Zollernalbkaserne Meßstetten | Bildquelle: RTF.1

Meßstetten/Stuttgart:

"Nicht zu toppen"- In Meßstetten entsteht in Rekordzeit eine Erstaufnahmestelle für Flüchtlinge

Stand: 19.11.14 19:48 Uhr

Die Verantwortlichen nennen es ein absolutes bundesweites Leuchtturm-Projekt und eine "Blaupause" dafür, wie die Aufnahme der derzeit riesigen Ströme an notleidenden Flüchtlingen zu bewältigen ist, die sich aus den Krisengebieten im Nahen Osten auch nach Deutschland ergießen. Die Rede ist von der neuen Landeserstaufnahmestelle für Flüchtlinge in der ehemaligen Zollernalbkaserne in Meßstetten im Zollernalbkreis. Sie soll die Hauptstelle in Karlsruhe entlasten, die dem Ansturm längst nicht mehr gewachsen ist. Vor grade mal 10 Wochen hatten die Planungen begonnen, vor zwei Wochen zogen dort dann schon die ersten Menschen ein. Und gestern wurde die neue LEA auch ganz offiziell eröffnet.

Treffen der Verantwortlichen. Vor grade mal zweieinhalb Monaten waren die Gebäude der ehemaligen Zollernalbkaserne noch verwaist. Dank einem Kraftakt von Bund, Land, Kommunen, ihren Bürgern und der Verwaltung leben dort jetzt bereits 250 von einmal - geplant - 500 bis tausend Menschen, die in ihrer Heimat an Leib und Leben bedroht waren, durch Bürgerkriege und islamistischen Terror. Geschätzte 26 000 Flüchtlinge muss Baden-Württemberg bis zum Jahresende erstversorgen, zu viel für die Hauptstelle in Karlsruhe. In den LEAs werden Asylanträge verfasst, Identitäts-, Sicherheits- , Gesundheits- und Qualifikations-Checks durchgeführt.

Die neue LEA hier sollte noch vor dem Wintereinbruch fertig werden. Das Projekt ist gelungen. Integrationsministerin Bilkay Öney, SPD, ist sichtlich begeistert. So stolz sei sie auf diese Stadt, weil das Projekt hier ein bundesweit beispielgebender Leuchtturm sei. Das enorme Tempo in der Zusammenarbeit aller Ebenen von Bund, Land, Kommunen, ihren Bürgern und den zuständigen Verwaltungen sei nicht zu toppen. Der Prozess hier sei getragen von der Solidarität und Hilfsbereitschaft der Menschen vor Ort.

Diese Solidarität hat auch Guenther Martin Pauli, der Landrat des Zollernalbkreises, gespürt. Sicher gebe es zunächst bei manchen immer auch Ängste, wenn man Fremden begegne. Diese Bedenken seien aber schnell ausgeräumt worden, was sich durch die hohe Zahl an ehrenamtlichen Helfern belege, die schnell auf über Hundert angestiegen sei – eine Bestätigung dafür, dass die Entscheidung, die Kaserne als Erstaufnahmestelle in Erwägung zu ziehen, richtig gewesen sei.

Die Flüchtlinge hier kommen zumeist aus Afghanistan, dem Irak und besonders aus Syrien, wo sich Rebellen und Islamisten blutige Kriege miteinander und gegen die Truppen von Diktator Bassar Assad liefern. Aya ist mit ihrer Familie nach Deutschland geflohen. Sie ein Flüchtlingskind aus dem syrischen Aleppo, das Bombenangriffe und Schießereien zu einer Trümmerwüste machten. Überall sei geschossen worden, sagt sie. Und: dass sie froh sei, mit ihrer Familie jetzt hier zu sein. .

Ayas Schicksal ist nur ein Beispiel für viele ähnliche Schicksale. Das, was die Flüchtlinge hier ihren Helfern schildern, lässt oft auch die Verantwortlichen nicht kalt. Landrat Guenther Martin Pauli sagt, dass ihn besonders die Schicksale Familien berührten, die auseinandergerissen worden seien, von Kindern, die ganz allein in den Aufnahmestellen strandeten. Dazu kämen viele, die allein seien, weil sie ihre Angehörigen verloren haben. Dazu kämen Menschen, die trotz der großen Not und Gefahren bereits wieder Heimweh hätten.

Nicht nur die bis an den Rand gefüllte Kammer mit örtlichen Kleiderspenden zeigt, was Verantwortliche von fast überall im Land zum Thema Unterbringung von Flüchtlingen berichten. Die Stimmung der Bürger ist – wider aller Befürchtungen - überwiegend positiv und wohlwollend. Das war auch in Meßstetten so. Eine Bürgerversammlung im August signalisierte breite Unterstützung für die Einrichtung einer LEA. Dann kam ein einstimmiges „Ja" durch den Gemeinderat. Ein Umstand, der auch Integrationsministerin Bilkay Öney tief berührt. Überglücklich sei sie und tief gerührt. Tränen seien ihr in die Augen getreten, als sie die Hilfsbereitschaft und Solidarität der Meßstetter Bürger vor Ort gespürt habe. Dafür hat - nach Überzeugung des Tübinger Regierungspräsidenten Hermann Strampfer - vor allem die kommunale Ebene gesorgt. Die positive Aufnahmestimmung in Meßstetten sei ein absoluter Glücksfall.

Ein absoluter Glücksfall könnten indessen auch die Flüchtlinge für ihr Aufnahmeland sein, das bekanntermaßen unter Geburtenrückgang und Fachkräftemangel leidet. Rund 30 Prozent der Neuankömmlinge hier sind – erfahrungsgemäß - für Jobs in Deutschland bestens geeignet. In Meßstetten werden die Flüchtlinge rund sechs bis acht Wochen, aber maximal 3 Monate, verbleiben. Dann werden sie nach einem vorgegebenen Schlüsse auf Unterkünfte im ganzen Land verteilt.

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