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Stuttgart / Paris:

Brief von Landesbischof July an die Gemeinden:"Gemeinsam für Frieden, Freiheit und Menschenachtung

Stand: 12.01.15 12:48 Uhr

11.01.2105. Nach dem Terrorakt von Paris schreibt Landesbischof Dr. h. c. Frank Otfried July an die Mitglieder und Gemeinden der Evangelischen Landeskirche in Württemberg. Der Brief sollte auch in den Gottesdiensten am heutigen Sonntag verlesen werden und zur Fürbitte einladen und überleiten. Nicht der Islam, sondern fehlgeleitete Islamisten seien für den Terror verantwortlich. Wenn es überhaupt eine Trennungslinie geben dürfe, dann dürfe diese nicht zwischen den Religionen verlaufen, "sondern zwischen denen, die der Gewalt huldigen, und jenen, die für die Werte von Frieden, Freiheit und Menschenachtung stehen."

Hier der Brief des württembergischen Landesbischofs July im Wortlaut:

Liebe Mitglieder unserer Landeskirche, liebe Schwestern und Brüder,

erst vor einigen Tagen – am Jahreswechsel – haben wir für ein friedvolles neues Jahr 2015 gebetet. Dieser Fürbitte haben die Gewalttäter von Paris auf verabscheuungswürdige Weise und mit brutaler Menschenverachtung ins Gesicht geschlagen. Wir trauern um die Opfer des Anschlags auf die Redaktion des Magazins „Charlie Hebdo". Gleichzeitig sprechen wir ihren Angehörigen unser Beileid aus und erweisen den französischen Nachbarn und Freunden unsere Anteilnahme.

Die Gewalttat in dieser Woche zeigt aber auch: Die Bitte um Frieden und ein gutes Miteinander der Menschen und ihrer Kulturen und Religionen ist unverzichtbar in einer Welt, die von Terror, Gewalt und den Versuchen geprägt ist, die Religions- und Meinungsfreiheit einzuschränken.

Ich stelle auch in unseren Gemeinden Zeichen und Aussagen der Verunsicherung im Zusammenleben der verschiedenen Kulturen und Religionen fest. Manche Ängste und Vorurteile werden auf die Straße getragen oder auf verantwortungslose Weise im Internet verbreitet. Nicht der Islam, sondern fehlgeleitete Islamisten haben die Toten von Paris auf dem Gewissen. Dies haben viele muslimische Autoritäten in den letzten Tagen deutlich gemacht. Deshalb müssen wir alles dafür tun, um eine Spaltung unserer Gesellschaft zu verhindern. Wenn es überhaupt eine Trennungslinie geben darf, dann verläuft die nicht zwischen den Religionen, sondern zwischen denen, die der Gewalt huldigen, und jenen, die für die Werte von Frieden, Freiheit und Menschenachtung stehen.

Die christliche Gemeinde lebt aus der Freiheit, die uns Christus geschenkt hat (Galater 5,1). Aus dieser Freiheit heraus können wir Ängsten widerstehen, Fürbitte für verfolgte Christen und Angehörige anderer Religionen halten und für eine offene und gerechte Gesellschaft bei uns eintreten. Und aus dieser Freiheit heraus können wir in diesen Tagen insbesondere auf unsere muslimischen Nachbarn oder Gemeinden zugehen und Zeichen des Vertrauens und Miteinanderlebens geben.

Wir müssen miteinander darüber nachdenken, wie der Gewalt und dem Terror gewehrt werden kann und insbesondere junge Menschen aus unserer Gesellschaft vor Fehlwegen in die Gewaltverherrlichung oder gar der aktiven Teilnahme an Gewaltaktionen bewahrt werden können.

Aus dieser Freiheit heraus werden wir als christliche Kirchen – in Treue zum Evangelium von Jesus Christus – uns weiterhin am gesellschaftlichen Gespräch in Deutschland beteiligen. Fragen des Glaubens und der existentiellen Lebensgründung sind das Gerüst einer Gesellschaft und nicht ein zu vernachlässigendes Beiwerk. In der deutschen Gesellschaft müssen wir uns mehr über Fragen der Religion verständigen und nicht weniger.

Aus dieser Freiheit unseres Glaubens wollen wir Fürbitte halten.

Ihr

Dr. h. c. Frank Otfried July

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