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Leserbrief - Christoph Anrich: "Zum Schulfrieden von Nils Schmid"

Stand: 19.12.14 12:32 Uhr

18.12.2014 - Leserbrief "Zum Schulfrieden von Nils Schmid": Passend zur Weihnachtszeit, soll "Frieden" einkehren. Ein parteiübergreifender Konsens in den Schulstrukturen soll den Schulfrieden begründen, wo die Bürger, die Eltern und die Schüler auf verlässliche Schulstrukturen vertrauen können. Leider fehlen bei der Landesregierung die Inhalte. Wollen und brauchen wir wirklich einheitliche Strukturen? Oder wäre es nicht sinnvoller, Schüler mit unterschiedlichen Voraussetzungen optimal zu fördern. Wir sollten uns Gedanken darüber machen, wie Schüler lernen, sogar mit Freude lernen und wann sie gerne in die Schule gehen.

Der Landesregierung mangelt es an Grundlagenwissen über pädagogische Fragen. Niemals sollte die CDU still und ohne Nachfragen dieser Politik „friedlich" zustimmen. Denn die Bemühungen haben nicht die Schüler im Mittelpunkt, sondern Rahmenbedingungen, also Strukturen. Sind diese fehlerhaft, dann ist das ein Grund zur Beunruhigung. Wollen wir wirklich Schüler mit ganz unterschiedlichen Begabungen in eine Klasse zwängen. Die differenzierten Bildungswege in Baden-Württemberg waren sehr gut. Es mangelt nicht an Konzepten, es mangelt an pädagogischen Kriterien.

Wenn die Bildung neurobiologisch, also auf der Grundlage der Gehirnforschung, begründet an Reformen herangehen möchte, dann wird der Schüler zum Subjekt des Lernprozesses. Alles, was das Lernklima und das Lernen begünstigt, sollte gefördert werden. Alles, was die Konzentration mindert, die Freude am Lernen hemmt oder sogar aggressive Handlungen begünstigt, sollte man unterlassen. Entscheidend sind demnach nicht einheitliche Strukturen, sondern, dass die Lernmethoden am Schüler ausgerichtet werden. Darin liegt die Chance.

Dort, wo das Schüler-Lehrer-Verhältnis positiv gestaltet wird, lernt der Schüler gern. Werden Schüler individuell angemessen gebildet, das bedeutet weder unter- noch überfordert, wird es weniger zu Unterrichtsstörungen kommen, weil Schüler mit Freude lernen. So macht der Unterricht auch den Lehrern Spaß. Dort, wo die Politik einen Scheinfrieden herstellen möchte, ohne eine Auseinandersetzung mit den Bildungsinhalten fachlich zu führen, wäre ein „Schulfrieden" eine Sünde am Anliegen, alle Schüler sehr gut zu fördern. Im zweiten Schritt müsste die Politik überlegen, wie Pädagogik, bestmöglich die auf die Gesamtpersönlichkeit Einfluss nehmen soll und kann, denn auch darin besteht in der Kunst des Unterrichtens.

(In den weiterführenden Schulen ist es immer noch die Ausnahme, Bewegung und Lernen zu verbinden. Unumstößlich nachgewiesen ist, je mehr bei einem Lernvorgang das Ineinandergreifen von Wahrnehmen und Empfinden, Fühlen und Denken, Handeln und Bewegen berücksichtigt wird, umso mehr Qualität bekommt das Resultat des Lernprozesses. Wissen speichert sich besser und nachhaltiger, je mehr Kanäle für die Wahrnehmung genutzt werden und ganz hervorragend, wenn der Lernstoff lebendig erlebt wird.
Bildung ist nicht ein Gebilde im Sinne von kasernieren oder einseitig ausrichten, zumauern.

Bildung setzt frei, regt an, bewegt und fordert. Vor allem können Schüler nur lernen, wenn entsprechend der Gehirnfunktionen unterrichtet wird. Die meisten Schüler haben grundsätzlich eine große Neugier und hohe Lernbereitschaft. Immer wenn Schüler Lernschwierigkeiten haben, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass wir gegen die Arbeitsweisen des Gehirns unterrichten. Am sinnvollsten ist der Unterricht, wo das Gehirn den Lerninhalt am besten aufnehmen und verarbeiten kann.) Klammer ggf. weglassen.

Um Schulfrieden herstellen zu können, sollte in der Politik zuerst der Stellenwert von Bewegung und Sport, von Bildungs- und Gesundheitspolitik geklärt sein Die besonderen Chancen ergeben sich, weil eben in der Schule alle Kinder und Jugendliche, alle soziale Schichten erreicht werden können. Hilflos wirken die Ausrichtungen der aktuellen Bildungspolitik im Spiegel der Erkenntnisse der Gehirnforschung sowie unter der Maxime eines verantwortungsvollen, ganzheitlichen, humanen und umfassend gesunden Bildungsverständnisses, das pädagogische Prinzipien zum Mittelpunkt hat.

Der Kardinalfehler bei diesen Behauptungen liegt in der Argumentation. Der Gütemaßstab ist nicht ein einheitliches Schulsystem – also Gemeinschaftsschule, Realschule oder Ganztagesschule sowie die Thematik der Integration - sondern Bildung. Die Hülle bestimmt nicht den Inhalt! Konkret ist zu hinterfragen, ob die Schulpolitik der grün-roten Landesregierung (für alle Schüler gleich) sinnvoll ist. Vergleicht man Vor- und Nachteile, scheint mir dieser eingeschlagene Weg als fragwürdig.

Ob Strukturen der Gemeinschaftsschule oder verlässlichen Ganztagesschule überhaupt in der Lage sind, das Bildungsniveau der Schüler insgesamt anzuheben, wenn dadurch mehr die Betreuung und nicht die individuelle Förderung jedes Schülers angestrebt wird, kann ohnehin bezweifelt werden. Bisher gab es im Schulsystem immer Kinder, die bereits überfordert und unterfordert waren. Werden nun überall mehr Schüler in die gleiche Bildungseinrichtungen verordnet, minimiert man damit niemals bestehende Ungleichgewichte.

Die überforderten Schüler benötigen individuelle Unterstützung, die besonders begabten Schüler spezifische Förderung. Beide Ziele erreicht man nicht, wenn bei politischen Entscheidungen nicht die Schülerinnen und Schüler mit ihren Begabungen im Mittelpunkt stehen, sondern Verwaltungs- und Organisationsstrukturen, die behaupten schülerfreundlich zu sein.

Christoph Anrich

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