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Baden-Württemberg:

"Integration gelungen?" - Untersuchung zu zu Status, Erfahrungen und Einstellungen von Einwanderern in Baden-Württemberg vorgestellt

Stand: 28.11.14 17:41 Uhr

"Der Vergleich zwischen erster, zweiter und dritter Generation der größten Gruppen macht Studie bundesweit einmalig." Das sagte die baden-württembergische Integrationsministerin Öney zu der jetzt vorgestellten Studie "Integration gelungen?" Der Grundtenor der Studie sein: Integrationsprozesse sind deutlich erkennbar - es gebe jedoch auch Unterschiede nach Herkunftsländern und Generation.In Baden-Württemberg gebe es deutliche Anzeichen für eine im Generationenverlauf ansteigende Integration. Zu diesem Ergebnis kommt die vom Ministerium für Integration in Auftrag gegebene Umfrage unter den fünf größten Einwanderergruppen im Land. Öney sagte: "Die vorliegende Studie ist bundesweit einmalig, da sie über die Herkunftsländer hinaus auch Erfahrungen und Einstellungen der ersten, zweiten und dritten Generation ausländischer Herkunft abbildet."

Forscher der Universität Konstanz befragten insgesamt 2.566 Jugendliche und Erwachsene mit Wurzeln in der Türkei, im ehemaligen Jugoslawien, in Italien, in der ehemaligen Sowjetunion und in Polen. Zu Vergleichszwecken interviewten sie zudem 500 Deutsche ohne ausländische Wurzeln.

Gemeinsam sei es dem Integrationsministerium und den Projektleitern der Studie, Professorin Claudia Diehl und Professor Thomas Hinz von der Universität Konstanz gelungen, sowohl grundlegende als auch praktische Aspekte der Integration zu beleuchten, so Öney. Soziologieprofessorin Claudia Diehl sagte zur Anlage und den Ergebnissen der Umfrage: „Selten sieht man das Thema Integration in seiner ganzen Breite für die verschiedenen Einwanderergruppen und generationen beleuchtet. Dieser Blickwinkel zeigt, wie komplex der Integrationsprozess ist und wie wenig er sich anhand einfacher Formeln fassen lässt.

Der Bericht umfasst u.a. einen Gruppen- und Generationenvergleich, der sich auf neun Integrationsthemen bezieht: rechtlicher Status und Einbürgerung, Bil­dung und Arbeit, sprachliche Potenziale, geteilte Werte und Einstellungen, religi­öses Leben, soziale Netzwerke, bürgerschaftliches Engagement, Zugehörigkeit, Akzeptanz und Benachteiligung sowie Transnationalismus.

Je nach betrachteter Generation und Herkunftsgruppe macht die Umfrage Unter­schiede und Gemeinsamkeiten deutlich. „Die umfangreiche Analyse wird uns helfen, Integrationspolitik noch besser überprüfen und zumindest punktuell auch hinterfragen zu können", sagte Öney. Die Ministerin ging auf wesentliche Ergeb­nisse der Studie ein, etwa auf die Zweisprachigkeit:

„Dass neben deutschen Sprachkenntnissen auch das Erlernen der Herkunftssprache für die Mehrheit der zweiten und auch noch für viele Befragten der dritten Generation als wichtig er­achtet wird, spiegelt die Identitäten in einer Einwanderungsgesellschaft wider", so Öney. Die Studie zeige, dass gute Kenntnisse der Herkunftssprache nicht im Widerspruch zu guten Deutschkenntnissen stünden. Die deutsche Sprachkom­petenz korreliert zumindest tendenziell positiv mit der Sprachkompetenz in der Herkunftssprache.

Bürgerschaftliches Engagement und die Teilhabe am politischen Willensbil­dungsprozess sind weitere wichtige Dimensionen gesellschaftlicher Integration. Die Studie gibt Auskunft darüber, dass die erste und zweite Generation mit aus­ländischen Wurzeln seltener in Vereinen aktiv ist als dies bei Einheimischen der Fall ist. In der dritten Generation sind die Unterschiede deutlich geringer. So ist beim Sport im Generationenverlauf eine besonders positive Entwicklung fest­stellbar.

„Mögliche Defizite der Sprache, des Bildungsgrads und des sozialen Status spielen im Sport eine weniger wichtige Rolle", sagte Öney. Zudem hat ein knappes Drittel der in Vereinen aktiven Befragten ein Ehrenamt oder eine Lei­tungsfunktion inne. Die Abstände zwischen Einheimischen und Personen mit ausländischen Wurzeln sind dabei relativ gering.

Der Soziologieprofessor Thomas Hinz führte aus, dass sich nach den Umfrage­ergebnissen Zugewanderte und ihre Nachkommen zwar selten persönlich dis­kriminiert fühlten, aber viele davon ausgingen, dass Angehörige ihrer Herkunfts­gruppe schlechter behandelt würden als Einheimische. „Das gilt vor allem für Personen mit Wurzeln in der Türkei und der ehemaligen Sowjetunion.

Dies kann die Motivation sich zu integrieren ebenso beeinträchtigen wie eigene Diskriminierungserfahrungen", so Hinz. Insofern sind Aufklärung, Hilfestellungen und kon­krete Maßnahmen des Ministeriums gegen Diskriminierung sehr wichtig.

Die Umfrage geht auch auf die Religiosität der unterschiedlichen Gruppen und Generationen ein. Hierbei zeigt sich, dass ausgeprägte religiöse Haltungen so­wohl unter Türkeistämmigen bestehen als auch unter Menschen, deren Hinter­grund in Polen, Italien oder auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien liegt. Der Aussage, dass sich die Haltung gegenüber Muslimen in den vergangen zehn Jahren verschlechtert habe, stimmen 40 Prozent aller Befragten zu.

Angesichts dieser Befunde erscheint es umso wichtiger, Dialog und Alltagskontakte zu för­dern. „Bemerkenswert ist, dass nur 18 Prozent aller Christen schon einmal eine Moschee in ihrer Wohngegend besucht haben, hingegen geben gut 77 Prozent aller Muslime an, schon einmal in einer Kirche gewesen zu sein. Das zeigt uns, dass wir im Rahmen unserer Möglichkeiten versuchen müssen, den Kontakt zwi­schen Muslimen und Nicht-Muslimen zu verbessern, um Vorurteile abzubauen", so die Ministerin.

Die Wertvorstellungen der in Baden-Württemberg lebenden Bevölkerung unter­scheidet sich viel weniger nach Kulturkreis oder Herkunftsland als oft angenom­men. Eine deutliche Mehrheit der befragten Zuwanderer und Einheimischen meint, die Vereinbarkeit gruppenspezifischer Werte sei vorhanden. Ein Beispiel ist die Zustimmung zur Gleichstellung der Geschlechter. Alle Personen mit aus­ländischen Wurzeln erreichen Zustimmungswerte von 59 Prozent und höher - unter den Befragten ohne ausländische Wurzeln sind es 69 Prozent.

Auch was soziale Beziehungen angeht, die ja für einen gelingenden Integrationsprozess wesentlich sind, kommt der Bericht zu einem positiven Ergebnis: Nur drei Pro­zent der befragten Personen mit ausländischen Wurzeln haben gar keinen Kon­takt zu Einheimischen. Hingegen treffen sich 90 Prozent mindestens „ab und zu" mit Einheimischen.

Erfreulich ist außerdem, dass eine deutliche Mehrheit der befragten Personen mit ausländischen Wurzeln (75 Prozent) der Aussage zustimmt, Deutschland sei ein einladendes Land für Migrantinnen und Migranten. Allerdings gehört auch ein gewisser Grad an Benachteiligung der eigenen Herkunftsgruppe zum Erfah­rungsschatz der Befragten von der ersten bis zur dritten Generation.

Öney sgte: „Ausgrenzungserfahrungen können dazu führen, dass Migrantinnen und Migran­ten weitere Integrationsschritte unterlassen oder die Bindung an Deutschland hinterfragen." Wichtig sei zudem der Hinweis, dass die Beziehung zu einheimi­schen Freunden die negativen Auswirkungen von benachteiligenden Erfahrun­gen abzufedern scheinen. „Dies unterstreicht die Bedeutung sozialer Integrati­on", so die Ministerin.

Warum diese Studie?

Zu einigen zentralen Themenfeldern der Integration gibt es nach Darstellung des Ministeriums keine oder nur partiell Daten aus der amtlichen Statistik. Differenzierte Daten zu einzelnen Herkunfts­ländern liefert die amtliche Statistik ebenfalls nur begrenzt. Z

ur dritten Generati­on, der eine besondere Bedeutung im Integrationsprozess zukommen kann, lie­gen für Baden-Württemberg demnach bisher so gut wie keine Erkenntnisse vor. Die Studie schließt einige dieser Lücken: Sie stellt den Stand der Integration in wichtigen Bereichen für die fünf größten Einwanderergruppen im Land dar, für drei dieser Gruppen bis in die dritte Generation.

Art der Studie

Die Studie ist im Austausch und in Kooperation des Ministeriums für Integration mit der Universität Konstanz entstanden, erklärte Öney. Der gemeinsame Fragebogenentwurf enthalte miteinander verzahnte Themenkomplexe, von Fragen der strukturellen Integration über soziale Integration bis hin zu identifikatorischen und rechtlichen Aspekten.

Für drei Themenbereiche (soziale Netzwerke, Partizipation und das Spannungsfeld Identifikation und Diskriminierung) wurden über rein beschrei­bende Analysen hinaus theoretisch fundierte Analysen vorgenommen, die es ermöglichen, zentrale Einflüsse auf diese Integrationsaspekte zu identifizieren. Die Soziologen der Universität Konstanz befragten insgesamt 3.066 Personen im Alter ab 14 Jahren, die in Baden-Württemberg leben. Der Erhebungszeitraum erstreckte sich von Juli bis Oktober 2013.

Anzahl der Bevölkerung mit Migrationshintergrund im Land (Mikrozensus 2013) Türkei: 508.000, ehemalige Sowjetunion: 463.000, ehemaliges Jugoslawien: 377.000, Italien: 233.000, Polen: 182.000

Da die dritte Generation in der amtlichen Statistik nicht vollständig berücksichtigt wird, liegen die tatsächlichen Zahlen eher höher.

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