Hilfe auf Haiti nach Erdbeben | Bildquelle: Florian Kopp, Aktion Deutschland hilft

Haiti:

Fünf Jahre nach Erdbeben auf Haiti: Lage der Menschen verbessert, an Problemursachen arbeiten

Stand: 11.01.15 16:01 Uhr

Am 12. Januar 2010 ereignete sich in Haiti ein schweres Erdbeben, bei dem tausende Menschen ihr Leben und ihre Existenz verloren. Laut UN und Weltbank hat sich dank der Hilfsorganisationen einiges getan: Von 1,5 Millionen Menschen, die 2010 obdachlos wurden, konnten für rund 1,4 Millionen Frauen, Männer und Kinder neue Unterkünfte geschaffen werden. Die Kindersterblichkeit ist zurückgegangen und die Anzahl von Grundschülern stieg auf rund 90 Prozent. Rund 62 Prozent der Haitianer haben heute einen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Doch einige Probleme bleiben, vor allem deren Ursachen. Die haitianische Regierung muss tragfähige Konzepte für die dauerhafte Entwicklung des Landes finden.

Über 16,2 Millionen Euro Spenden sind nach der Katastrophe 2010 allein bei der "Aktion Deutschland Hilft" eingegangen. Diese Mittel wurden nun zu 100 Prozent für vielfältige Hilfsprojekte aufgebraucht. 13 Bündnismitglieder halfen nach dem Erdbeben in Haiti tausenden Menschen durch die Versorgung mit Nahrungsmitteln, Wasser, Kleidung, Haushaltsgegenständen, den Bau von Notunterkünften und später erdbebensicheren Häusern, mit Medikamenten, ärztlicher Versorgung und Aufklärung, durch den Bau von Schulen, die Gestaltung von Ausbildungen sowie Möglichkeiten zur Einkommenssicherung. Die meisten Spenden flossen in den Bau von Notunterkünften (24,89%) und in die langfristige Schaffung von Lebensgrundlagen für die in Not geratenen Menschen, wie zum Beispiel Bildungsprojekte. (22,24%)

Schon vor der Katastrophe 2010 gehörte Haiti zu einem der ärmsten Länder der Welt. Die chronische Unterversorgung der Vorjahre, ein niedriger Bildungsstand und ein instabiles politisches System hatten Einfluss darauf, dass die Hilfsmaßnahmen teils nur schleppend voran gehen konnten. "Die strukturelle Krise, in der sich Haiti schon vor 2010 befand und die sich durch das Erdbeben noch verschärft hat, hat zu dem überdimensionalen Bedarf an Hilfe von außen geführt, uns in der Arbeit aber auch vor große Herausforderungen gestellt. Wie groß die Not der Menschen und die Dringlichkeit der Unterstützung, sieht man vor allem daran, dass 16,2 Millionen Euro Spenden von Aktion Deutschland Hilft bis heute restlos in Hilfsmaßnahmen umgesetzt wurden", sagt Manuela Roßbach, Geschäftsführerin von Aktion Deutschland Hilft. "Auch wenn wir den Menschen in den letzten fünf Jahren wirklich helfen konnten, ist eine optimale Lösung für die über Jahrzehnte gewachsenen Strukturprobleme nicht in Sicht und das Land weiterhin auf Unterstützung angewiesen", so Roßbach weiter.

Auch laut UN sind Armut, ein instabiles politisches System, machtlose Institutionen, ein schwacher Dienstleistungssektor sowie die hohe Anfälligkeit des Landes und seiner Bevölkerung für immer wiederkehrende Naturkatastrophen schwerwiegende Gründe dafür, dass Haiti auch in Zukunft weiterhin Hilfe von außen benötigt. Aus diesem Grund bleiben auch viele Mitgliedsorganisationen von Aktion Deutschland Hilft, wie action medeor, ADRA, ASB, CARE, Help, Johanniter, Malteser International und World Vision weiterhin in Haiti, um einen langfristigen Wandel des Landes und eine Stärkung der dort lebenden Menschen zu unterstützen.

Auch die Caritas will in Haiti weiter Hilfe leisten. Nach wie vor gebe es Hindernisse, die einer positiven Entwicklung in Haiti entgegenstünden: die noch immer weit verbreitete Korruption, ein mangelndes Gemeinschaftsgefühl in großen Teilen der Gesellschaft und das weiterhin schwach entwickelte Bildungssystem. Besondere Sorge bereiten dem Caritas-Präsidenten Peter Neher auch die jüngsten Unruhen in Haiti. "Die Lage ist derzeit sehr instabil, es herrscht ein Klima der Gewalt auf den Straßen. Wir und unsere Partner versuchen, einen Beitrag zu leisten, um die Zivilgesellschaft zu stärken - damit sich diese Strukturen auf Dauer verändern."

So legt etwa die Welthungerhilfe den Schwerpunkt in Haiti künftig auf Programme, die die einheimischen Kräfte und Strukturen stärken, damit sich das Land bei zukünftigen Schwierigkeiten besser selbst helfen kann und eine starke Zivilgesellschaft entsteht. "Haiti ist kein Land, das dauerhaft von humanitärer Hilfe aus dem Ausland abhängig sein darf. Damit wird die Eigeninitiative gelähmt", meint Dirk Guenther, langjähriger Landesdirektor der Welthungerhilfe in Port au Prince. Langfristig müsse das Land seine strukturellen Probleme selbst in den Griff bekommen. "Wenn etwa Tropenstürme im Herbst große Verwüstungen anrichten, sollten wir uns auf kurzfristige punktuelle Hilfe wie etwa Nahrungsmittel und Zelte für Überlebende beschränken. Die Regierung muss für die langfristige Vorsorge auf solch wiederkehrende Katastrophen zuständig sein", so Guenther, "Die Verantwortung für eine langfristige Verbesserung der Lebensbedingungen liegt bei den lokalen staatlichen Strukturen. Dafür ist eine starke Zivilgesellschaft wichtig." Wenn die Hilfsorganisationen immer wieder nur Nothilfe leisten, werde Haiti von einer solchen Katastrophenhilfe abhängig bleiben. Stattdessen wolle man die haitianische Regierung dabei unterstützen, eigene tragfähige Konzepte für die dauerhafte Entwicklung des Landes zu finden.

 

Hilfe auf Haiti nach ErdbebenKinder auf Haiti: Mehr Investitionen in Bildung nötig

 

Kinder leiden noch immer

Besonders die Kinder leiden laut Kindernothilfe bis heute unter den Folgen des Bebens: Nur jedes vierte Kind im Grundschulalter geht der Organisation zufolge zur Schule, jedes dritte Kind ist unterernährt. Hunderttausende Mädchen und Jungen leben auf der Straße oder müssen völlig entrechtet für fremde Familien schuften. "Wir brauchen dringend einen engagierteren Staat, gute öffentliche Krankenhäuser, viel mehr staatliche Schulen - endlich ausreichend Investitionen in Bildung. Nur so kann die extreme Armut in Haiti überwunden werden," fordert Alinx Jean-Baptiste, Landesdirektor des Kindernothilfe-Büros in Port-au-Prince.Die Kindernothilfe fördert und unterstützt aktuell 18.000 Kinder und Jugendliche in 15 Projekten. Dazu zählt der Wiederaufbau von neun Schulen, die zum Teil in den schwer zugängigen Bergregionen des Katastrophengebietes liegen. Tausende Mädchen und Jungen, die keinen Zugang zu Bildung hatten, lernen hier und in alternativen Schulbildungsprojekten neben schreiben und rechnen auch praktische Fähigkeiten. Außerdem fördert ein umfangreiches Selbsthilfegruppen-Programm vor allem Frauen in ländlichen Gegenden. Sie lernen eigenständig kleine Geschäfte aufzubauen, soziale Probleme zu lösen und politisch aktiv zu werden. "Der Einsatz in Haiti ist aufgrund der fragilen politischen Rahmenbedingungen bis heute eine große Herausforderung", so Michaela Gerritzen, Länderreferentin für Haiti bei der Kindernothilfe. "Um so wichtiger ist es, die Menschen zu stärken, damit sie langfristig ihre Zukunft selbst gestalten können."

"Vor allem auf dem Land müssen Kinder teils zehn bis 15 Kilometer weit laufen, um in die nächste Schule zu kommen", sagt Louay Yassin, Pressesprecher der SOS-Kinderdörfer weltweit in München. Zudem müsse häufig Schulgeld bezahlt werden, das sich sehr viele Eltern nicht leisten könnten. Rund 5,5 Millionen, also mehr als die Hälfte aller Haitianer, lebten von weniger als einem Dollar pro Tag.

Immerhin hat sich die Lage leicht verbessert: Vor dem Erdbeben konnten nur etwa 50 Prozent aller Kinder eine Schule besuchen. Das Erdbeben zerstörte einen Großteil der Einrichtungen. Durch die massive Hilfe aus dem Ausland wurden viele Schulen neu gebaut. Allein die SOS-Kinderdörfer errichteten bis heute sieben neue Schulen in Haiti.

Kritiker: Ursachen von Armut und Ausgrenzung bleiben

Anlässlich des fünften Jahrestages der Erdbebenkatastrophe in Haiti (12.1.2010) zieht die Frankfurter Hilfs- und Menschenrechtsorganisation medico international eine kritische Bilanz und fordert ein Umdenken in der humanitären Hilfe."Das Versprechen der internationalen Hilfe Haiti besser wiederaufzubauen, ist nicht erfüllt worden", so Katja Maurer, Pressesprecherin von medico international. An diesem Gesamtbild änderten auch viele gute und hilfreiche Einzelmaßnahmen nichts.

Maurer verweist auf ein Statement der haitianischen Schriftstellerin Yanick Lahens in einem Film der Hilfsorganisation: "Die Reflexe der haitianischen Oberschicht und der internationalen Gemeinschaft haben wieder die Oberhand gewonnen und wir sind zum Status Quo ante zurückgekehrt." Nur vielleicht noch schlimmer, so Lahens, "weil viel mehr Geld im Spiel ist."

In dem medico-Film "Haitianische Erschütterungen" ziehen lokale Partner der Hilfs- und Menschenrechtsorganisation eine kritische Bilanz der Hilfe, weil es nicht gelungen sei an den Ursachen von Armut und Ausgrenzung etwas zu ändern.

Vielmehr seien die strukturellen Ursachen für die verheerenden Folgen des Erdbebens, so Maurer, beim Wiederaufbau Haitis systematisch ausgeblendet worden. Die fortgesetzte politische und ökonomische Entmächtigung lokaler Regierungs- und zivilgesellschaftlicher Strukturen führten dazu, dass Haiti auch weiterhin das ärmste Land der westlichen Hemisphäre bleibe.

medico international hat mit lokalen Partnern in den vergangenen 5 Jahren Maßnahmen in Höhe von vier Millionen Euro durchgeführt. Dazu gehören unter anderem die Förderung lokaler Gesundheitsorganisationen, kritischer Menschenrechtsarbeit und der Bauernbewegung Tet Kole. 

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