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Hooligans gegen Salafisten - Verfassungsschutz: "Eine Initiative mit rechtsextremistischem Potenzial?"

Stand: 22.12.14 12:43 Uhr

22.12.2014. Bundesamt für Verfassungsschutz - "Mit der gewalttätigen Demonstration vom 26. Oktober in Köln ist die Initiative "Hooligans gegen Salafisten" (HoGeSa) verstärkt in den Fokus öffentlichen Interesses gerückt." Das schreibt das Budnesamt für Verfassungsschutz in einer Pressemitteilung. Ihrem Selbstverständnis nach sei die HoGeSa eine "Bewegung, der sich Hooligans, Ultras, Fußballfans und ‚normale" Bürger angeschlossen" haben, um gemeinsam gegen den Terror des Islamischen Staates bzw. gegen Salafisten und eine "Islamisierung" Deutschlands zu "kämpfen".

Nach eigenen Angaben werde niemand ausgegrenzt, der sich für Deutschland einsetze: „in den Farben getrennt, in der Sache vereint". Zudem missbillige man „extreme Ideologien, insbesondere bezogen auf die deutsche Geschichte von 1933 bis 1945". Dies gelte „sowohl für rechtsextreme Neo-Nazis als auch für linksextreme Anti-Deutsche". Bei HoGeSa selbst handele es sich um „Patrioten, deren Geschichtsverständnis weit über die zwölf Jahre hinausgeht".

Die aus einer Facebookgruppe hervorgegangene Initiative mobilisiert nach Angaben des Verfassungsschutzes bis heute nahezu ausschließlich über virtuelle Kommunikationswege, insbesondere über das soziale Netzwerk Facebook, auch zu den Demonstrationen am 26. Oktober in Köln und am 15. November in Hannover mit 4.800 bzw. 3.200 Teilnehmern.

An beiden Versammlungen nahmen dem Verfassungsschutz zufolge auch mehrere Hundert Rechtsextremisten teil. Auf der Veranstaltung in Köln skandierten die teilnehmenden Rechtsextremisten Slogans wie: „Deutschland den Deutschen – Ausländer raus", „Hier marschiert der nationale Widerstand" und „frei, sozial und national".

Zuvor hatten bereits kleinere Veranstaltungen von Hooligans stattgefunden. Im Frühjahr 2014 störten Hooligans zwei Kundgebungen eines bekannten Salafisten. Die Mehrzahl der ca. 150 Teilnehmer in Mönchengladbach (am 8. Februar) und der über 200 Teilnehmer in Mannheim (am 23. März) war dem Hooliganspektrum zuzuordnen.

In einigen rechtsextremistischen Internetforen werden den Angaben zufolge die Aktionen der HoGeSa diskutiert und in der Tendenz grundsätzlich positiv aufgenommen. Kritik gab es stellenweise am Erscheinungsbild der Demonstranten und an den Gewalttätigkeiten. Insgesamt fielen die Reaktionen von Rechtsextremisten auf die beiden Kundgebungen in Köln und Hannover jedoch verhalten aus; im subkulturell geprägten rechtsextremistischen Spektrum und in der Neonazi-Szene waren bislang nur wenige Wortmeldungen festzustellen.

Die rechtsextremistischen Parteien positionierten sich nah Angaben des Verfassungsschutzes unterschiedlich: So gaben seitens der „Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD) nur einige wenige Parteigliederungen und einzelne Funktionäre Kommentare ab. Der stellvertretende Bundesvorsitzende der NPD solidarisierte sich zum Beispiel mit der Demonstration in Köln, „mit allen Initiativen, die den Protest gegen die Folgen der Überfremdung mit friedlichen und gewaltfreien Mitteln lautstark artikulieren". Die gewalttätigen Auseinandersetzungen seien „offenbar durch das repressive Verhalten der Polizei provoziert" worden. Möglicherweise könne die Demonstration als „Fanal" verstanden werden. Die Partei „DIE RECHTE" bewertete die Kundgebung ebenfalls positiv. Nach Angaben des Bundesvorstandes habe sich die „noch junge Bewegung HOGESA (...) damit eindrucksvoll etabliert". Verbände der Partei mobilisierten sogar für die Demonstrationen in Köln und Hannover.

Für ihre Wiederbelebung hat die zerstrittene und in den letzten Jahren in den Hintergrund gedrängte, eigentlich unpolitische Hooliganszene ein politisches Thema gewählt. Die Agitation der HoGeSa richtet sich gegen Islamisierung und Salafismus. Sie bedient jedoch auch Ansätze einer grundsätzlichen Islamfeindschaft und greift damit aktuelle Agitationsschwerpunkte von Rechtsextremisten auf.

Vor dem Hintergrund einer in den letzten Jahren nachlassenden Mobilisierungsfähigkeit greifen nach Angaben des Bundesamtes  Rechtsextremisten und Rechtspopulisten die Erfolge der HoGeSa auf und versuchen, Einfluss auf die Initiative zu gewinnen. Dies zeige sich nicht nur an der Teilnahme von Rechtsextremisten bei HoGeSa-Veranstaltungen. Rechtsextremisten versuchen darüber hinaus die Initiative zu vereinnahmen bzw. sogar zu dominieren. Dies verdeutlichen den Angaben zufolge zwei Veranstaltungen von Rechtsextremisten, die thematisch an HoGeSa-Kundgebungen anknüpften: am 22. November in Hannover („Für die Opfer linker Gewalt", 74 Teilnehmer) und Völklingen (Initiative „Saarländer gegen Salafisten") unter dem Motto: „Europa gegen den Terror des Islamismus" mit 250 Teilnehmern, darunter NPD-Funktionäre.

Versuche einer Einflussnahme stoßen, so das Bundesamt, auf Widerspruch in der HoGeSa, deren Initiatoren um Anschlussfähigkeit bemüht sind. Schließlich haben sie ein Mobilisierungsthema gefunden, das an den gesellschaftlich relevanten Diskurs zur Abwehr des Islamismus und über die Greueltaten der Jihadisten anknüpft. Mit der spezifischen Aufbereitung dieses Themas versuchen Hooligans, über den eigenen Kreis hinaus Personen anzusprechen.

Erscheinungsbild und Ausschreitungen bei der Kundgebung in Köln dürften indes den potenziellen Teilnehmerkreis für weitere Demonstrationen einschränken. So hatte die Kundgebung in Hannover nicht nur einen geringeren Zuspruch, sie wurde auch weniger euphorisch kommentiert: Viele Teilnehmer warteten nicht einmal das Ende der Veranstaltung ab. Gegenüber der Demonstration in Köln fehlte in Hannover aufgrund strenger polizeilicher Auflagen jeglicher Eventcharakter. Gleichwohl bewertet die HoGeSa auch die Veranstaltung in Hannover als Erfolg.

Durch die Demonstrationen von HoGeSa erwächst – ungeachtet möglicher Einflussversuche von Rechtsextremisten – nach Einschätzung des Verfassungsschutzes eine potenzielle Gefährdung aus eventuellen Auseinandersetzungen zwischen gewaltbereiten Hooligans und Islamisten im öffentlichen Raum: Der Initiative gehe es um die „Zurückgewinnung" des angeblich an Salafisten und „Linke" verlorenen öffentlichen Raums. Die Veranstaltungen eröffnen Rechtsextremisten ein Betätigungsfeld und erhöhen das Risiko gewaltsamer Straßenkämpfe zwischen Hooligans, Rechts- und Linksextremisten.

Mittlerweile mobilisiere die linksextremistische Antifa in erhöhtem Maße gegen die HoGeSa. So wurden in Hannover vier Teilnehmer der HoGeSa-Veranstaltung von 30-40 gewaltbereiten Gegendemonstranten angegriffen und zum Teil schwer verletzt.

Die Gefahr einer Konfrontation von Hooligans und Extremisten ist nach Einschätzung des Verfassungschutzes natürlich dort besonders groß, wo Kundgebungen politischer Gegner direkt gestört werden können. Allerdings habe die Salafistenszene bislang kaum auf die Provokationen reagiert. Darüber hinaus könnten sich – beeinflusst durch die massive antisalafistische Agitation – rechtsextremistische Einzeltäter und Kleinstgruppen aufgerufen fühlen, auch mit Gewalt gegen Salafisten vorzugehen.

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