Werner Schulz | Bildquelle: RTF.1

Stuttgart:

"Unterdrückerischer Geist noch immer am Werk": DDR-Bürgerrechtler Schulz im Landtag zum Mauerfall

Stand: 14.11.14 02:25 Uhr

Am 9. November 1989 fiel als Resultat monatelanger friedlicher Bürger-Proteste die Berliner Mauer: Der Anfang vom Ende des sozialistischen deutschen Staates DDR - und der Beginn der deutschen Wiedervereinigung. Am Wochenende wurde in Berlin dem 25. Jahrestag des Mauerfalls und der friedlichen Revolution gedacht. Heute hat auch der baden-württembergische Landtag an die Ereignisse erinnert. Die Festansprache hielt der ehemalige DDR-Bürgerrechtler und Grünen-Politiker Werner Schulz.

Ein vollbesetzter Plenarsaal heute morgen, um einem Ereignis zu gedenken, das viel mehr war, als nur ein Mauerfall. Als sich am 9. November 1989 um 19 Uhr in Berlin die ersten Grenzübergänge öffnen, habe beharrlicher bürgerlicher Freiheitswille, der Wunsch nach Demokratie und Gerechtigkeit über eine Diktatur gesiegt. Die sei - jenseits aller aktueller Diskussionen zweifellos ein Unrechtsstaat gewesen - mit Todesstreifen, Schießbefehl, Gefängnissen – so Landtagspräsident Guido Wolf in seiner Begrüßungsrede.

 

Guido WolfGuido Wolf

In der DDR habe das Recht dem Unrecht und der Unterdrückung gedient. Einen Rechtsschutz durch unabhängige Gerichte habe es nicht gegeben. Die DDR habe gezeigt: die Menschenwürde sei antastbar. Willkür habe zur Staatsraison gehört. Das naturgegebene Recht auf Freiheit sei verweigert worden. Todesstreifen, Mauer, Stacheldraht, Schießbefehl und eingekerkerte Andersdenkende dürften nicht vergessen werden. Nicht vergessen dürfe man auch schon nicht „um unserer selbst willen". Denn Unrecht zu relativieren, bedeute, sich selbst in seinen Betrachtungen" zu disqualifizieren".

 

Gegen Unrechts-Vergessen und Umdeutungen kämpft auch er: Werner Schulz, ehemaliger DDR-Bürgerrechtler. 1980 hatte er gegen die sowjetische Besetzung Afghanistans protestiert und war daraufhin als Wissenschaftlicher Assistent an der Berliner Humboldt-Universität entlassen worden. 1981 hatte er sich in einem Friedensforum engagiert. 1989 war Schulz Mitbegründer des oppositionellen „Neuen Forum", später schloss er sich Bündnis 90/ Die Grünen an, war Volkskammer-, Bundestags- und Europa-Abgeordneter.

Die DDR sei nichts anderes als ein Unrechtsstaat, so Schulz. Und er zitiert den kürzlich verstorbenen Schriftsteller und kommunistischen Insiders Wolfgang Leonhardt Wolfgang Leonhardt. Der hatte die DDR als Lüge mit drei Buchstaben tituliert: als „Demagogisches Diktatur Regime". Von Anbeginn an habe der DDR jegliche demokratische Legitimation gefehlt. Die erste Volkskammerwahl sei bereits eine Fälschung gewesen. Studentische Proteste dagegen wurden blutig-grausam bestraft. Drei Leipziger Studenten seien zum Tode verurteilt und in Moskau hingerichtet worden. Dies sei durchaus mit dem Schicksal der Geschwister Scholl vergleichbar. Leider sei die Würdigung aber eine andere.

Der Fall des DDR-Regimes 1989 sei Resultat einer tiefen kommunistischen Legitimations- und Systemkrise gewesen, die den Reformer Gorbatschow nach oben spülte. Der aber habe mit „Glasnost" und „Perestroika" den Kommunismus retten, nicht beenden wollen. Keinesfalls habe er die Zerstörung des „Warschauer Pakts" angestrebt. Und zum Wegbereiter der Deutschen Einheit sei er nur wider Willen geworden.

Den Sturz des DDR-Regimes aber hätten die freiheitssuchenden Bürger erzwungen. Mut habe dazu gehört, 1989 auf die Straßen zu gehen. Ohne die Ring-Demonstrationen in Leipzig, der sich nach und nach Zehntausende angeschlossen hätten, hätte es den 9. November in Berlin nicht gegeben.Und auch nicht das Ende der DDR.

Der Geist, der damals zur Unterdrückung allen Widerstands in der DDR benutzt wurde, sei heute ganz aktuell im Falle der Revolution in der Ukraine zu besichtigen, bei der russische Präsident Putin und auch Teile der Partei "Die Linke"behauptet haben, es drohe die Rückkehr des Faschismus. Mit derselben ideoloogische Keule sei einmal der Bau der Mauer begründet worden, die als euphemistisch "Antifaschistischer Schutzwall" bezeichnet wurde. Auch der Volksaufstand vom 17. Juni 1953 sei als "fasischtisch"  gebrandmarkt worden, um ihn dann niederzuwalzen. Zudem habe die SED mit der gleichen Argumentation In letzterMinute versucht, die Grenzöffnungen, ihren Machtverlust  und die sich abzeichnende Wiedervereinigung zu verhindern.

Als "beschämend" bezeichnete es Schulz, dass es in der Partei "Die Linke" noch heute eine geduldete kommunistische Plattform gebe, die es sich zur Aufgabe gemacht habe, "Wege in den Kommunismus" zu suchen.

Einen weiteren Artikel zum Thema "LINKEN entschuldigen sich für DDR"  lesen Sie hier.

 Einen Artikel mit der vollständigen "Drachenbrut"-Rede des DDR-Regimekritikers Wiolfgang Biermann im Deutschen Bundestag lesen Sie hier!

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