbedingungen der Tiere den Tierschutzbedingungen entsprächen.

Auch ein Auftritt Palmers auf einer Demonstration erst gegen Antisemitismus und dann – einer Einladung arabischer Akademiker – auf einer Kundgebung gegen Israel - sorgte für 2014 für Zündstoff. Palmer, der die „Kindermörder Israel" skandierenden Demonstranten aufforderte, dann auch „Kindermörder Hamas" zu skandieren, wurde auf dem Tübinger Holzmarkt gellend ausgepfiffen. Er erwarte schon – so Palmer jetzt – dass Demo-Veranstalter auch dafür sorgten, auch ungeliebte Redebeiträge gegen aufgepeitschte Emotionen zu verteidigen. Seine Teilnahme als OB sei richtig gewesen.

Dass Palmer mittlerweile – um vor allem junge Menschen zu erreichen - auch stark über das soziale Netzwerk „Facebook" agiert, hat dem Stadtchef nicht nur Lob beschert. Auc dazu stehe er, so Palmer. Er bedaure, dass er mit seiner Bitte im Gemeinderat, deine offizielle städtische Facebook-Seite einzurichten, bisher keinen Erfolg gehabt habe. Deshalb sei er halt privat zur Tat geschritten. Mittlerweile habe er rund 12 000 Leser. Diese Riesenresonanz habe er, als er das Projekt begann, so nicht vermutet.

Auch das Thema „Flüchtlinge" war 2014 angesichts der Bürgerkriege und dem Wüten der Terrormiliz IS im Nahen Osten ein großes Thema für Tübingen. Tübingen hat dazu unter Palmers Ägide einen von Bürgern gut besuchten Flüchtlingsgipfel veranstaltet. Hilfe sei hier Pflicht. Denn den ankommenden Menschen gehe es meist „ums nackte Überleben". Wichtig sei zudem jetzt, dass man die Pegida-Bewegung nicht gewähren lasse und nicht die Fremdenfeindlichkeit auf den Straßen „das Bild" nach außen bestimme. Man müsse jetzt zeigen: „Wir sind ein weltoffenes Land".

Blick in die Zukunft: Dass es rund um den Europlatz sichtbar schon lange nicht voran geht, hatte Palmer im Wahlkampf Kritik seitens seiner Konkurrentin gebracht. Hier werde es in diesem Jahr Bewegung geben: ein neuer, besserer Busbahnhof als Nähverkehrsdrehscheibe sei geplant. Zudem aber auch die Anbindung des angrenzenden Parks sowie ein Baufeld für Handel, Gewerbe und Dienstleistungen.

2015 soll im Gemeinderat der Baubeschluss gefasst werden. Spätestens 2017 solle der Spatenstich erfolgen. Ein anderes Ziel, den kommenden Haushalt nominell schuldenfrei zu halten, ist gelungen. Aber: Alles werde man sich wegen schwächerer Einnahmen und höherer Kosten durch die Kitas nicht mehr leisten können. Ziel bleibe, dass Wirtschaftswachstum weiter stattfinde. Nach der Innenstadtverdichtung werde man deshalb werde man jetzt auch über neu auszuweisende Flächen sprechen müssen. Zudem wolle man weiter die Schulen und die Betreuungsinfrastruktur für Kinder verbessern.

Im Fall des Güterbahnhof-Geländes mit NS-Doku-Zentrum soll es im ersten Quartal im Gemeinderat zum Sitzungsbeschluss und im Herbst zum Beginn der Erschließung kommen. Zudem bereit Palmer derzeit unter dem Titel „"Tübingen macht blau" 2.0 eine Fortführung seiner erfolgreichen und international ausgezeichneten Klimaschutzkampagne vor.

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