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"Gottes Gegenwart in einer Welt zunehmender Gewalt" - Weihnachtsbotschaft von LWB-Präsident Bischof Dr. Munib A. Younan

Stand: 25.12.14 13:39 Uhr

25.12.2014. LWB-Präsident Bischof Dr. Munib A. Younan erinnert die lutherische Weltgemeinschaft an Gottes Gegenwart in einer Welt, in der Gewalt und die Verletzung von Menschenrechten zunehmen. Er betet um Kraft und Mut, unserem Nächsten zu helfen.

Die Weihnachtsbotschaft von LWB-Präsident Bischof Dr. Munib A. Younan:

„Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch grosse Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt David'" (Lukas 2,10-11)

Liebe Schwestern und Brüder überall in unserer weltweiten Lutherischen Gemeinschaft, ich grüsse euch aus Bethlehem, der Geburtsstätte unseres Herrn Jesus, und aus Jerusalem, dem Ort seiner Auferstehung.

Auch vor dem Hintergrund unserer diesjährigen Weihnachtsfeierlichkeiten wissen wir sehr wohl, dass in der Welt viele Dinge geschehen, als wäre Gott in Bethlehem niemals in Christus Mensch geworden und als wäre Gott in dieser Welt abwesend. Wenn wir die Weihnachtsmärkte besuchen, an Feierlichkeiten teilnehmen und in die Kirche gehen, sind wir uns immer bewusst, dass viele andere Menschen, die in unserer weltweiten Familie leben, sich fragen: „Wo ist Gott heute?"

Diese Fragen sind verständlich. Überall auf der Welt erleben wir wieder Gewalt, Verletzungen von Menschenrechten, Einschränkungen der Religionsfreiheit, Unterdrückung, Ungerechtigkeit, Gender-Ungerechtigkeit, Besatzung. Der Extremismus greift in vielen Ländern um sich. Mädchen werden aus vermeintlich sicheren Schulen entführt, nur weil sie für sich selbst und ihre Familien auf Bildung gehofft haben. Wir können uns fragen: Gibt es keinen Gott in unserer Welt, oder führen wir ein Leben, in dem Gott keinen Platz mehr hat?

Die Weihnachtsbotschaft, der wir in diesen Fragen und Kämpfen begegnen, will uns sagen: Selbst wenn wir zu dem Schluss kommen, dass Gott sich weit von uns entfernt hat, wenn wir das Gefühl haben, dass Gott keinen Platz mehr in unserer Welt hat, ist Gott doch hier bei uns. Gott ist Fleisch geworden in Bethlehem. Die Frohe Botschaft findet über die Jahrhunderte hinweg immer noch zu uns: „Ein Kind ist uns geboren! Fürchtet euch nicht."

Wir finden jeden Tag Zeichen dieser Hoffnung. Als ich hörte, dass Malala Yousafzai für den Friedensnobelpreis nominiert worden war, hatte ich das Gefühl, dass Gott immer noch in unserer Welt wirkt. Als Überlebende eines Angriffs aus abgrundtiefem Hass hat ihr Widerstand sie zu einer unermüdlichen Verfechterin von Bildung und Gendergerechtigkeit werden lassen. In vielen Teilen der Welt wird beides dringend gebraucht.

Die Frohe Botschaft, die den Hirten auf dem Feld vor vielen Jahren verkündet wurde, gilt nach wie vor: Gott ist auch heute mit uns. Jesu Krippe ist ein Ruhepunkt für Flüchtlinge aus dem Irak oder Syrien oder in Dadaab, Kenia für Menschen, die vor der Gewalt und der Ernährungsunsicherheit am Horn von Afrika fliehen. Gott ist mit den schutzlosen Menschen überall dort, wo der Extremismus zunimmt. Christi Krippe ist bei den Verfolgten in Nigeria oder bei denen, die unter den Blasphemiegesetzen in Pakistan und in anderen Ländern leiden. Christi Krippe ist mit der Landlosenbewegung in Brasilien und bei all denen, die von der ungleichen Verteilung des Wohlstandes betroffen sind.

Bei den Armen und Unterdrückten kann ein Gefühl der Verlassenheit entstehen, aber Gott wird unter ihnen geboren. Gott wird dort geboren, wo viele Menschen christlicher Konfession in der Welt allein wegen ihres Glaubens verfolgt werden. Gott wird in jedem Menschen geboren, der versucht, gegen jeden politisch oder religiös motivierten Extremismus vorzugehen. Diese Menschen wissen, dass das Akzeptieren des Anderen der einzige Weg zu Friede und Versöhnung ist. Nicht lange nach seiner Geburt wurde Jesus ein politischer Flüchtling und musste mit der Heiligen Familie nach Ägypten fliehen. In Christus hat Gott unsere Schmerzen ertragen. Als Immanuel ist Gott in uns und mit uns und wird auch in Zukunft mit uns sein.

Die Herausforderung für die Lutherischen Christen besteht heute darin, unsere Herzen vorzubereiten, damit Christus in uns in unserer zerbrochenen, globalisierten Welt leben kann. Wir sind aufgefordert, unsere Dörfer und Städte als seine Strohkrippe herzurichten und ihn zu begrüssen, wie wir auch Fremde, MigrantInnen und Flüchtlinge begrüssen. Wenn die Kirche sich weigert, zu schweigen und vielmehr dem Ruf zur prophetischen Diakonie und praktizierter Gerechtigkeit folgt, bereiten wir uns auf die Geburt Christi vor.

Weihnachten dürfen wir uns nicht nur mit den Problemen auseinandersetzen, mit denen wir in dieser Welt konfrontiert werden. Wir müssen uns stattdessen intensiv damit befassen, wie Gott weiterhin Fleisch ist selbst inmitten all der Probleme, denen wir gegenüberstehen. Wenn wir Jesus als Immanuel finden, vertreibt Gottes vollkommene Liebe unsere Furcht, wie es den Hirten geschah, denen die erste Weihnachtsbotschaft verkündet wurde. Mit der Liebe Gottes, die in Jesus Christus ist, wird unsere Welt zu einer Welt, in der alle gleich sind, in der wir den Anderen akzeptieren, in der die Menschlichkeit, die Gott in der Menschwerdung annimmt, in jedem Menschen umfassend respektiert wird. Da Gott einer von uns geworden ist, sind wir aufgefordert, alle eins zu sein und ein erfülltes Leben in Freiheit, Befreiung, Gerechtigkeit, Frieden und Versöhnung zu leben.

Diese Wohltaten Gottes werden uns unentgeltlich geschenkt in der Person Jesus Christus, dem in einer Krippe in Bethlehem geborenen Kind. Ich bete dafür, dass in dieser Weihnachtszeit jeder einzelne von euch Freude in dem Menschen Jesus und in der Anwesenheit Gottes findet, damit ihr stark und mutig seid, um euren Nachbarn nah und fern zu dienen.

Gott schütze euch.

Merry Christmas!
Fröhliche Weihnachten!
Joyeux Noël!
Feliz Navidad!"

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