Fleischereibetrieb | Bildquelle: RTF.1

Deutschland:

Kritik an Antibiotika-Einsatz in der Tierhaltung - Peta findet resistente Bakterien im Fleisch

Stand: 30.11.14 14:18 Uhr

In vielen Fleischproben namhafter Handelsketten sind die antibiotikaresistenten Bakterien MRSA und ESBL nachgewiesen worden. Das hat die Tierrechtsorganisation PETA bekannt gegeben, die die Untersuchung in Auftrag gegeben hatte. Der Zentralverband der deutschen Geflügelhalter gibt sich betont selbstkritisch zum Thema Antibiotikaeinsatz, will aber nicht "den schwarzen Peter zugeschoben" bekommen.

Bei Untersuchungen von Fleischproben der fünf namhaften Handelsketten - Aldi Süd, Lidl, Edeka, Real und Rewe - wurden laut Peta in großen Teilen der untersuchten Proben die antibiotikaresistenten Bakterien MRSA und ESBL nachgewiesen. Rind-, Schwein- und Geflügelfleischteilen wurden in einem bayrischen Fachlabor untersucht. Insgesamt wurden in 65 % der untersuchten 57 Fleischproben ein oder beide Faktoren gefunden: Mit MRSA waren 31 % der Stücke belastet, ESBL wurden sogar in 45 % der Proben nachgewiesen. Besonders gravierend fielen die Testergebnisse laut Peta in den Hühner- und Putenfleischproben aus: Hier fand das Labor die Keime in 86 % der Fälle. Beim Hackfleisch (12 Proben) waren es knapp über 66 %.

"Wo Antibiotika eingesetzt werden, nehmen Resistenzen zu. In den Tierfabriken werden die Medikamente tonnenweise verabreicht, da die auf Leistung gezüchteten Tiere die kurze Zeit in den unhygienischen und nicht annähernd tiergerechten Haltungsbedingungen nicht überleben würden", mahnt Edmund Haferbeck, Leiter der Rechts- und Wissenschaftsabteilung bei PETA Deutschland e.V. "Wegen antibiotikaresistenten Bakterien versagen lebensnotwendige Medikamente."

Auch von staatlicher Seite wird der Antibiotika-Einsatz kritisch gesehen. "Die Bekämpfung der Zunahme antibiotikaresistenter Keime stellt eine aktuelle Herausforderung des gesundheitlichen Verbraucherschutzes dar", heißt es in der jüngsten "Evaluierung des Einsatzes von Antibiotika in der Putenmast" des nordrhein-westfälischen Umwelt- und Verbraucherschutzministeriums. Und weiter: "Grundsätzlich kann jeder Einsatz von Antibiotika die Resistenzentwicklung und die Ausbreitung von resistenten Bakterien begünstigen".

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) fordert die Länder aufgrund der Evaluierung auf, Kontrollen zu verstärken und "illegalen Antibiotikabehandlungen unverzüglich einen Riegel vorzuschieben". Denn: 92 Prozent der untersuchten Puten bekamen der Studie zufolge Antibiotika verabreicht, moniert der BUND. "Mehr als jeder fünfte Einsatz erfolgte mit Mitteln aus der Gruppe der Reserveantibiotika. Zudem wurden Antibiotika ohne Zulassung für Puten eingesetzt. In einem Teil der Fälle liegt der Verdacht auf illegale Antibiotikaeinsätze nahe".

BUND-Agrarexpertin Reinhild Benning warnte vor der Entwicklung von Resistenzen bei einem übermäßigen Einsatz von Antibiotika in der Fleischproduktion und einer schlimmstenfalls tödlichen Gefahr für Menschen. Reserveantibiotika seien oft die letzte Rettung vor lebensgefährlichen Erkrankungen.

PETA weist ebenfalls auf die Gefahr der steigenden Antibiotikaresistenzen durch den  Medikamenteneinsatz in der landwirtschaftlichen Tierhaltung hin und fordert einen landwirtschaftlichen Strukturwandel hin zu einer bio-veganen Landwirtschaft.

Der Zentralverband der deutschen Geflügelhalter gibt sich betont selbstkritisch und unterstreicht seine Bemühungen um Abhilfe: Das von der Geflügelwirtschaft initiierte Antibiotikamonitoring liefere erstmals verlässliche Daten zum bundesweiten Antibiotikaeinsatz in der Putenhaltung. Die Ergebnisse erfüllten die Branche aber nicht mit Zufriedenheit, räumt der Verband ein:

Offenbar haben 94 Prozent der Putenbetriebe Antibiotika-Einsätze gemeldet. "Wir haben das Problem erkannt und arbeiten intensiv an Lösungen, die sich bereits in den kommenden Monaten positiv auswirken werden", erklärt Thomas Storck, Vorsitzender des Verbandes Deutscher Putenerzeuger (VDP) und Vizepräsident des Zentralverbandes der Deutschen Geflügelwirtschaft (ZDG). "Wir haben das Ziel, hier besser zu werden."

Über die Vergabe eines konkreten Antibiotikums entscheidet ausschließlich der Tierarzt nach vorheriger Untersuchung der Puten, Diagnose und Erstellung eines Antibiogramms.

Storck ist optimistisch, in der deutschen Putenhaltung eine deutliche Senkung der Antibiotikagaben erzielen zu können: "Wir als Branche sind zuversichtlich, den Antibiotika-Einsatz bei Puten in den kommenden drei Jahren zu halbieren. An diesem Ziel wollen wir uns auch messen lassen." Als Beispiel nennt Storck "den verstärkten Einsatz stallspezifischer Impfstoffe zur gezielten Vorbeugung von Krankheiten" und zu erwartende genetischen Fortschritte, was die der Widerstandsfähigkeit der Tiere betrifft.

Storck verweist jedoch dauch arauf, dass das Thema Resistenzen nicht allein für die Nutztierhaltung relevant sei, sondern zu einem erheblichen Teil die Humanmedizin und insbesondere die Krankenhaushygiene in die Verantwortung nehme, wie unter anderem der DAK-Antibiotika-Report 2014 zeige. Storck: "Wir sind an einem gesellschaftlichen Konsens interessiert und wehren uns dagegen, durch einseitige Berichterstattung in dieser so wichtigen Frage den schwarzen Peter zugeschoben zu bekommen." Storck verweist auf bisherige Erfolge in der Nutztierhaltung: So seien im Jahr 2013 mit insgesamt 1.452 Tonnen bereits rund 250 Tonnen weniger Antibiotika als im Vorjahr in der Tierhaltung eingesetzt worden.

Wichtig ist der Putenwirtschaft die Botschaft, dass der Einsatz von Antibiotika während der Aufzucht keine negativen Auswirkungen auf die Qualität des Fleisches habe. So bestätige das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) jedes Jahr aufs Neue in seinem Nationalen Rückstandskontrollplan, dass Putenfleisch frei von gesundheitlich bedenklichen Antibiotikarückständen sei.

Auch der Bundesverband praktizierender Tierärzte meldet sich zum Thema Antibiotika zu Wort und sieht das Problem woanders: "Die bedenkliche Resistenzlage in der Humanmedizin ist nachweislich die direkte Folge des seit Jahren überdurchschnittlichen Verschreibungsverhaltens der Humanmediziner".

In einer Stellungnahme heißt es: "Die Niederlande mit einer der weltweit größten Viehdichten und einem der höchsten Antibiotika-Einsätze haben die niedrigste Rate von MRSA und ESBL. Grund dafür sind konsequente Hygienemaßnahmen in Verbindung mit strengen Leitlinien und Vorschriften in den Krankenhäusern."

Durch die neuen gesetzlichen Regelungen werde erstmals die Therapiehäufigkeit mit Antibiotika in den einzelnen Betriebstypen für die Betriebe und die Überwachung erkennbar werden, so der Bundesverband praktizierender Tierärzte. Die Tierhalter könnten dann anhand der bundesweiten Kennzahlen vergleichen, wie ihre betriebsindividuelle Situation zu beurteilen ist und die Behörden würden im Sinne einer Risikoorientierung Kenntnis über Betriebe erhalten, bei denen Überwachungsmaßnahmen zu prüfen sind.

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