"Viele dieser Streuobstflächen befinden sich in privater Hand und es ist natürlich so, dass in den letzten Jahren die Pflege der Streuobstwiesen nachgelassen hat und dementsprechend stehen wir vor großen Problemen", erklärt Angela Weiskopf, Baubürgermeisterin von Reutlingen.
Ein verwahrlostes Grundstück kann schnell zu einem Superspreader für Misteln werden. Und davon gibt es immer mehr. Sinkende Profite im Streuobstanbau sind der Grund. Eine flächendeckende Bekämpfung müsse also auch Privatgrundstücke mit einbeziehen. Die Besitzer zu kontaktieren sei jedoch oft schwierig. Bei vielen Grundstücken könne man sie nicht aufspüren, bei anderen käme keine Antwort. So wurde Hilfe von höherer Instanz nötig.
"Der Anstoß für dieses Projekt, die Misteln zu entfernen, ging aus vom schwäbischen Streuobstparadies", führt Weiskopf weiter aus. "Wir haben auch mit diesem Streuobstparadies Kontakt aufgenommen und nachgefragt beim Bundesministerium, ob es eine Möglichkeit gibt, eben gerade auch auf privaten Grundstücken diese Misteln zu entfernen."
Umweltministerium, Stadt und Schwäbisches Streuobstparadies beschlossen, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Doch ist das Beschneiden von Bäumen in Privatbesitz überhaupt legal?
"Ja, wir dürfen das, wenn es so ist, dass eine rechtliche Pflicht verletzt wurde", erklärt Jasmin Berger vom Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft. "Paragraph 26, Landwirtschafts- und Kulturgesetz. Da steht drin, wer ein landwirtschaftliches Grundstück hat, und ein Streuobstgrundstück ist ein landwirtschaftliches Grundstück, der muss es so bewirtschaften oder zumindest pflegen, dass von diesen Grundstück keine Gefahr für andere Grundstücke ausgeht."
Da die Mistel umliegende Bäume infizieren kann, könne sie als eine solche Gefahr eingestuft werden. Der Plan ist also, Freiwillige aus der Region auf die befallenen Grundstücke zu schicken, um dort die Bäume mit Teleskopsägen von den Parasiten zu befreien. Allem Anschein nach legal, doch nicht ohne Kontroverse.
"Es steht natürlich der Vorwurf im Raum: Jetzt tun wir hier mit öffentlichen Geldern denjenigen die Bäume pflegen, die sich seit Jahren oder vielleicht auch Jahrzehnten nicht kümmern", meint Maria Schropp. "Weil sie nicht mehr können, weil sie nicht mehr hier wohnen, weil sie gar nicht wissen, dass sie eine Streuobstwiese haben, warum auch immer. Das ist natürlich die Kritik die im Raum steht, die auch nachvollziehbar und verständlich ist."
Doch trotz der Kritik sei eben Gefahr im Verzug. Die Misteln können nicht bleiben. Die einzige Alternative wäre eine sogenannte Ersatzvornahme. Streuobstflächenbesitzern, die ihrer Pflicht nicht nachkommen, könnten erzwungene Maßnahmen direkt in Rechnung gestellt werden.
"Und das ist natürlich nicht praktikabel", macht Berger klar. "Das ist erstens nicht praktikabel, weil wir eben die Stücklesbesitzenden nicht mehr auftreiben können, und einfach weil, so soll staatliches Handeln nicht sein. Was kommt dann nachher bei rüber, wenn wir 86-jährigen Damen einen Bescheid schicken mit 'Hier zahl mal bitte 3000 Euro.'"
Ein Bußgeld, das nicht nur politisch unpopulär wäre, sondern auch schnell vor Gericht enden könnte. Das würde den Kampf gegen die Mistel nur in die Länge ziehen, ganz zu schweigen von den potenziell höheren Kosten. Am Ende soll sich die Arbeit mit Freiwilligen einfach mehr rentieren.
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